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3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Februar 1983 i.S. Einwohnergemeinde Bern gegen Ida Schenk-Käser und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 5 Abs. 2 RPG, materielle Enteignung. |
2. Massgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine materielle Enteignung vorliege (E. 3). |
3. Nichteinzonung. Materielle Enteignung für einen Teil des Grundstückes bejaht. Besondere Umstände (schon vorhandene Werkstatt mit ausreichender Zufahrt; das Grundstück wurde später teilweise in das generelle Kanalisationsprojekt einbezogen) lassen mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schliessen, dass ca. 1/7 des Grundstückes im massgebenden Zeitpunkt hätte überbaut werden können (E. 4-6). | |
Sachverhalt | |
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Das Löchligut war im städtischen Bauklassenplan 1955 der Bauklasse II für zweigeschossige Bauten zugewiesen. Ausserdem befand sich das Grundstück der Beschwerdegegnerin innerhalb des Schutzzonenperimeters der Aaretalhänge.
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Zu Beginn der 70er Jahre beabsichtigte Ida Schenk, ihre grosse Parzelle Nr. 846 der Überbauung zuzuführen. Der Gemeinderat der Stadt Bern beschloss demgegenüber am 17. November 1971, die Parzelle der Beschwerdegegnerin einer Grünzone zuzuweisen und mit ihr in Landerwerbsverhandlungen zu treten. Diese führten zu keiner Einigung. Ein gestelltes Baugesuch für die Erstellung von 72 Einfamilienhäusern und 4 unterirdischen Autoeinstellgaragen ![]() | 3 |
Der städtische Nutzungszonenplan 1974 teilte die Parzelle Nr. 846 der Zone zum Schutz des Landschafts- und Ortsbildes zu. In dieser Zone dürfen offene Areale nicht überbaut werden. Nach der städtischen Bauordnung 1979 liegt die Parzelle im Aaretalschutzgebiet I.
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Zufolge des Ausschlusses der Überbaubarkeit gelangte Ida Schenk am 9. September 1977 an die zuständige kantonale Enteignungs-Schätzungskommission mit dem Begehren, es sei ihr eine Entschädigung aus materieller Enteignung zuzusprechen. Die Kommission verneinte jedoch das Vorliegen einer materiellen Enteignung. Auch das Verwaltungsgericht des Kantons Bern verneinte für den grössten Teil des Grundstücks Nr. 846 die Baulandqualität. Es bejahte einzig die Möglichkeit der Bildung von 3 Bauplätzen zu je 1000 m2 im Bereiche des bestehenden, zum Abbruch bestimmten Gebäudes. Für die entsprechende Fläche von 3000 m2 bejahte es daher eine materielle Enteignung und wies die Streitsache zur Festsetzung der von der Stadt Bern geschuldeten Enteignungsentschädigung an die Enteignungskommission zurück. Die gegen diesen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Stadt Bern weist das Bundesgericht ab.
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Aus den Erwägungen: | |
2. Der Regierungsrat ist von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausgegangen, wonach eine materielle Enteignung dann vorliegt, wenn einem Eigentümer der bisherige oder ein voraussehbarer künftiger Gebrauch seiner Sache untersagt oder besonders stark eingeschränkt wird, weil dem Eigentümer eine wesentliche, aus dem Eigentum fliessende Befugnis entzogen wird. Geht der Eingriff weniger weit, so wird gleichwohl eine materielle Enteignung angenommen, falls ein einziger oder einzelne Grundeigentümer so betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erschiene und es mit der Rechtsgleichheit nicht vereinbar wäre, wenn hiefür keine Entschädigung geleistet würde (BGE 107 Ib 383 E. 2 mit Hinweisen). In beiden Fällen ist die Möglichkeit einer zukünftigen besseren Nutzung der Sache indessen nur zu berücksichtigen, wenn im massgebenden ![]() | 6 |
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Grundstück sehr wahrscheinlich in naher Zukunft besser hätte genutzt werden können, sind nach der Praxis alle rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen, welche die Überbauungschance beeinflussen können. Dazu gehören die im fraglichen Zeitpunkt geltenden kommunalen und kantonalen Bauvorschriften, die Lage und Beschaffenheit des Grundstücks, die Erschliessungsverhältnisse, der Stand der kommunalen und kantonalen Planung und die bauliche Entwicklung in der Umgebung (BGE 106 Ia 373 E. 2b mit Hinweisen).
