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30. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. März 1980 i.S. Bundesamt für Justiz gegen Jenner und Stucky (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. |
2. Wohnsitz im Sinne von Art. 4 BewB; Fall eines Ausländers, der sich zu Studienzwecken in der Schweiz aufhält (E. 2). |
3. Die Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse am Erwerb eines Grundstückes in der Schweiz besteht, sind in Art. 6 Abs. 2 BewB abschliessend aufgezählt; berechtigtes Interesse vorliegend verneint (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Mit öffentlicher Urkunde vom 23. November 1977 verkaufte Fritz Stucky, Architekt in Baar, Udo Jenner ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in der zugerischen Gemeinde Neuheim. Dieser Kaufvertrag wurde unter dem Vorbehalt geschlossen, dass dem Käufer die nach dem Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewB) erforderliche Bewilligung erteilt werde. Am 25. August 1978 verweigerte die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zug Jenner die Bewilligung, das genannte Grundstück zu erwerben. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, einerseits sei der Bewerber nach schweizerischem Recht minderjährig und deshalb nicht handlungsfähig, anderseits sei die Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass der Bewerber mit dem Grundstückskauf eine Kapitalanlage beabsichtige, ohne sich über ein berechtigtes Interesse im Sinne des Bewilligungsbeschlusses ausweisen zu können. Auf Beschwerde des Verkäufers Stucky und des Käufers Jenner hob das Verwaltungsgericht des Kantons Zug am 18. Oktober 1978 den Entscheid der Volkswirtschaftsdirektion auf und wies die Sache zur Erteilung der Bewilligung an diese zurück.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Justiz, es sei der Entscheid des Verwaltungsgerichtes des Kantons Zug vom 19. Oktober 1978 aufzuheben und die nachgesuchte Bewilligung zum Erwerb des genannten Grundstücks zu verweigern.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Der Bewilligungsbeschluss enthält keine besonderen Regeln über die Fähigkeit ausländischer Personen, bewilligungspflichtige Rechtsgeschäfte abzuschliessen und vor Verwaltungs- und Gerichtsbehörden aufzutreten. Eine solche Regel kann, entgegen der Auffassung des beschwerdeführenden Amtes, auch nicht aus dem Zweck dieses Beschlusses abgeleitet werden. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass im Anwendungsbereich des BewB die Handlungsfähigkeit ausländischer Personen nach schweizerischem Recht zu beurteilen sei. Der BewB verfolgt das Ziel, den Verkauf von Grundstücken an Ausländer einzuschränken, ohne dabei die nach schweizerischem Recht noch nicht handlungsfähigen Personen benachteiligen zu wollen. Da weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Zweck des BewB eine Regel zur Beurteilung der Handlungsfähigkeit ausländischer Personen hervorgeht, ist diese Frage auch im Anwendungsbereich des BewB nach den internationalprivatrechtlichen Normen, nach denen sich die Handlungsfähigkeit ausländischer Personen im allgemeinen richtet, zu entscheiden. Der schweizerische ordre public ist dabei nicht betroffen.
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b) Der Kaufvertrag wurde im vorliegenden Fall am 23. November 1977 geschlossen. An diesem Datum hatte der Käufer Jenner, der am 9. Mai 1960 geboren ist, das 18. Altersjahr noch nicht vollendet. Er war somit sowohl nach schweizerischem als auch nach deutschem Recht minderjährig und daher noch nicht handlungsfähig (Art. 14 Abs. 1 ZGB, § 2 BGB). Bei dieser Rechtslage konnte sich Jenner mit dem Abschluss des Kaufvertrages nur unter Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters gültig verpflichten (Art. 19 ZGB, § 107 BGB). Weder der Kaufvertrag vom 23. November 1977 noch sonst ein Schriftstück, das den kantonalen Behörden eingereicht wurde, weist jedoch auf eine Zustimmung durch seinen gesetzlichen Vertreter hin. Es ist daher davon auszugehen, dass sich Jenner mit dem erwähnten Kaufvertrag nicht rechtsgültig verpflichtet hat.
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Jenner ist nach deutschem Recht seit dem 9. Mai 1978 volljährig (§ 2 BGB). Wenn dieses Recht anwendbar ist, muss davon ausgegangen werden, dass er nach Erreichen der Mündigkeit, mindestens konkludent den fraglichen Kaufvertrag genehmigt hat. Er konnte in diesem Fall ferner rechtsgültig am 28. Juni 1978 eine Bewilligung zum Erwerb des Grundstücks beantragen sowie vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug Beschwerde führen. Nach schweizerischem Recht hingegen hätte Jenner die Möglichkeit nicht gehabt, diese Handlungen gültig vorzunehmen, da er im massgebenden Zeitraum noch unmündig war. Es ist daher zu entscheiden, nach welchem Recht seine Handlungsfähigkeit beurteilt werden muss.
