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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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54. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. August 1982 i.S. Böhm gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft und Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (Einsprache gemäss Auslieferungsgesetz) | |
Regeste |
Europäisches Auslieferungsübereinkommen (EAUe) und ergänzender Vertrag zwischen der Schweiz und Österreich vom 13. Juni 1972. |
Ein Auslieferungshindernis im Sinne von Art. 9 EAUe in Verbindung mit Art. IV des Vertrages vom 13. Juni 1972 liegt nicht vor (E. 7c). | |
Sachverhalt | |
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Gemäss § 146 des österreichischen Strafgesetzbuches (öStGB) begeht einen Betrug, wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt. Das schweizerische Recht unterscheidet sich hinsichtlich der Umschreibung des Betrugstatbestandes ![]() | 3 |
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt arglistig, wer sich zur Täuschung eines andern besonderer Machenschaften oder Kniffe bedient oder ein ganzes Lügengebäude aufbaut, aber auch jener, der bloss falsche Angaben macht, wenn deren Überprüfung besondere Mühe erfordert, nicht zumutbar oder unmöglich ist; ferner ist Arglist auch gegeben, wenn der Täter den Getäuschten von der Überprüfung der falschen Angaben abhält oder wenn er voraussieht, dass der andere die Überprüfung unterlassen wird, sofern sich diese Voraussicht aus einem besonderen Vertrauensverhältnis ergibt, auf klaren Regelungen oder Zusicherungen beruht und nicht nur eine aus gewissen Beobachtungen stammende Erwartung darstellt (BGE 107 IV 169, BGE 106 IV 360 E. 1, BGE 101 Ia 613, BGE 100 IV 274, BGE 99 IV 77 mit Hinweisen).
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Im Haftbefehl des Landesgerichtes Wien, auf den sich das Auslieferungsbegehren stützt, wird Böhm vorgeworfen, er habe im Jahre 1975 durch eine im Fürstentum Liechtenstein niedergelassene Firma Briefe an Personen mit Wohnsitz in Österreich versenden lassen, in denen er den Adressaten angeboten habe, sie könnten gegen Bezahlung von je 40'000 Schilling den Doktortitel der - in Wirklichkeit nicht existierenden - Universität "Trinity Hall College" in Springfield im Staate Illinois (USA) erwerben. Obgleich nach österreichischem Recht die Arglist nicht Tatbestandsmerkmal des Betruges bildet, wird von "arglistiger Täuschung" gesprochen, offenbar deshalb, weil Böhm gemäss Feststellung im Haftbefehl "annahm, dass eine Überprüfung der Briefe unterbleiben werde".
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b) Der Einsprecher wendet ein, er könnte gemäss § 16 öStGB (Rücktritt vom Versuch) ohnehin nicht bestraft werden, denn er sei seinerzeit aus freien Stücken vom versuchten Titelhandel zurückgetreten, als er von seinem liechtensteinischen Anwalt in Vaduz erfahren habe, dass die von seinem amerikanischen Auftraggeber genannte Universität in den USA gar nicht existiere. Es handelt sich hier jedoch um die blosse Behauptung einer Tatsache, auf die der Auslieferungsrichter nicht einzugehen hat. Der Einsprecher kann diesen Einwand im Strafverfahren vorbringen.
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c) Im weitern macht Böhm geltend, seine Auslieferung an Österreich wäre auch aufgrund von Art. 9 EAUe in Verbindung mit Art. IV des Vertrages vom 13. Juni 1972 nicht zulässig.
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Entgegen der Auffassung des Einsprechers stehen jedoch die genannten Bestimmungen einer Auslieferung an Österreich nicht entgegen. Nach dem Haftbefehl, auf den hinsichtlich des Sachverhaltes abgestellt werden muss, sollen die Gegenstand des Verfahrens bildenden strafbaren Handlungen im Fürstentum Liechtenstein begangen worden sein. Nun macht aber der Einsprecher selbst nicht geltend, es sei in Liechtenstein wegen dieser Handlungen ein Strafverfahren gegen ihn durchgeführt worden. Er beruft sich vielmehr auf ein Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland, das nach der durch Fernschreiben von Interpol Wiesbaden bestätigten Darstellung des Einsprechers am 11. August 1980 eingestellt worden ist. Art. 9 EAUe und der schweizerische Vorbehalt zu dieser Bestimmung beziehen sich jedoch nach ihrem klaren Wortlaut nur auf Verfügungen, die von Behörden des Staates erlassen wurden, in dem die fragliche Tat begangen worden ist. Auch Art. IV des Vertrages mit Österreich vom 13. Juni 1972 kann nicht anders verstanden werden: er spricht von Handlungen, die in einem dritten Staat verübt worden sind, und davon, dass dort bereits eine Entscheidung in der Sache ergangen ist. Allfällige Strafverfahren in einem vierten Staat, der weder mit dem ersuchenden noch mit dem ersuchten noch mit dem Staat identisch ist, in dem sich der Tatort befindet, werden weder im EAUe noch im Vertrag vom 13. Juni 1972 erwähnt. Sie sind somit unter dem Gesichtswinkel des Auslieferungsrechts als unerheblich zu betrachten. Die Berufung des Einsprechers auf die erwähnten staatsvertraglichen Bestimmungen schlägt demnach nicht durch. Es ![]() | 10 |
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