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Die verschiedenen Faktoren sind zu gewichten. Nur wo das Bauen rein rechtlich zulässig und tatsächlich möglich sowie nach den Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft zu erwarten gewesen wäre (BGE 96 I 357 mit Hinweis), kann in der Eigentumsbeschränkung, welche die Überbauung ausschliesst, ein besonders schwerer Eingriff gesehen werden, der eine Entschädigungspflicht auslöst. Als Gründe dafür, dass ein Grundstück nicht in verhältnismässig kurzer Zeit überbaut werden kann, nannte das Bundesgericht zum Beispiel die Voraussetzung einer Ausnahmebewilligung, die Notwendigkeit einer Änderung in der Zonenplanung, das Erfordernis eines Erschliessungs-, Überbauungs- oder Gestaltungsplanes, einer Baulandumlegung oder weitgehender Erschliessungsarbeiten (BGE 107 Ib 223 E. 3; BGE 106 Ia 373 E. 2b und 376 f. E. 3d und e). Auch genügt die Erschliessbarkeit einer Parzelle und unter Umständen selbst deren Erschliessung nicht ohne weiteres, um die Überbaubarkeit in naher Zukunft zu bejahen (BGE 103 Ib 222 E. 5b; BGE 101 Ia 227 E. 4b).
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Auch der vorliegende Fall gibt zu keiner anderen Betrachtungsweise Anlass. Massgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine materielle Enteignung vorliege, sind somit die Verhältnisse im Zeitpunkt der Rechtskraft des städtischen Nutzungszonenplanes am 10. Dezember 1976.
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a) Das Verwaltungsgericht stellt zutreffend fest, dass der frühere Bauklassenplan der Stadt Bern aus dem Jahre 1955 keine Baugebietsausscheidung im Sinne einer raumplanerischen Massnahme vorgenommen hatte. Der Plan stellt daher keinen Zonenplan im Sinne des Art. 14 des Baugesetzes des Kantons Bern vom 7. Juni 1970 dar, der das Baugebiet vom übrigen Gemeindegebiet abzugrenzen hat. Die Auswirkungen der im Nutzungszonenplan von 1974 erstmals vorgenommenen Baugebietsausscheidung sind daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Auszonung, sondern unter demjenigen der Nichteinzonung zu beurteilen. Im übrigen käme man - wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt - zu keinem andern Ergebnis, wenn man den vorliegenden Sachverhalt als Auszonung betrachten wollte.
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b) Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die Auszonung oder die Nichteinzonung einen Eigentümer ausnahmsweise enteignungsähnlich treffen. Im Falle der Auszonung kann diese Folge etwa eintreten, wenn baureifes oder grob erschlossenes Land, für dessen Erschliessung und Überbauung der Eigentümer bereits erhebliche Kosten aufgewendet hat, betroffen wird. Auch für den Fall einer Nichteinzonung entsprechenden Landes, das im Bereich eines mit den Anforderungen der Gewässerschutzgesetzgebung übereinstimmenden generellen Kanalisationsprojekts liegt, ist ![]() | 14 |
c) Bei dieser Rechtslage ist für die Beurteilung der Frage, ob die umstrittene Fläche von 3000 m2 des Grundstücks der Beschwerdegegnerin zur Zeit der Rechtskraft des städtischen Nutzungszonenplanes sehr wahrscheinlich in naher Zukunft hätte überbaut werden können, wenn sie nicht einer Schutzzone zugewiesen worden wäre, massgebend auf die gewässerschutzrechtliche Situation abzustellen. Dabei darf die Dauer des provisorischen Bauverbots gemäss der Schutzgebietszuweisung nicht zum Nachteil der Beschwerdegegnerin berücksichtigt werden.
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b) Die Stadt Bern hat sodann Anfang 1977 ein generelles ![]() | 17 |
c) Wenn im übrigen das Verwaltungsgericht von der Möglichkeit von Terrassenhäusern gesprochen hat, so handelt es sich bei der entsprechenden Erwägung lediglich um einen unverbindlichen Hinweis. Entsprechend der Überbauung des bestehenden Löchligutes wäre zweifellos auch eine Überbauung denkbar, die nicht den Erlass von Sonderbauvorschriften bedingen würde, allerdings wohl bei verminderter Rendite. Dass der Anschluss der Bauten an die Kanalisation einen besonders hohen Aufwand bedingen würde, ist aufgrund des Augenscheines kaum anzunehmen. Im übrigen werden diese Fragen bei der Ermittlung der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigen sein.
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d) Auch die von der Stadt Bern vorgebrachten Einwendungen in bezug auf die Lärmimmissionen von Bahn und Strasse sind nicht stichhaltig. Diese Immissionen sind keineswegs derart stark, dass sie einer bescheidenen Überbauung entgegenstehen würden. Dies bestätigt auch die vorhandene Löchligutüberbauung.
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6. Bei dieser Sach- und Rechtslage durfte das Verwaltungsgericht zu Recht annehmen, eine Überbauung des Abschnittes von 3000 m2 hätte sich im massgebenden Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit verwirklichen lassen. Die besonderen Umstände, welche im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung diese Annahme rechtfertigen (BGE 105 Ia 338 E. 3d), liegen im vorhandenen bestehenden Werkstatthaus, für welches der Löchligutweg ![]() | 20 |
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