BGE 107 Ib 237 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
43. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Dezember 1980 i.S. Gemeinde Vaz/Obervaz gegen Betriebsgesellschaft Sporthotel La Riva und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 24 RPG; Ausnahmebewilligung. |
2. Verhältnis zwischen Art. 24 Abs. 1 und Abs. 2 RPG (E. 2b). Begriff der teilweisen Änderung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG (E. 2b-aa). | |
Sachverhalt | |
Das "Sporthotel La Riva Lenzerheide" ist ein sogenanntes Appartementhotel mit 79 Wohnungen und einem Restaurant mit rund 130 Plätzen. Es umfasst drei gleichartige Gebäude, die auf dem Grundstück GB Nr. 1113 am nordwestlichen Ausgang der Ortschaft Lenzerheide stehen. Die Parzelle liegt gemäss Ersatzzonenplan der Regierung des Kantons Graubünden vom 30. Juni 1980 im übrigen Gebiet der Gemeinde Vaz/Obervaz.
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Die Betriebsgesellschaft Sporthotel La Riva beabsichtigt, die bestehende, gegen den Heidsee gerichtete offene Terrasse zu beseitigen und an deren Stelle einen eingeschossigen, unterkellerten Anbau zu errichten. Im Erdgeschoss ist die Erweiterung des Restaurants um 50 Plätze mit Grill und Buffet vorgesehen; im Keller soll unter anderem ein Skiraum eingerichtet werden.
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Der Gemeinderat Vaz/Obervaz wies das Baugesuch der Betriebsgesellschaft mit der Begründung ab, dass ausserhalb der Bauzonen nur landwirtschaftliche und standortgebundene Bauten bewilligt werden könnten, was auf die Erweiterung eines Restaurants im Talgebiet nicht zutreffe. Zudem sei fraglich, ob die Ausnützungsziffer eingehalten werde und ob genügend Parkplätze bereitgestellt würden. Dagegen legte die Betriebsgesellschaft Rekurs an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden ein. Dieses erachtete das Bauvorhaben als geringfügige und nach kantonalem Ergänzungsrecht zu Art. 24 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) zulässige Erweiterung einer zonenfremden Baute ausserhalb der Bauzone. Es hiess den Rekurs gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an den Gemeinderat zurück. In den Erwägungen hielt es unter anderem fest, dass die Vorschriften über sie Ausnützung im übrigen Gemeindegebiet nicht gälten und deshalb nicht zu beachten seien; dagegen werde die Gemeinde zu prüfen haben, ob die Erteilung der Bewilligung eine Verpflichtung zur Schaffung von Parkplätzen nach sich ziehe.
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Die Gemeinde führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie wirft dem Verwaltungsgericht vor, Art. 4 BV, Art. 24 RPG sowie das kantonale Ausführungsrecht dazu verletzt zu haben, und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Das "Sporthotel La Riva Lenzerheide" befindet sich ausserhalb der Bauzone und stellt somit eine zonenfremde Baute dar. Die vorgesehene Erweiterung des Restaurants bedarf daher einer Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 24 RPG. Damit ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 34 Abs. 1 RPG zulässig. Die Beschwerdelegitimation der Gemeinde ergibt sich aus Art. 34 Abs. 2 RPG. Da auch die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
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Das Verwaltungsgericht erachtet das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin als geringfügige Erweiterung, die gestützt auf das kantonale Ergänzungsrecht zu Art. 24 Abs. 2 RPG bewilligt werden könne. Demgegenüber hält die Beschwerdeführerin den projektierten Anbau für eine wesentliche Erweiterung. Als solche sei sie von Art. 24 Abs. 2 RPG nicht mehr gedeckt. Damit stellt sich die Frage, ob das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin als Baute im Sinne von Art. 24 Abs. 1 oder Abs. 2 RPG zu gelten habe.
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a) Gemäss Art. 105 Abs. 2 OG bindet die Feststellung des Sachverhalts das Bundesgericht, wenn Rekurskommissionen oder kantonale Gerichte entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt haben.
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Das Verwaltungsgericht hat seinem Entscheid die Feststellung zugrunde gelegt, dass die rund 70 m2 grosse Terrasse gegen den See ummauert und überdacht werden soll. Von einer Erweiterung der Restaurationsfläche könne nur bedingt die Rede sein; entscheidend falle ins Gewicht, dass die Terrassenfläche bereits zuvor bei warmen und trockenem Wetter den Gästen offen gestanden habe und damit als Restaurationsfläche zu qualifizieren sei. Es handle sich daher nur um eine Gebäudeerweiterung in der Vertikalen, um eine sogenannte Aufbaute, mit der lediglich eine zu jeder Jahreszeit benützbare Restaurationsfläche geschaffen werden solle.
