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40. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. November 1981 i.S. Einwohnergemeinde Meikirch gegen Hodel und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Raumplanung; materielle Enteignung. |
2. Bedeutung von Art. 5 Abs. 2 RPG. Begriff der materiellen Enteignung (E. 2). |
3. Eine in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Überbauungsmöglichkeit wird durch die Ablehnung der Einzonung nicht entzogen, wenn das Projekt schon vorher aus gewässerschutzrechtlichen Gründen nicht hätte verwirklicht werden können. Der generelle Vorbehalt in einem Gemeindeversammlungsbeschluss, später weitere Gewerbezonen auszuscheiden, vermag die Annahme nicht zu begründen, ein Grundstück sei in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit überbaubar (E. 3). |
4. Liegt keine materielle Enteignung vor, lässt sich daraus auch kein Anspruch auf eine Inkonvenienzentschädigung ableiten (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Als gangbare Lösung bot sich darauf ein Abtausch des Grundstücks gegen die Parzelle GB Nr. 1025 "Birchimatte" an. Vor der Annahme des neuen Zonenplans am 23. November 1973 kam indessen kein Vertrag mehr zustande. Die Gemeindeversammlung verzichtete auf die Schaffung einer entsprechenden Gewerbezone, beschloss jedoch, die Standorte weiterer Gewerbezonen in den Ortsteilen an späteren Gemeindeversammlungen festzulegen.
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In der Folge wurde der Tauschvertrag unter der Bedingung abgeschlossen, dass er nur dann rechtswirksam werde, wenn die "Birchimatte" zur baulichen und gewerblichen Nutzung freigegeben werde. Am 25. April 1975 lehnte die Gemeindeversammlung eine Einzonung der "Birchimatte" ab. Hans Hodel hat diesen Beschluss nicht angefochten. Dagegen stellte er das Begehren, ihm wegen materieller Enteignung des Grundstücks Nr. 1034 "Aestumoos" einen gerichtlich zu bestimmenden Betrag sowie eine Inkonvenienzentschädigung von Fr. 17'232.50 zuzüglich Zins seit dem 25. April 1975 zuzusprechen.
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Die kantonale Enteignungs-Schätzungskommission Kreis IV verneinte das Vorliegen einer materiellen Enteignung und wies das Begehren mit Entscheid vom 28. Oktober 1977 ab. Die Verfahrenskosten und die Parteikosten des Ansprechers überband sie der ![]() | 4 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Mit dem angefochtenen Urteil wird die streitige Entschädigungssumme indes noch nicht zugesprochen; vielmehr wird der Fall zur Bestimmung des Betrags an die Enteignungs-Schätzungskommission zurückgewiesen. Dennoch ist die Beschwerde schon gegen den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Verfügung, in der ein Grundsatzentscheid getroffen und die Sache im ![]() | 6 |
Die Legitimation der Beschwerdeführerin ist nach Art. 34 Abs. 2 RPG gegeben. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
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Das Raumplanungsgesetz des Bundes gibt nicht bloss dem Betroffenen eine Mindestgarantie, sondern zugleich auch dem entschädigungspflichtigen Gemeinwesen eine Schranke gegen die Festsetzung übermässiger Entschädigungsbeträge. Das ergibt sich namentlich aus Art. 34 Abs. 2 RPG, der den Kantonen und den Gemeinden in solchen Fällen ein Beschwerderecht einräumt. Es ist daher zu prüfen, ob dem Beschwerdegegner Hodel nach den vom Bundesgericht aus Art. 22ter BV als Wertgarantie entwickelten Grundsätzen und somit aus Art. 5 Abs. 2 RPG ein Entschädigungsanspruch aus materieller Enteignung zu Lasten der Gemeinde Meikirch zusteht. Darüber ist in freier Kognition zu entscheiden.
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Ein enteignungsähnlicher Eingriff, der gemäss Art. 22ter BV zu voller Entschädigung verpflichtet, liegt nach der Rechtsprechung ![]() | 10 |
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a) Der ablehnende Gemeindeversammlungsbeschluss betraf den Überbauungs- und Gestaltungsplan "Birchimatte" und bezog sich somit auf das Grundstück Nr. 1025. Dieses hatte der Beschwerdegegner nicht zu Eigentum erworben; es stand ihm gemäss Parzellierungs- und Tauschvertrag vom 10. Mai 1974 lediglich ein bedingtes Erwerbsrecht im Tausch gegen seine Parzelle Nr. 1034 "Aestumoos" zu. Der Tauschvertrag aber fiel mit dem ablehnenden Gemeindeversammlungsbeschluss dahin. Ob der Beschwerdegegner ![]() | 12 |
b) Es ist zu prüfen, ob die Ablehnung des Überbauungs- und Gestaltungsplans "Birchimatte" durch die Gemeindeversammlung Meikirch in ihrer Wirkung einer Enteignung gleichkommt und damit eine Entschädigungspflicht der Beschwerdeführerin begründet. Entscheidend ist, ob am 25. April 1975, dem Tag der Abstimmung, die bauliche Nutzung des Grundstücks Nr. 1025 "Birchimatte" voraussehbar und mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft zu verwirklichen war, und ob diese Erwartung durch den ablehnenden Gemeindeversammlungsbeschluss aufgehoben wurde (vgl. BGE 106 Ia 185 E. 4a).
