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37. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Oktober 1980 i.S. Hans Schmidli gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
SVG - Art. 22 ff. der Verordnung über Haftpflicht und Versicherung im Strassenverkehr vom 20. November 1959 (VVV). |
2. Zulässigkeit des Entzugs eines kollektiven Fahrzeugausweises aufgrund einer begründeten Praxisänderung (E. 2). |
3. Hinreichende Gründe für die Erteilung oder Weiterbelassung eines Kollektivfahrzeugausweises gemäss Art. 23 Abs. 3 lit. a VVV können sich nicht bloss aus dem Nachweis eines genügenden Umsatzes, sondern auch einer genügenden Anzahl Gelegenheiten zur Verwendung der Händlerschilder ergeben. Anwendung auf Bootsbaubetriebe (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Im Rahmen der Einführung neuer, mit dem Buchstaben "U" versehener Händlerschilder überprüfte das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich bei den bisherigen Inhabern von Kollektivfahrzeugausweisen die Voraussetzungen der Weiterbelassung dieser Kollektivversicherung. Mit Verfügung vom 4. April 1979 entzog das Strassenverkehrsamt Hans Schmidli das Händlerschild ZH 39'912 sowie den entsprechenden Kollektivfahrzeugausweis, da er anlässlich der Umsatzprüfung nur einen bescheidenen Umsatz habe nachweisen können.
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Eine Beschwerde Hans Schmidlis gegen diese Verfügung wurde vom Regierungsrat des Kantons Zürich abgewiesen. Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde Hans Schmidlis gut aus folgenden
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Erwägungen: | |
1. Das Bundesgericht hat im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren gemäss Art. 104 lit. a OG grundsätzlich nur zu prüfen, ob die angefochtene Verfügung Bundesrecht, d.h. die einschlägigen Verordnungen, Gesetze, Staatsverträge und Verfassungsbestimmungen, verletzt. Kreisschreiben, Dienstanweisungen oder Verwaltungsverordnungen enthalten dagegen keine Rechtssätze. Das Bundesgericht ist daran nicht gebunden. Die angefochtene Verfügung ist direkt auf ihre Bundesrechtmässigkeit zu überprüfen (BGE 105 Ib 139 ff. E. 1, 2 ![]() | 4 |
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Nach Art. 23 Abs. 1 VVV werden Kollektivfahrzeugausweise, die zum Anbringen der darin genannten Händlerschilder berechtigen, nur abgegeben an Personen, die unter anderem
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"a. in ihrem Betrieb berufsmässig Motorfahrzeuge oder Motorfahrzeuganhänger herstellen, oder damit Handel treiben oder solche Fahrzeuge zu Reparaturen, Umbau oder ähnlichen Zwecken entgegennehmen."
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Der Kollektivfahrzeugausweis ist dagegen nach Art. 23 Abs. 3 lit. a VVV namentlich dann zu verweigern oder zu entziehen, wenn
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Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer an sich die Voraussetzungen für die Erteilung eines Kollektivfahrzeugausweises für Motorfahrzeuganhänger gemäss Art. 23 Abs. 3 lit. a VVV erfüllt und zwar als Händler und als Inhaber einer Reparaturwerkstätte. Der Ausweis ist ihm nach dem angefochtenen Entscheid auch bloss deshalb entzogen worden, weil die Verwendung der Händlerschilder im Sinne von Art. 23 Abs. 3 lit. a VVV nach Art und Umfang des Betriebes nicht erforderlich sei.
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b) Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, der Kollektivfahrzeugausweis dürfe ihm nicht entzogen werden, nachdem sich Art und Umfang seines Geschäftes seit Erteilung des Ausweises im Jahre 1963 nicht geändert hätten.
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Nach Art. 23 Abs. 3 lit. a VVV sind Kollektivfahrzeugausweise nicht bloss zu verweigern, sondern auch zu entziehen, wenn sie nach Art und Umfang des Betriebes offensichtlich nicht erforderlich sind. Derartige Ausweise sind demnach ohne weiteres zu entziehen, wenn sich bei einer Kontrolle ergibt, dass der Umfang des Geschäftes seit Erteilung des Ausweises derart zurückgegangen ist oder die Art des Geschäftes etwa infolge Änderung der Betriebsstruktur sich so geändert hat, dass sich das Händlerschild nicht mehr als notwendig erweist. Es kann jedoch offenbleiben, ob sich Art und Umfang des Geschäftes des Beschwerdeführers nicht entgegen seinen heutigen Ausführungen seit der Bewilligungserteilung eben doch entscheidend verändert haben. (Der Beschwerdeführer hat - wie dem angefochtenen Entscheid zu entnehmen ist - vor der Vorinstanz nicht bestritten, dass jedenfalls der Verkauf von Bootsanhängern infolge Sättigung des Marktes erheblich zurückgegangen sei.) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann nicht allgemein gesagt werden, dass ein Entzug der Händlerschilder nur bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in Frage kommen könne. Formell rechtskräftige Verwaltungsverfügungen können zwar nicht ohne weiteres aufgehoben werden, wenn sie dem öffentlichen Interesse oder dem geltenden Recht nicht oder nicht mehr entsprechen; vielmehr ist nach der Rechtsprechung aufgrund einer Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden, ob das Interesse an der Rechtssicherheit bzw. am Bestand der Verfügung das Interesse an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechtes überwiegt ![]() | 12 |
Die kantonalen Behörden waren somit berechtigt, sachgerechte strengere Bewilligungsvoraussetzungen auch gegenüber ![]() | 13 |