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Diese Sachverhaltsfeststellung ist insofern unrichtig, als die Terrasse nicht bloss ummauert und überdacht werden soll. Nach den Plänen ist vielmehr vorgesehen, die Terrasse zu beseitigen und durch einen Anbau mit Erd- und Kellergeschoss zu ersetzen. Aus dem Anhang zum Baugesuch geht im weitern hervor, dass die vorhandenen Sitzplätze auf der Terrasse aus klimatischen Gründen praktisch nutzlos sind. Daher kann die Terrasse jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang nicht als Restaurationsfläche bezeichnet werden. Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt sodann unvollständig festgestellt. So hat es nicht berücksichtigt, dass unter dem Anbauteil des Restaurants ein Keller gleicher Nutzfläche gebaut und darin ein Skiraum eingerichtet werden soll. Unbeachtet blieb auch, dass die Ostfassade durch den Anbau, die darin integrierte Neugestaltung des Hoteleingangs und das über 10 m hohe Anbaukamin ein neues Aussehen erhält. Ebensowenig wurde der Beweggrund für das Bauvorhaben erfasst; dem Anhang zum Baugesuch ist zu entnehmen, dass das bestehende Restaurant ursprünglich nur auf die Verpflegung der eigenen Hotelgäste ausgerichtet war. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde später eine öffentliche Restaurationsbewilligung erlangt. In der Folge stieg der Umsatz, was die Beschwerdegegnerin veranlasste, die Platzzahl zu erhöhen und die Küchenanlage zu erweitern.
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Das Verwaltungsgericht hat demnach die tatsächlichen Verhältnisse offensichtlich mangelhaft festgestellt. Das führt dazu, dass das Bundesgericht gemäss Art. 105 Abs. 2 OG nicht an den im angefochtenen Entscheid ermittelten Sachverhalt gebunden ist.
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b) Zu entscheiden ist, ob das Bauvorhaben unter Art. 24 Abs. 1 oder Abs. 2 RPG fällt. Abs. 1 stellt den Grundsatz einer abschliessenden bundesrechtlichen Regelung auf, während Abs. 2 in Form eines Vorbehalts einzeln aufzählt, welche bauliche Massnahmen das kantonale Recht gestatten kann, sofern sie mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar sind. Es betrifft dies die Erneuerung, die teilweise Änderung und den Wiederaufbau. Fällt ein Bauvorhaben nicht unter einen dieser Begriffe, so ist es nach Art. 24 Abs. 1 RPG zu beurteilen.
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Im vorliegenden Fall scheidet der Wiederaufbau begrifflich von vornherein aus. Auch liegt keine blosse Erneuerung vor, da nicht nur die bestehende Baute erhalten, sondern ihr Bauvolumen vergrössert werden soll (HEINZ AEMISEGGER, Leitfaden zum Raumplanungsgesetz, VLP-Schriftenfolge Nr. 25, Bern 1980, S. 95; MARTIN PFISTERER, Die Anwendung neuer Bauvorschriften auf bestehende Bauten und Anlagen, Diss. Bern 1979, S. 199, 207; ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, Aarau 1977, § 150 N. 2 b, S. 416/417; EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, Art. 22 N. 14 b, S. 275). Fragen kann es sich somit nur, ob das Bauvorhaben unter den Begriff der teilweisen Änderung falle.