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c) Nach Art. 59 SchlT ZGB bleibt das Bundesgesetz vom 25. Juni 1891 betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter (NAG) für die Rechtsverhältnisse der Schweizer im Ausland und der Ausländer in der Schweiz in Kraft. Dieses Gesetz behält seinerseits in Art. 34 die Anwendbarkeit von Art. 10 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1881 betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit (AS Bd. V, 1880-81, S. 556) vor. Diese beiden Absätze von Art. 10 sind deshalb weiterhin in Kraft, obschon das Gesetz über die persönliche Handlungsfähigkeit durch Art. 60 Abs. 2 SchlT ZGB an sich aufgehoben worden ist (BGE 61 II 17mit Hinweis).
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Nach Art. 10 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die persönliche Handlungsfähigkeit richtet sich die Handlungsfähigkeit der Ausländer in der Schweiz nach dem Recht ihres Heimatstaates. Dieser internationalprivatrechtliche Grundsatz ist von der ![]() | 11 |
Im vorliegenden Fall ist somit davon auszugehen, dass sich die Handlungsfähigkeit des Käufers Jenner nach dessen Heimatrecht richtet. Nach diesem Recht wurde Jenner am 9. Mai 1978 mündig und erwarb damit die Handlungsfähigkeit. Er konnte demnach den Kaufvertrag vom 23. November 1977 gültig genehmigen und war zur Einreichung eines Gesuchs bei der Volkswirtschaftsdirektion sowie zur Beschwerdeführung vor Verwaltungsgericht fähig.
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Nach Art. 1 BewB bedarf der Erwerb von Grundstücken in der Schweiz durch Personen mit Wohnsitz im Ausland der Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde. Als Personen mit Wohnsitz im Ausland gelten u.a. natürliche Personen, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben (Art. 3 lit. a BewB). Als Wohnsitz im Sinne des BewB ist ein zivilrechtlicher Wohnsitz zu betrachten, der ununterbrochen mehr als fünf Jahre gedauert hat (Art. 4 BewB).
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Der Beschwerdegegner Jenner hält sich seit mehr als fünf Jahren aufgrund einer regelmässig verlängerten Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz auf. Bis zu seiner Mündigkeit am 9. Mai 1978 teilte er jedoch von Gesetzes wegen den ausländischen Wohnsitz seines Vaters (Art. 25 Abs. 1 ZGB). Aber auch nach Erreichen der Volljährigkeit konnte er in der Schweiz keinen Wohnsitz begründen, da ein Aufenthalt zu Studienzwecken ![]() | 15 |
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a) Die Vorinstanz hat zu Unrecht angenommen, die Bewilligung könne in Anwendung von Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 erteilt werden. Nach dieser Bestimmung ist ein berechtigtes Interesse anzunehmen, wenn aussergewöhnlich enge geschäftliche oder andere schutzwürdige Beziehungen des Erwerbers zum Ort des zu erwerbenden Grundstückes bestehen. Jenner hält sich seit September 1974 im Internat Montana auf dem Zugerberg (Gemeinde Zug) auf, während das Grundstück, das er erwerben will, in Neuheim, d.h. in einer anderen Gegend des Kantons Zug liegt. Jenner macht nicht geltend, er unterhalte zur Gemeinde Neuheim besonders enge Beziehungen. Er behauptet auch nicht, er unterhalte zu einer Nachbargemeinde von Neuheim besonders enge Beziehungen, welche denjenigen zum Ort des zu erwerbenden Grundstücks gleichgestellt werden (Art. 12 BewV). Bei dieser Sachlage kann die Bewilligung aufgrund von Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 BewB nicht erteilt werden.
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b) Die Vorinstanz hat ferner zu Unrecht Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 2 BewB angewendet. Die Fremdenpolizei hat Jenner eine Aufenthaltsbewilligung für einen Aufenthalt im Institut Montana auf dem Zugerberg, d.h. in der Gemeinde Zug erteilt. Eine Bewilligung für den Aufenthalt in der Gemeinde Neuheim, wo sich das fragliche Grundstück befindet, stand nie zur Diskussion. Jenner kann sich folglich nicht darauf berufen, er halte sich im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 2 BewB "mit Bewilligung der Fremdenpolizei" am Ort des zu erwerbenden Grundstücks auf.
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d) Da im vorliegenden Fall keine der in Art. 6 Abs. 2 lit. a genannten Voraussetzungen zutreffen, kann Jenner die Bewilligung zum Erwerb der Parzelle Nr. 410 von Neuheim nicht erteilt werden. Die Vorinstanz hat daher mit dem angefochtenen Entscheid, in dem sie die Erteilung der Bewilligung anordnete, Bundesrecht verletzt. Dies führt zur Gutheissung der Beschwerde des Bundesamtes für Justiz. Bei dieser Rechtslage braucht nicht geprüft zu werden, ob Jenner die Parzelle Nr. 410 des Grundbuches Neuheim im Auftrag und für Rechnung einer Drittperson (z.B. seines Vaters) zu erwerben beabsichtigt und ob daher ein Umgehungsgeschäft vorliegt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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