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a) Wie das Bundesgericht bereits in zwei unveröffentlichten Urteilen erkannt hat, genügt der Umstand, dass ein bestimmter Mindestumsatz nicht erreicht wird, nicht für die Annahme, ein kollektiver Fahrzeugausweis sei "nach Art und Umfang des Betriebes offensichtlich nicht erforderlich". Die Ausweisverweigerung darf kein Mittel sein, um neue oder kleinere Betriebe im Wettbewerb zu benachteiligen (unveröffentlichte Urteile Waser vom 1. April 1976 und Thommen vom 21. Dezember 1979). Zwar lässt sich aus der Höhe des erzielten Umsatzes gegebenenfalls schliessen, dass der Umfang des Betriebes die Abgabe eines Kollektivfahrzeugausweises rechtfertige, bzw. ein Grund zur Verweigerung nach Art. 23 Abs. 3 lit. a VVV nicht vorliege. Insofern kann die vorbehaltlose Erteilung der Händlerschilder vom Nachweis eines Mindestumsatzes abhängig gemacht werden. Umgekehrt kann jedoch aus dem Fehlen eines bestimmten Mindestumsatzes nicht ohne weiteres abgeleitet werden, ein Kollektivfahrzeugausweis sei nach der Art oder nach dem Umfang des Betriebes offensichtlich nicht erforderlich. Der Kollektivfahrzeugausweis mit den entsprechenden Händlerschildern berechtigt nämlich nach Art. 24 VVV
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"a) zu Fahrten für die Behebung von Pannen und zum Abschleppen;
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b) zum Überführen und Erproben von Fahrzeugen im Zusammenhang mit Reparaturen, Umbauten oder andern Arbeiten am Fahrzeug;
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c) zum Erproben von Fahrzeugen durch Hersteller und Sachverständige;
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e) für alle weiteren unentgeltlichen Fahrten, wenn das Fahrzeug verzollt ist und sich mit Einschluss des Führers höchstens neun Personen im Fahrzeug befinden..."
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Für die Beurteilung, ob sich nach Art und Umfang des Betriebes wenige derartige Gelegenheiten zum Gebrauch der Händlerschilder ergeben, kann der Umsatz nicht das einzige massgebende Kriterium sein. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass sich Gelegenheiten zur Verwendung von Händlerschildern ergeben können, ohne dass eine Handänderung oder eine Reparatur erfolgt. So sind zum Beispiel nicht bloss Fahrten zum Erproben von Fahrzeugen, sondern gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. e VVV ausdrücklich auch weitere unentgeltliche Fahrten erlaubt. Anderseits kann aus den Einnahmen unter Umständen nicht ohne weiteres auf die Anzahl der Gelegenheiten geschlossen werden, bei denen sich die Verwendung von Händlerschildern als notwendig oder wenigstens als zweckmässig erweist. Wie der vorliegende Fall zeigt, können auch geringfügige Reparaturen an den betreffenden Fahrzeugen unter Umständen zwei Fahrten zur Überführung notwendig machen. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb für solche Fahrten ein Händlerschild weniger nützlich sein sollte, wenn es sich um geringfügige Reparaturen handelt als wenn die Überführung kostspieligen Reparaturen dient.
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b) Der Beschwerdeführer betreibt ein Bootsbaugeschäft. Er treibt Handel mit Booten und überholt Boote. Den Reparaturen an Bootsanhängern und dem Handel mit solchen Anhängern kommt eher untergeordnete Bedeutung zu. Dies gilt auch in Bezug auf die Verwendung des Händlerschildes, das er in erster Linie dazu braucht, die Boote seiner Kunden auf den zugehörigen Anhängern - die im wesentlichen stationär verwendet werden und darum in der Regel nicht immatrikuliert sind - in die Werkstatt, auf den Winterstandplatz oder an den Anlegeplatz zu überführen. Zwar werden Kollektivfahrzeugausweise nur für Fahrzeuge abgegeben (Art. 22 VVV). Fahrzeuge sind bloss die Bootsanhänger, nicht aber die Boote, die sich nicht auf dem Erdboden fortbewegen (Art. 7 Abs. 1 SVG). Die Bootsanhänger, für die der Beschwerdeführer die Kollektivfahrzeugausweise beansprucht, sind aber in der Regel eigens für die zugehörigen Boote angefertigt und dienen ausschliesslich dazu, das betreffende Boot zu transportieren und zu überwintern.
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c) Die Vorinstanz hat sich nicht darüber ausgesprochen, ob der Umfang des Betriebes des Beschwerdeführers angesichts der Gelegenheiten zum Gebrauch der Händlerschilder eine Kollektivversicherung offensichtlich nicht erforderlich macht. Die Sache ist deshalb gemäss Art. 114 Abs. 2 OG zur Abklärung zurückzuweisen, wieviele solcher Gelegenheiten sich im Betrieb des Beschwerdeführers ergeben bzw. während einer repräsentativen Zeitdauer ergeben haben. Dabei ist denjenigen Fahrten entscheidendes Gewicht beizulegen, deren Zweck mit Reparatur und Handel der betreffenden Fahrzeuge in unmittelbarem Zusammenhang stehen, während an sich erlaubten, jedoch mit dem Betrieb im Sinne von Art. 23 Abs. 1 lit. a VVV nicht in direktem Zusammenhang stehenden Fahrten geringere Bedeutung zukommt. Auch ist zu berücksichtigen, ob die betreffenden Fahrten ohne Kollektivhaftpflichtversicherung überhaupt nicht durchgeführt werden könnten. Da der Beschwerdeführer in seinem Betrieb sowohl Reparaturen ausführt, wie Handel treibt, sind die mit seinem Betrieb in Zusammenhang stehenden Fahrten insgesamt zu würdigen.
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