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59. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Dezember 1981 i.S. Fischer gegen Gemeinde Marthalen und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4, 22ter BV. Auszonung zur Verkleinerung des Baugebiets. |
2. Bedeutung der Rechtsgleichheit mit Bezug auf die nicht ausgezonten Grundstücke. Verletzung des Gleichheitsprinzips im konkreten Fall bejaht (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Walter Fischer führt gegen den Entscheid des Regierungsrats staatsrechtliche Beschwerde. Er erblickt in der Auszonung einen Verstoss gegen die Eigentumsgarantie und das Willkürverbot. Sinngemäss rügt er ausserdem eine Verletzung der Rechtsgleichheit.
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Der Regierungsrat des Kantons Zürich, der Bezirksrat Andelfingen und der Gemeinderat Marthalen beantragen die Abweisung der Beschwerde. Eine Delegation des Bundesgerichts nahm am 26. August 1981 einen Augenschein vor.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, aus folgenden
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Erwägungen: | |
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b) Die gesetzliche Grundlage der Auszonung ist mit Recht nicht bestritten. Streitig ist nur, ob an der Auszonung der Parzellen des Beschwerdeführers ein hinlängliches öffentliches Interesse besteht. Die Gemeinde Marthalen beruft sich für die Massnahme einzig auf die Notwendigkeit, die im früheren Zonenplan viel zu grosszügig bemessene Bauzone zu verkleinern. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an Massnahmen, die das Entstehen überdimensionaler Bauzonen verhindern oder solche verkleinern (BGE 105 Ia 235 E. 3c lit. cc; BGE 103 Ia 252 E. 2b mit Hinweisen). In diesem Sinn gebietet das Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG), dass die Siedlungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen seien (Art. 3 Abs. 3 RPG). Demgemäss sollen die Bauzonen Land umfassen, das sich für die Überbauung eignet und voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird (Art. 15 RPG). Das geltende Zürcher Planungs- und Baugesetz vom 7. September 1975 (PBG) spricht den gleichen Grundsatz in § 47 Abs. 2 aus.
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c) Ob die mit der Auszonung verbundene Eigentumsbeschränkung durch ein ausreichendes öffentliches Interesse gedeckt ist, hängt nicht nur davon ab, dass an der Massnahme ein solches besteht; dieses muss ausserdem die entgegenstehenden privaten Interessen überwiegen. Das Bundesgericht überprüft diese verfassungsrechtlich gebotene Interessenabwägung grundsätzlich frei. Es auferlegt sich lediglich Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von der Würdigung örtlicher Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen (BGE 107 Ia 38 E. 3c; BGE 104 Ia 126 E. 2a mit Hinweisen). Bei der Beurteilung sind namentlich das Ausmass und die konkrete Lage der umstrittenen Parzellen, deren Erschliessung sowie die Interessen des Beschwerdeführers zu würdigen.
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3. a) Die Überbauung der Parzellen des Beschwerdeführers als solche verstösst nicht gegen die Planungsabsichten der Gemeinde oder des Kantons. Aus dem gegenwärtigen Planungsstand geht vielmehr hervor, dass die Grundstücke in einem späteren Zeitpunkt eingezont werden sollen. Gemäss dem von der Gemeinde genehmigten Siedlungs- und Landschaftsrichtplan vom 28. März 1977 befinden sich die Parzellen im Baugebiet. Nach dem kantonalen Gesamtplan liegen sie im sog. Anordnungsspielraum, d.h. im Grenzgebiet zwischen Siedlungs- und Nichtsiedlungsgebiet, dessen parzellenscharfe Abgrenzung der nachgeordneten Planung ![]() | 9 |
b) Die Parzellen des Beschwerdeführers umfassen eine Fläche von rund 1 ha. Eine Überbauung ergäbe nach den vom kantonalen Amt für Raumplanung verwendeten Schätzungswerten Wohnraum für 40-50 Personen. Die ausgezonte Fläche ist verglichen mit dem eingezonten Gemeindegebiet und der Gesamteinwohnerzahl somit eher gering. Eine Überschreitung der im Hinblick auf die Änderung des Zonenplans ermittelten Baulandreserven um 1 ha fällt bei der Unsicherheit, die erfahrungsgemäss allen Prognosen anhaftet, nicht besonders schwer ins Gewicht. Die mit der Änderung des früheren Zonenplans beabsichtigte wesentliche Verkleinerung der Bauzone würde in dieser Hinsicht durch die Belassung der Grundstücke in der Bauzone nicht in Frage gestellt. Der Eignung des Landes als Siedlungsgebiet, seiner Lage im Verhältnis zum überbauten Gebiet und den Bauzonen sowie den Erschliessungsverhältnissen kommt unter diesen Umständen grösseres Gewicht zu.
