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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. März 1980 i.S. Eidgenössisches Departement des Innern gegen von Castelberg, Regierung des Kantons Graubünden sowie politische Gemeinde und Bürgergemeinde Disentis/Mustér (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 33 und 35 FPolG; Teilung oder Veräusserung öffentlichen Waldes? |
2. Abgrenzung zwischen "Teilung" und "Veräusserung" öffentlichen Waldes (Art. 33 und 35 FPolG; E. 3 und 4). | |
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3. a) Nach Art. 33 FPolG darf eine Teilung öffentlicher Waldungen zu Eigentum oder Nutzniessung nur mit Bewilligung der Kantonsregierung und nur zu öffentlicher Hand ![]() | 2 |
b) Die Auffassung des beschwerdeführenden Departementes, die streitige Waldabtretung stelle eine Teilung öffentlichen Waldes im Sinne von Art. 33 FPolG dar, stützt sich auf ein Urteil des Bundesgerichts vom 25. Oktober 1974 i.S. Leuthold (ZBl 76/1975 S. 294 ff.). Darnach ist unter "Teilung" im Sinne von Art. 33 FPolG jede Abtrennung einer Parzelle von einer öffentlichen Waldung, die bisher als ganzes bewirtschaftet wurde, zu verstehen. Das Gericht führte aus, Art. 33 FPolG solle verhindern, dass der Wald in unwirtschaftlicher Weise zerstückelt werde. Die weniger strenge Regelung des Art. 35 FPolG für Veräusserungen könne daher lediglich auf gänzlich isolierte Waldparzellen, die mit dem restlichen Wald des Gemeinwesens nicht zusammenhängen, Anwendung finden. Hingegen müsse Art. 33 FPolG sinngemäss jederzeit Platz greifen, wenn eine bisher zusammen mit angrenzendem Wald des gleichen Gemeinwesens bewirtschaftete Parzelle abgetrennt und veräussert werden solle (ZBl 76/1975 S. 295 f. E. 3a).
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Diese Praxis schränkt den Anwendungsbereich des Art. 35 FPolG stark ein. Zwar scheint sie natürlicher Lesart der Art. 33 und 35 FPolG zu entsprechen. Sie orientiert sich indessen lediglich am Wortlaut dieser Bestimmungen und lässt weitere Auslegungselemente, namentlich die Entstehungsgeschichte der Art. 33 und 35 FPolG, ausser acht. Da Teilung und Veräusserung öffentlicher Waldungen unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen, kommt dem Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander erhebliche praktische Bedeutung zu. Diese Frage ist daher vorweg abzuklären.
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a) Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gewann unter dem Einfluss neuer wirtschaftlicher und politischer Theorien die Auffassung an Bedeutung, dass der Bauer Privateigentum besser und sorgfältiger bewirtschafte als Gemeinland. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden daher vielerorts Wald und Flur, welche bisher Allmend waren oder Korporationen gehört hatten, unter die Genossen aufgeteilt. Dies führte namentlich beim Wald rasch zu Übernutzung und grobem Raubbau (vgl. dazu GROSSMANN, Forstgesetzgebung und Forstwirtschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Beiheft Nr. 25 zur Zeitschrift des Schweizerischen Forstvereins 1949, S. 60 ff. 63).
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b) Bundesrat und Bundesversammlung erkannten diese Gefahr offensichtlich und veranschlagten sie höher als diejenige, welche von anderen Arten der Veräusserung öffentlicher Waldungen an Private ausging. Art. 9 Abs. 2 des Entwurfes des Bundesrates vom 3. Dezember 1875 zu einem Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge (aFPolG) lautete folgendermassen:
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"Eine Waldtheilung ist mit Ausnahme ausserordentlicher Verhältnisse nur zwischen mehreren Gemeinden, Korporationen, Stiften und Genossenschaften, nicht aber unter Gliedern derselben statthaft (BBl 1875 IV 1104)."
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Dagegen machte Art. 10 desselben Entwurfes die blosse "Veräusserung" von "Gemeinds-, Korporations-, Stifts- und Genossenschaftswaldungen" lediglich von einer Bewilligung der Kantonsregierung abhängig.
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Im Gesetz (aFPolG vom 24. März 1876) wurde folgende Fassung aufgenommen:
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"Art. 12. Eine Realtheilung der Staats-, Gemeinde- und Korporationswaldungen ist weder zur Nuzniessung noch zum Eigenthum statthaft, mit Ausnahme ausserordentlicher Verhältnisse, worüber die kantonale Regierung zu entscheiden hat.
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Art. 13. Gemeinde- und Korporationswaldungen dürfen ohne Bewilligung der Kantonsregierung nicht veräussert werden. (AS 1876 S. 353 ff., 356.)."
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Nach den Beratungen der nationalrätlichen Kommission über diesen Entwurf legte der Bundesrat einen zweiten Entwurf samt Botschaft vor (BBl 1899 III 101 ff., 115 ff.). Darin nahm er erstmals Bezug auf Verhältnisse, in welchen sich mehrere Gemeinwesen oder öffentliche Korporationen in gemeinsamen Besitz von Wald befinden. Er stellte fest, dass solche Wälder meist übernutzt würden, so dass deren Aufteilung im öffentlichen Interesse liege. Er beantragte daher den Räten die Aufnahme einer Bestimmung, welche sinngemäss dem heutigen Art. 34 FPolG entspricht (Art. 29 des II. Entwurfes). Zugleich modifizierte er die Bestimmung des I. Entwurfes über das generelle Verbot der Realteilung öffentlicher Waldungen. Er beantragte neu, solche Realteilungen "zu Privathanden" gänzlich zu verbieten und sie in den übrigen Fällen von einer Bewilligung der Kantonsregierung abhängig zu machen (Art. 28 des II. Entwurfes). In bezug auf Art. 13 aFPolG schlug er lediglich vor, die Bewilligungspflicht auch auf solche Gemeinde- und Korporationswaldungen zu erstrecken, deren Veräusserung statutarisch statthaft ist.
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Die Bundesversammlung folgte den Anträgen des Bundesrates im wesentlichen. Das Ergebnis ihrer Beratungen bildeten die heute noch in Kraft stehenden Art. 33-35 FPolG. Gleichzeitig wurde der Begriff des "öffentlichen Waldes" erweitert. Er umfasst heute nicht nur die Staats- und Gemeindewaldungen, sondern auch die "Korporationswaldungen sowie solche Waldungen, welche von einer öffentlichen Behörde verwaltet werden" (Art. 2 lit. a FPolG).
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d) Diese Materialien zeigen, dass der Gesetzgeber die Begriffe "Teilung" und "Veräusserung" bewusst unterschieden hat. Unter "Teilung" verstand er die Aufteilung unter bisher ![]() | 17 |
Dieses Verständnis der Begriffe "Teilung" und "Veräusserung" entspricht auch dem Wortsinn. "Teilung" (und noch mehr der frühere Ausdruck "Realteilung") deutet auf einen internen Vorgang unter bisher Berechtigten hin, "Veräusserung" dagegen auf ein nach aussen gerichtetes Geschehen. Die historische Auslegung führt somit zu einer hinreichend deutlichen Sinngebung. Andere Interpretationsmethoden scheiden mangels genügend sicherer Ansatzpunkte aus, so dass die gefundene Auslegung als massgebend zu erachten ist. An den Erwägungen im zitierten Urteil i.S. Leuthold (ZBl 76/1975 S. 294 ff.) zur Abgrenzung von "Teilung" und "Veräusserung" kann deshalb nicht festgehalten werden.
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