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c) Für die Beantwortung dieser Frage ist in erster Linie auf die rechtlichen Gegebenheiten abzustellen. Dabei kommt dem Bundesrecht Vorrang zu. Es ist daher zu prüfen, ob am 25. April 1975 die Voraussetzungen des am 1. Juli 1972 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 8. Oktober 1971 (GSchG) erfüllt waren, um auf der fraglichen Parzelle die geplanten gewerblichen Bauten zu errichten (vgl. BGE 106 Ia 185 E. 4b).
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aa) Gemäss Art. 19 und 20 GSchG in der hier anwendbaren, bis Ende 1979 geltenden Fassung durften Bewilligungen für den Neu- und Umbau von Bauten und Anlagen aller Art nur innerhalb der Bauzonen oder, wo solche fehlten, innerhalb des im generellen Kanalisationsprojekt (GKP) abgegrenzten Gebietes erteilt werden, wenn der Anschluss der Abwässer an die Kanalisation gewährleistet war. Baubewilligungen für Gebäude und Anlagen ausserhalb der Bauzonen oder des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes durften nur erteilt werden, wenn der Gesuchsteller ein sachlich begründetes Bedürfnis nachwies (BGE 102 Ib 213 E. 1a mit Verweisungen). Mit dieser Regelung verfolgte der Gesetzgeber nicht nur Ziele des Gewässerschutzes, sondern auch der Raumplanung, indem er mit Rücksicht auf die vielfältigen öffentlichen Interessen, die auf dem Spiele stehen - rationelle Nutzung des Bodens, Erhaltung des Landwirtschaftsgebiets, Landschaftsschutz u.a.m. - die allgemeine bauliche Nutzung auf die hiefür planerisch bezeichneten Gebiete begrenzen wollte (BGE ![]() | 15 |
bb) Im vorliegenden Fall befanden sich sowohl das Grundstück Nr. 1025 "Birchimatte" als auch die Parzelle Nr. 1034 "Aestumoos" gemäss ursprünglichem Zonenplan 1961 und revidiertem Zonenplan 1973 ausserhalb der Bauzone. Dass die beiden Grundstücke noch innerhalb des im GKP abgegrenzten Gebiets liegen, ist unerheblich; wo Bauzonen ausgeschieden sind, ist auf diese und nicht auf die behelfsmässige Abgrenzung des GKP abzustellen (BGE 101 Ib 194 E. 2a). Die Parzellen waren daher mit andern als standortgebundenen Bauten nicht zu überbauen.
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cc) Die Standortgebundenheit ist ein objektiver Begriff. Sie bedeutet Angewiesensein auf eine bestimmte Lage (BGE 102 Ib 79 E. 4a). Der Gewerbebetrieb des Beschwerdegegners lässt keine Besonderheiten erkennen, die einen bestimmten Standort ausserhalb der Bauzonen bedingen. Das Bestreben des Beschwerdegegners war ja gerade darauf ausgerichtet, die Einzonung des für den Gewerbeneubau vorgesehenen Landes zu erwirken. War aber das Vorhaben nicht standortgebunden, so hätte es unter den gegebenen Umständen nicht bewilligt werden dürfen.
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d) Es kann sich daher nur fragen, ob im Zeitpunkt der Ablehnung des Überbauungs- und Gestaltungsplans "Birchimatte" besondere Umstände vorlagen, welche die Einzonung zwingend geboten hätten, so dass im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft die Überbauungsmöglichkeit zu bejahen war (BGE 106 Ia 189 E. 4c).
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aa) Das Verwaltungsgericht sieht besondere Umstände namentlich darin, dass die Gemeindeversammlung Meikirch am 23. November 1973 mit ihrer Zustimmung zu den Anträgen des Gemeinderates im Hinblick auf das Vorhaben Hodel beschlossen habe, dass die Ausscheidung von Gewerbeflächen den planerischen Zielen nicht widerspreche und dass solches Terrain zu einem späteren Zeitpunkt einzuzonen sei. Damit habe sie dem Beschwerdegegner eine objektiv verstärkte Rechtsposition verliehen; dieser ![]() | 19 |
Das Verwaltungsgericht misst dem Gemeindeversammlungsbeschluss vom 23. November 1973 eine Bedeutung zu, die er weder vom Wortlaut noch vom Versammlungsprotokoll her haben kann. Zwar mag es zutreffen, dass der Gemeinderat als Antragsteller in der vom Verwaltungsgericht dargestellten Richtung vorgehen wollte und dass der Beschwerdegegner darin seine Hoffnung bestätigt sah, die "Birchimatte" werde nach erfolgreichem Abschluss des Parzellierungs- und Tauschvertrags ohne weiteres der Gewerbezone zugewiesen. Das aber ist nicht allein massgebend. Entscheidend ist vielmehr, welche Bedeutung dem Beschluss selbst als Akt der allein zuständigen Gemeindeversammlung objektiv zukommt. Er lautet wörtlich:
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"a) Genehmigung von Gewerbezonen für die Gemeinde Meikirch.