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c) Der Augenschein hat bestätigt, dass eine Überbauung der umstrittenen Fläche unter dem Gesichtspunkt der geordneten Siedlungsentwicklung keineswegs als unzweckmässig bezeichnet werden kann. Die Fläche stösst auf drei Seiten an Bauzonenland an, das zum Teil bereits überbaut ist. Es handelt sich um ein ebenes Areal, das sich für eine Überbauung nicht weniger eignet als die angrenzenden Flächen. Angesichts der Überbauung auf den Nachbargrundstücken lässt sich die Gefahr der Verhinderung der Streubauweise und der ungeordneten Überbauung nicht als Grund für die Auszonung anführen. Eine Belassung der Parzellen des Beschwerdeführers in der Bauzone kann auch unter diesem Gesichtspunkt als sachgerecht bezeichnet werden.
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d) Die Groberschliessung, wie sie das kantonale Recht und die Gemeindebauordnung verlangen, ist vorhanden. Das Anliegen, die Infrastrukturanlagen rationell zu nutzen, spricht klarerweise für den baldigen Anschluss von Bauten, die auf dem grob erschlossenen Areal erstellt werden. Die Feinerschliessung obliegt dem ![]() | 12 |
e) Der Verzicht auf die Auszonung der Parzellen des Beschwerdeführers hätte auch nicht zur Folge, dass eine Anzahl weiterer Grundstücke, die ebenfalls ausgezont wurden, aus Gründen der Rechtsgleichheit hätten eingezont bleiben müssen. Soweit die übrigen Gebiete die 1977 ausgezont wurden, ähnliche "Auszackungen" in der Bauzone zur Folge hatten wie die Grundstücke des Beschwerdeführers, gehen jene Auszonungen entweder auf Zustimmung der betroffenen Eigentümer zurück oder es konnte damit eine Grossüberbauung verhindert werden. Auch der in den Akten erwähnte Fall von S., dem die Parzelle Nr. 317 gehört, deren südlicher Teil dem übrigen Gemeindegebiet zugewiesen wurde, hat keine Berührungspunkte mit dem Fall des Beschwerdeführers; die Auszonung erfolgte dort aufgrund des Ortsbildschutzes und ist auch im übrigen nicht vergleichbar.