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aa) Dem Gesetz selbst lassen sich keine Hinweise entnehmen. Auch die Botschaft des Bundesrates gibt in dieser Hinsicht keinen Anhaltspunkt. Sie beschränkt sich im wesentlichen auf die Feststellung, das kantonale Recht umschreibe, was unter teilweiser Änderung zu verstehen sei (BBl 1978 I 1028). Da es sich indessen um einen bundesrechtlichen Begriff handelt, kann das kantonale Recht nicht den Begriff selbst festlegen; es kann nur bestimmen, ob und allenfalls inwieweit bauliche Massnahmen innerhalb des bundesrechtlich begrenzten Rahmens im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG erleichtert bewilligt werden dürfen. In den parlamentarischen Beratungen waren wohl die Voraussetzungen, unter denen das kantonale Recht die drei Kategorien baulicher Massnahmen gestatten darf, nicht aber die Massnahmen selbst umstritten (vgl. Amtl. Bull. S 1978 S. 469/470; 1979 S. 188, 272/273; N 1979 S. 335, 669/670). Daher fehlen entscheidende Ausführungen zum Inhalt des Begriffs der teilweisen Änderung. Immerhin scheinen jedenfalls geringfügige Erweiterungen als zulässig betrachtet worden zu sein (vgl. Amtl. Bull. S 1979 S. 188). Die Literatur vermittelt sodann folgendes Bild: Die "Änderung" wird vorwiegend als Begriff bezeichnet, der die Zweckänderung, den Umbau und auch die Erweiterung umfasse (HEINZ AEMISEGGER, a.a.O., S. 96; OTTO PFAMMATTER, Zulässige Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen, Bern und Frankfurt 1976, S. 234; ERICH ZIMMERLIN, a.a.O., § 150 N. 2b, S. 416/417; EJPD/BRP, a.a.O., Art. 22 N. 10b, S. 274). Eine teilweise Änderung darf somit gemessen an der bestehenden Baute nur von untergeordneter Bedeutung sein (HEINZ AEMISEGGER, a.a.O., S. 96/97; PETER LUDWIG, Die Wirkung der Zuweisung zur Landwirtschaftszone, in: Blätter für Agrarrecht, 1980 S. 95; EJPD/BRP, a.a.O., Art. 24 N. 35 ff. S. 303 ff., insbesondere N. 37). Die Änderung hat die Identität der Baute in den wesentlichen Zügen zu wahren (EJPD/BRP, a.a.O., Art. 24 N. 35 lit. a, S. 303). Zusammenfassend ist die weitgehend übereinstimmende Auffassung festzustellen, wonach eine geringfügige Erweiterung vom Begriff der teilweisen Änderung gedeckt ist. Nicht vorgeschlagen wird eine quantitative Grenze, wie sie Art. 25 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972 (Fassung vom 6. November 1974) enthielt, wonach die Vergrösserung oder Zweckänderung einer zonenfremden Baute ausserhalb der Bauzone bis zu einem Viertel noch ohne Nachweis der Standortgebundenheit zulässig war. Eine solche Begrenzung wird im Gegenteil als zu starr abgelehnt (PETER LUDWIG, Constructions hors des zones à bâtir, in: Baurecht, 1980 S. 8). Für das Bundesgericht besteht kein Anlass, von den in der Literatur entwickelten Grundsätzen abzuweichen. Dem Verwaltungsgericht ist daher insoweit beizupflichten, als es bloss eine geringfügige Erweiterung als teilweise Änderung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG betrachtet hat.
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bb) Offen ist somit nur noch die Frage, ob die beabsichtigte Vergrösserung des Restaurants noch als geringfügige Erweiterung bezeichnet werden könne. Das Verwaltungsgericht hat dies bejaht. Auf Grund der abweichenden Feststellung des Sachverhalts gelangt das Bundesgericht indessen zum gegenteiligen Ergebnis. Auszugehen ist von der eigenen Darstellung der Beschwerdegegnerin gemäss Anhang zum Baugesuch, wonach die Sitzplätze auf der Terrasse aus klimatischen Gründen praktisch nutzlos sind. Die Terrasse lässt sich daher nicht als bereits vorhandene, vollwertige Restaurationsfläche betrachten. Demzufolge geht es nicht nur darum, aus einem offenen einen geschlossenen Restaurationsteil zu machen; vielmehr steht die Vergrösserung eines Restaurants um rund einen Drittel in Frage. Andernfalls müsste die Küche kaum um mehr als einen Drittel erweitert werden. Die Beschwerdegegnerin strebt denn auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen eine Vergrösserung des Restaurants offen an. Hinzu kommt die Erweiterung der Kellerräumlichkeiten, in denen neu ein Skiraum untergebracht werden soll. Schliesslich sieht das Projekt eine erhebliche Neugestaltung der Ostfassade vor. Von einer bloss geringfügigen Erweiterung kann somit keine Rede sein. Das Bauvorhaben fällt demnach nicht unter Art. 24 Abs. 2 RPG; es ist vielmehr wie ein Neubau nach Art. 24 Abs. 1 RPG zu beurteilen.
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Weder das "Sporthotel La Riva Lenzerheide" noch das darin untergebrachte Restaurant sind auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen. Das Vorhaben kann daher mangels Standortbedingtheit nicht bewilligt werden. Da beide Voraussetzungen von Art. 24 Abs. 1 RPG kumulativ erfüllt sein müssen, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob dem Vorhaben auch überwiegende Interessen entgegenstehen. Dessen Unzulässigkeit ergibt sich schon aus Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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