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b) Die Standorte weiterer Gewerbezonen in den Ortsteilen werden als Ergänzung des dannzumal gültigen Zonenplanes an späteren Gemeindeversammlungen festgelegt.
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c) Genehmigung des Zonenplanes."
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Daraus, namentlich aus der Aussage von lit. b, darf nicht geschlossen werden, die Gemeinde habe die Schaffung der Gewerbezone "Birchimatte" verbindlich in Aussicht gestellt. Dafür ist die Formulierung zu unbestimmt. Auch das Protokoll der Gemeindeversammlung enthält keinen entsprechenden Hinweis. Die Gemeindeversammlung hat sich lediglich die Ausscheidung weiterer Gewerbezonen vorbehalten und sich dieses Ziel in einer allgemein gehaltenen Programmerklärung gesetzt. Dadurch aber hat sie sich nicht selbst gebunden. Vielmehr war klar, dass die Schaffung weiterer Gewerbezonen wiederum der Zustimmung der Stimmberechtigten der Gemeinde Meikirch bedurfte. Muss zunächst ein Zonenplan angenommen werden, schliesst dies in der Regel die Annahme aus, ein Grundstück sei in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu überbauen. Wer Land in der Hoffnung erwirbt, die Stimmberechtigten würden den gestellten Antrag annehmen, handelt auf eigenes Risiko. Eine abweichende Annahme ![]() | 24 |
Hinzu kommt, dass der Beschwerdegegner den Erwerb von Landwirtschaftsland zu einem Industrielandpreis rund zwei Jahre vor dem fraglichen Beschluss vorgenommen hat. Das Verwaltungsgericht stellt selbst fest, aus den Akten gehe einwandfrei hervor, dass sich der Beschwerdegegner Ende Juni 1971 nicht unmittelbar auf Grund eines Verhaltens der Gemeindebehörden zum Kauf entschlossen habe, sondern weil sein Kaufsrecht am 1. Juli 1971 dahingefallen wäre und offenbar ein höheres Kaufsangebot vorgelegen habe. Der Beschwerdegegner hat somit ausschliesslich auf eigenes Risiko gehandelt. Besonders gewagt war der völlige Verzicht auf eine Bedingung im Kaufvertrag, zumal der Vorvertrag und auch der später abgeschlossene Parzellierungs- und Tauschvertrag einen Einzonungsvorbehalt enthielten. Es entspricht nicht dem Zweck der Eigentumsgarantie, dass die Allgemeinheit dem Einzelnen Risiken abnehmen muss, die dieser in eigener Verantwortung frei übernommen hat.
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bb) In zwei neueren Entscheiden hat das Bundesgericht festgehalten, die Anwendung des Gewässerschutzgesetzes könne möglicherweise dann zu einer enteignungsähnlichen Wirkung führen, wenn baureifes oder grob erschlossenes Land, das innerhalb des mit den Anforderungen des Gewässerschutzgesetzes übereinstimmenden GKP liegt, nicht eingezont werde (BGE 106 Ia 189 E. 4c; 105 Ia 338 E. 3d). Sowohl die Parzelle Nr. 1025 "Birchimatte" als auch das Grundstück Nr. 1034 "Aestumoos" befinden sich innerhalb des GKP. Beide Parzellen sind aber weder baureif noch grob erschlossen. Damit fehlt es an einer grundlegenden Voraussetzung für die Annahme einer materiellen Enteignung aus gewässerschutzrechtlicher Sicht.
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e) Das Verwaltungsgericht nimmt ein unzumutbares Sonderopfer des Beschwerdegegners an. Es sieht dieses darin, dass die Gemeindeversammlung 1975 auf den von ihr im Jahre 1973 beschlossenen Grundsatz, Gewerbezonen auszuscheiden, zurückgekommen ist. Diese Sicht verkennt jedoch, dass mit diesem Beschluss keine Eigentumsbeschränkung begründet wurde und der Beschwerdegegner die im Landwirtschaftsgebiet liegende Parzelle Nr. 1034 bereits 1971 ohne Bedingung teuer gekauft und die ihn benachteiligende Vermögensdisposition somit schon damals getroffen hat. Die Parzelle wurde nicht durch den Gemeindebeschluss ![]() | 27 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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