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f) Der Beschwerdeführer beabsichtigt seit Jahren, seine Grundstücke zu überbauen. Der Gemeinde Marthalen war dies bekannt. Er liess verschiedene Projekte ausarbeiten. In zwei Vorentscheiden von 1972 nahm die Gemeinde dazu grundsätzlich positiv Stellung, unter ausdrücklichem Vorbehalt einer abschliessenden Stellungnahme bei Vorlegung des endgültigen Baugesuchs. In einem weiteren Entscheid vom 1974 trat sie auf ein erneutes Gesuch um einen Vorentscheid zu einem Überbauungsprojekt vor allem wegen der noch offenen Frage der Zufahrtsstrasse nicht ein; gleichzeitig lud sie den Beschwerdeführer ein, sein Baugesuch bis zum Vorliegen eines von der Gemeinde überarbeiteten Bebauungsplans zurückzustellen. Der Beschwerdeführer behauptet zwar zu Recht nicht, es liege eine verbindliche Zusicherung vor, die ihm bereits gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben einen Anspruch auf Belassung in der Bauzone gäbe. Angesichts der von ihm ausgearbeiteten Überbauungsprojekte, die nicht zuletzt wegen der inzwischen erfolgten strassenmässigen Erschliessung aufgeschoben wurden, ist aber durch die Vorgeschichte ein erhebliches konkretes ![]() | 14 |
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a) Dem Gleichheitsprinzip kommt bei Planungsmassnahmen nur eine abgeschwächte Bedeutung zu. Es liegt im Wesen der Ortsplanung, dass Zonen gebildet und irgendwo abgegrenzt werden müssen und das Grundstücke ähnlicher Lage und ähnlicher Art bau- und zonenrechtlich völlig verschieden behandelt werden können. Immerhin darf die Abgrenzung nicht willkürlich erfolgen; sie muss sich vielmehr durch vernünftige planerische Gründe rechtfertigen lassen (BGE 103 Ia 257 E. 4 mit Hinweisen). Das ist namentlich nicht mehr der Fall, wenn die ungleiche Behandlung der betroffenen Parzellen jeder vernünftigen Planung widerspricht oder wenn dem Vorgehen der Behörde offensichtlich unzulässige sachfremde Überlegungen zugrunde liegen.
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b) Das Gebiet von Oberhausen umfasst rund 9 ha. Davon gehören 2 ha der Gemeinde. Diese hat das Land gekauft, um Bauparzellen für Eigenheime bereitstellen zu können. Nach Angaben der Gemeindevertreter am Augenschein sollen diese vorzugsweise an Leute aus der Gemeinde abgegeben werden. Das Gebiet ist weiter vom Ortskern entfernt als die Parzellen des Beschwerdeführers. Unter dem Gesichtspunkt der geordneten Siedlungsentwicklung hätte es zweifellos näher gelegen, diese Fläche um 1 ha zu verkleinern, anstatt die an den Ortskern angrenzenden Grundstücke des Beschwerdeführers auszuzonen. Daran ändert auch der von der Gemeinde hervorgehobene Umstand nichts, dass das Gebiet mit Rücksicht auf den zur Zeit der Revision des Zonenplans vorliegenden Quartierplan in der Bauzone belassen worden sei. Angesichts der vom Beschwerdeführer ausgearbeiteten Projekte bestand in dieser Hinsicht planungsrechtlich kein wesentlicher Unterschied. Der weitere Umstand, dass die Gemeinde zufolge ihrer Stellung als Eigentümerin die sich in Oberhausen niederlassenden Personen in gewissem Mass auswählen kann während sie die Erwerber bzw. allfälligen Neuzuzüger im Gebiet des ![]() | 17 |
c) Aus dem Vergleich erhellt, dass die planerischen Gesichtspunkte eher mehr, jedenfalls aber nicht weniger für die Belassung der Parzellen des Beschwerdeführers in der Bauzone sprachen als für die Beibehaltung der Bauzone im Gebiet Oberhausen. Wenn die Gemeinde deshalb mit Rücksicht auf den Stand der Planung und die Überbauungsabsichten davon abgesehen hat, das Gebiet Oberhausen auszuzonen, so musste sie die gleiche Rücksicht auch gegenüber dem Beschwerdeführer walten lassen. Es war unter den geschilderten Umständen sachlich nicht haltbar, dass seine Grundstücke nicht ebenfalls eingezont blieben. Indem die Gemeinde keine Verkleinerung des angrenzenden Gebiets Oberhausen, wo sie selber über einen Landbesitz von rund 2 ha verfügt, vorgenommen hat, hat sie das Rechtsgleichheitsgebot verletzt. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und der Entscheid des Regierungsrats aufzuheben.
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