![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
44. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 31. August 1982 i.S. Eidg. Steuerverwaltung gegen X. und Y. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Einsichtsrecht der Wehrsteuerbehörden in die Akten einer Strafuntersuchung (Art. 90 WStB, Art. 47 BankG). |
2. Rechtslage bei Fällen, in welchen die Wehrsteuerbehörde auch die in der Strafuntersuchung beschlagnahmten Bankakten einsehen will. Darf die Steuerbehörde in Anwendung von Art. 90 Abs. 1 WStB auch Bankakten einsehen, die sich auf Dritte beziehen, die nicht in die Strafuntersuchung mit einbezogen sind? (E. 3). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Aufgrund von Zeitungsmeldungen entstand bei den ![]() | 2 |
Mit Verfügung vom 12. März 1981 wies das Verhöramt Nidwalden das Gesuch der kantonalen Wehrsteuerverwaltung ab. Auch die Kassationsabteilung des Nidwaldner Obergerichtes, bei welcher die kantonale Wehrsteuerverwaltung das erstinstanzliche Erkenntnis anfocht, verweigerte der Steuerbehörde mit Entscheid vom 4. Februar 1982 die anbegehrte Einsichtnahme.
| 3 |
Mit fristgemässer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Eidgenössische Steuerverwaltung dem Bundesgericht:
| 4 |
"Der angefochtene Entscheid des Obergerichtes des Kantons Nidwalden (Kassationsabteilung) sei aufzuheben und es sei den Wehrsteuerbehörden des Kantons Nidwalden und der Beschwerdeführerin zu gestatten, die Akten der Strafuntersuchung gegen X. und Y. einzusehen.
| 5 |
Insbesondere seien den Wehrsteuerbehörden des Kantons Nidwalden und des Bundes die beschlagnahmten Auszüge und sonstigen Akten über Bankkonten mit ihrem detaillierten Inhalt zur Kenntnis zu bringen; alles unter Kostenfolge."
| 6 |
Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Bundesrecht. Auf ihre einzelnen Vorbringen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
| 7 |
Das kantonale Steueramt Nidwalden beantragt die Gutheissung der Beschwerde. Dagegen beantragen X. und Y. sowie das Obergericht des Kantons Nidwalden die Abweisung der Beschwerde.
| 8 |
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen.
| 9 |
Auszug aus den Erwägungen: | |
2. a) Das Verhöramt Nidwalden hat das Akteneinsichtsgesuch der kantonalen Wehrsteuerverwaltung vollumfänglich abgewiesen. Es hat der Wehrsteuerverwaltung somit nicht nur die Einsicht in die beschlagnahmten Bankakten, sondern auch in die übrigen Untersuchungsakten verweigert. Das Dispositiv der zweiten kantonalen Instanz, des Obergerichtes, lautet sodann: "Die Beschwerde wird abgewiesen." Daraus müsste an sich der Schluss gezogen werden, auch das Obergericht habe der Wehrsteuerbehörde die Akteneinsicht vollständig verweigern wollen. Andererseits ![]() | 10 |
b) Art. 90 Abs. 1 WStB bestimmt:
| 11 |
"Die Verwaltungs- und Gerichtsbehörden des Bundes, der Kantone und Gemeinden haben, ungeachtet einer allfälligen Geheimhaltungspflicht, der Veranlagungsbehörde auf deren Verlangen aus den amtlichen Registern sowie aus sonstigen Akten, die für die Veranlagung eines Wehrsteuerpflichtigen von Bedeutung sein können, kostenlos Auskunft zu erteilen.
| 12 |
Das Post- und Telegraphengeheimnis bleibt gewährleistet."
