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33. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. Juli 1980 i.S. Gehrig gegen Eidg. Zollrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Nachforderung von Zollabgaben. |
- Leistungspflicht gemäss Art. 12 Abs. 1 und 2 VStrR; das Verschulden bildet nicht Voraussetzung dafür (E. 2c). |
- Verjährung der auf Art. 12 VStrR gestützten Forderungen (E. 2d). | |
Sachverhalt | |
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Alois Gehrig zog die Verfügung der Zollkreisdirektion mit Beschwerde an die Eidg. Zollrekurskommission weiter. Diese wies die Beschwerde ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus, die Zollbefreiung für die eingeführten Waren sei zu Unrecht erwirkt worden; somit sei der Tatbestand der Zollübertretung im Sinne von Art. 74 Ziff. 9 ZG objektiv erfüllt. Da diese Zollübertretung eine Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes im Sinne von Art. 12 Abs. 1 VStrR darstelle, müssten die zu Unrecht nicht erhobenen Abgaben nachentrichtet werden.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Alois Gehrig, der Entscheid der Zollrekurskommission sei aufzuheben. Er macht geltend, die Voraussetzungen einer Nachforderung nach Art. 12 VStrR seien nicht erfüllt, da eine Widerhandlung im Sinne dieser Bestimmung neben dem objektiven Tatbestand auch ein relevantes Verschulden erfordere. Dass kein Strafverfahren eingeleitet worden sei, belege, dass es an dieser Voraussetzung fehle. Er hält im übrigen auch daran fest, dass die Nachforderung verjährt sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Der angefochtene Entscheid der Zollrekurskommission unterliegt nach Art. 97 und Art. 98 lit. e OG der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (vgl. auch Art. 109 Abs. 1 lit. e ZG). Es trifft im vorliegenden Fall keine Ausnahme von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 99 ff. OG zu. Insbesondere kommt Art. 100 lit. h OG nicht zur Anwendung, da sich die ![]() | 4 |
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a) Für die Zollnachforderung gelten nicht die Grundsätze über den Widerruf von Verwaltungsverfügungen, die das Bundesgericht als ungeschriebene Rechtsregeln entwickelt hat; diese Rechtsprechung behält besondere gesetzliche Bestimmungen ausdrücklich vor (BGE 103 Ib 243, BGE 100 Ib 302 mit Hinweisen).
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b) Nach Art. 126 ZG kann die zuständige Zollkreisdirektion binnen Jahresfrist eine Zollabgabe nachfordern, wenn infolge Irrtums der Zollverwaltung bei der Zollabfertigung eine nach Gesetz geschuldete Abgabe nicht oder zu niedrig festgesetzt worden ist. Diese Nachforderung stellt das Gegenstück der Rückerstattung von Zollzahlungen nach Art. 125 ZG dar (vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 4. Januar 1924, BBl 1924 I, S. 62). Aus dem Wortlaut von Art. 125 und 126 ZG geht hervor, dass ein Irrtum in bezug auf Tatsachen nur dann im Rahmen dieser Bestimmungen zu berücksichtigen ist, wenn diese Tatsachen bei der ordentlichen Kontrolle der Papiere entdeckt werden konnten. Es handelt sich dabei insbesondere um Fehler bei der Festsetzung des Betrages der Zollabgabe sowie um Irrtümer bei der Wahl der Position des Zolltarifs (BGE 82 I 254 E. 2, ERNST BLUMENSTEIN, Grundzüge des schweizerischen Zollrechts, S. 42).
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Im vorliegenden Fall ist Art. 126 ZG nicht anwendbar. Der Beschwerdeführer ist nicht infolge eines Irrtums der Zollverwaltung bei der Zollabfertigung zu Unrecht in den Genuss einer Zollbefreiung gekommen, sondern weil ihm diese Zollbefreiung aufgrund der Warenverkehrsbescheinigungen, die den Ursprung der Waren in einem Land der Europäischen Gemeinschaften bestätigten, gewährt werden musste. Die Zollbehörden hatten die Angaben über den Ursprung dieser Waren bei ![]() | 8 |
c) Nach Art. 12 Abs. 1 VStrR sind unter anderem Abgaben ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person nachzuentrichten, wenn sie infolge einer Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes zu Unrecht nicht erhoben worden sind. Leistungspflichtig ist nach Abs. 2 dieses Artikels, wer in den Genuss des unrechtmässigen Vorteils gelangt ist, insbesondere der zur Zahlung der Abgabe verpflichtete. In Abs. 3 wird festgehalten, dass diejenigen Personen, welche die Widerhandlung begangen oder an ihr teilgenommen haben, für den nachzuentrichtenden Betrag mit den Rückleistungspflichten solidarisch haften, sofern sie vorsätzlich gehandelt haben.
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Aus dieser Regelung ergibt sich, dass derjenige, der in den Genuss eines Vorteils gelangt ist (insbesondere der Abgabepflichtige) bereits dann nachzahlungspflichtig ist, wenn dieser Vorteil seinen Grund in einer objektiven Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes hat und zudem unrechtmässig ist; ein Verschulden und erst recht eine Strafverfolgung werden nicht zur Voraussetzung der Nachzahlungspflicht gemacht. Ein Verschulden (Vorsatz) ist nur notwendig, um eine solidarische Haftung des Täters oder Teilnehmers nach Art. 12 Abs. 3 VStrR zu begründen.
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Im vorliegenden Fall kann die Nachleistung gefordert werden, weil durch die zollfreie Einfuhr der erwähnten Kleidungsstücke objektiv eine Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes, d.h. gegen Art. 74 Ziff. 9 ZG (Erwirkung der Zollbefreiung, ohne dass die Voraussetzungen dafür zutreffen) begangen worden ist und weil der Beschwerdeführer als Abgabepflichtiger dadurch in den Genuss eines unrechtmässigen Vorteils gelangt ist. Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer kein Verschulden vorgeworfen wurde und dass die Verwaltung auf eine Strafverfolgung gegen ihn verzichtet hatte, schliesst eine Nachforderung der Zollabgabe nach Art. 12 VStrR nicht aus.
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d) Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, die Nachforderung der Zollabgabe sei verjährt.
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Nach Art. 12 Abs. 4 VStrR verjähren die Leistungs- und Rückleistungspflicht nicht, solange die Strafverfolgung und ![]() | 13 |
Der Tatbestand, der im vorliegenden Fall zur Anwendung käme, wenn ein Verschulden nachgewiesen wäre, nämlich die Erwirkung einer Zollbefreiung, ohne dass die Voraussetzungen für den zollfreien Warenverkehr zutreffen (Art. 74 Ziff. 9 ZG), verjährt in fünf Jahren (Art. 11 Abs. 2 VStrR). Auf die vorliegend zu beurteilende Zollnachforderung, die ihren Grund in einer objektiven Verwirklichung dieses Tatbestandes findet, ist daher ebenfalls eine fünfjährige Verjährungsfrist anwendbar.
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Die Zollverwaltung brachte dem Beschwerdeführer die Zollnachforderungsverfügungen weniger als zwei Jahre nach der Zollabfertigung zur Kenntnis. Damit wurde die Verjährungsfrist unterbrochen. Während der Dauer des vorliegenden Verfahrens stand die Verjährungsfrist still (Art. 64 ZG). Somit ist die Zollnachforderung gegen den Beschwerdeführer nicht verjährt. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.
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