| 13 |
Nach der Rechtsprechung verleiht Art. 90 Abs. 1 WStB den Steuerbehörden keinen allgemeinen Konsultations- und Editionsanspruch von Akten anderer Behörden. Den Wehrsteuerbehörden sind somit "allgemeine Suchaktionen" verboten (vgl. den Entscheid des Bundesgerichtes vom 29. September 1978 E. 3b/cc i.S. Amministrazione cantonale dell'imposta per la difesa nazionale del cantone Ticino, publiziert in ASA 48, S. 483, deutsche Übersetzung in Steuer-Revue 1980, S. 373 ff.). Von einer solchermassen verpönten Suchaktion in behördlichen Akten kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, stellten doch die Steuerbehörden ihr Akteneinsichtsgesuch aufgrund eines konkreten Verdachtes: In Zeitungsmeldungen war im Zusammenhang mit den, den Beschwerdegegnern vorgeworfenen Straftaten unter anderem von einem "Schwarzkonto" die Rede, auf welches die Angeschuldigten "in den Jahren 1976 und 1977 etwa 1,8 Mio. Franken einbezahlt" haben sollen. Weder das Verhöramt Nidwalden noch die Vorinstanz machen geltend, dass diese Zeitungsberichte haltlos seien; nur die Beschwerdegegner behaupten, die Zeitungsmeldung habe "sich punkto Höhe der Einzahlungen an die Bank (als) nicht exakt" erwiesen - sie unterlassen jedoch jede Substantiierung ![]() | 14 |
15 | |
![]() | 16 |
In seinem bereits zitierten Entscheid vom 29. September 1978, neuerdings bestätigt im Entscheid vom 15. Juli 1982 in Sachen Nadia Andrino, hat das Bundesgericht ausserdem entschieden, dass die zuständige Steuerbehörde gestützt auf Art. 90 Abs. 1 WStB unter Umständen sogar in Bankakten Einsicht nehmen kann, die sich nicht nur auf den Angeschuldigten, sondern auf Dritte beziehen. Findet nämlich die Steuerbehörde beim Studium der Bankakten des Angeschuldigten belastende Indizien dafür, dass auch Dritte, am Strafverfahren nicht beteiligte Personen Steuerwiderhandlungen begangen haben, so kann die Steuerbehörde gestützt auf Art. 90 Abs. 1 WStB die herausgegebenen Akten auch im Hinblick auf die Steuerbelange dieser Dritten verwenden. Schliesslich kann die Steuerbehörde in Anwendung von Art. 90 Abs. 1 WStB und unter der Voraussetzung, dass sie einen konkreten Verdacht auf das Vorliegen steuerrechtswidriger Tatbestände hat, Akten einer laufenden Strafuntersuchung auch dann einsehen, wenn dies nicht für die Steuerbelange des Angeschuldigten geschehen soll, sondern ausschliesslich im Hinblick auf die Steuerverhältnisse Dritter, nicht direkt in das Strafverfahren verwickelter Personen: Akten, die rechtmässig in den Besitz von Verwaltungs- und Gerichtsbehörden im Sinne von Art. 90 Abs. 1 ![]() | 17 |
Dieser Rechtslage stehen auch die in BGE 104 IV 125 ff. gemachten Erwägungen nicht entgegen: Bei jenem Fall ging es um ein Akteneinsichtsersuchen gegenüber einer Bank und nicht gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde; diese Akten fielen daher unter das Bankgeheimnis (Art. 90 Abs. 6 WStB i.V.m. Art. 47 BankG). Zu prüfen war damals, inwieweit und gegenüber welchen Personen die zur Diskussion stehenden strafbaren Handlungen die Durchbrechung des Bankgeheimnisses rechtfertigten: Bei einem direkten Vorgehen gegen den Geheimnisträger, die Bank, muss der Geheimnisschutz Dritter, nicht in das Strafverfahren verwickelter Personen, gewahrt bleiben, würde sonst doch das Bankgeheimnis überhaupt illusorisch. Sind die Akten aber rechtmässig in den Besitz einer Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde gelangt, so braucht überhaupt nicht mehr auf das Bankgeheimnis Rücksicht genommen zu werden, ist es doch auf dieser Stufe auch gar nicht mehr geschützt (Art. 90 Abs. 1 WStB).
| 18 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |