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46. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. November 1983 i.S. Aletsch AG, Dixence AG und Mattmark AG gegen Erben Bumann und Eidg. Schätzungskommission, Kreis 4 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Enteignung ehehafter Wasserrechte, Umfang der Rechte. | |
Sachverhalt | |
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Am 30. September 1928 erhielt Alex Bumann von der Urversammlung der Gemeinde Embd die Bewilligung, das Kleinkraftwerk und den Zuleitungskanal zu verlegen. Gleichzeitig verstärkte ![]() | 2 |
Am 18. Juni 1957 wurde der Zuleitungskanal infolge eines Murganges teilweise verschüttet. Seither liegt das Kleinkraftwerk still. Der Strombedarf der bisherigen Bezüger wird durch die Aletsch AG befriedigt.
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Im Jahre 1905 erwarb die Lonza AG durch Ingenieur Boucher von der Gemeinde Embd die dieser an der Mattervispe zustehenden Wasserrechte. Der Walliser Staatsrat genehmigte die Konzession am 15. Januar 1905, wobei die bestehenden Rechte Dritter ausdrücklich vorbehalten wurden. 1909 nahm die Lonza AG das Kraftwerk Ackersand I in Betrieb. 1954 begann sie mit den Vorarbeiten für das Kraftwerk Ackersand II an der Mattervispe. Sie und ihre Tochtergesellschaft, die Aletsch AG, führten in der Folge mit den Gebrüdern Bumann Verhandlungen über die Ablösung des privaten Wasserrechts. Da eine Einigung nicht zustande kam, liessen schliesslich die Konzessionärinnen Aletsch AG, Grande Dixence AG und Mattmark AG im Jahre 1961 ein Enteignungsverfahren einleiten.
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Innert der Eingabefrist verlangten die Gebrüder Bumann Realersatz in dem Sinne, dass ihnen - basierend auf einer Wassermenge von 800 l/sec und einem Gefälle von 21 m - Gratisstrom zur Verfügung gestellt werde. Die Enteignerinnen widersetzten sich diesem Begehren und machten geltend, die Enteigneten hätten nur ein ehehaftes Wasserrecht zum Betrieb einer Sägerei besessen, hingegen keine Konzession zum Bau eines Kraftwerkes. Sie verlangten daher wiederholt, dass zunächst die Rechtslage untersucht würde. Beide Parteien erklärten sich gestützt auf Art. 69 Abs. 2 EntG damit einverstanden, dass die Schätzungskommission über den Bestand und Umfang des den Enteigneten zustehenden Wasserrechts befinde. In der Folge entschied die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 4, dass die Wasserrechte der Erben Bumann an der Mattervispe das Recht zum Betrieb eines Kleinkraftwerkes mit einer Wassermenge von 480 l/sec und einem Nutzgefälle von 13 m umfassten. Zur Begründung führte die Kommission im wesentlichen aus, zwar habe den Enteigneten ursprünglich nur ein ehehaftes Recht des Inhalts zugestanden, wie er im Wasserrechtskataster umschrieben sei, doch müsse ihnen unter dem Gesichtswinkel von Treu und Glauben auch ein Recht an der Kraftwerkanlage von 1930 eingeräumt werden, da diese in guten Treuen und mit Bewilligung der Gemeinde gebaut worden sei und die ![]() | 5 |
Gegen den Entscheid der Schätzungskommission haben die Aletsch AG, die Grande Dixence AG und die Mattmark AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und verlangt, es sei festzustellen, dass es sich beim zu enteignenden Recht um ein ehehaftes Wasserrecht handle, dessen Umfang durch den Eintrag im kantonalen Kataster über die Wasserrechte an der Mattervispe festgelegt sei. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Die Schätzungskommission hat sich bei der Umschreibung des ehehaften Wasserrechtes im wesentlichen auf ein von Prof. Liver der Lonza AG erstattetes Gutachten vom 21. April 1959 gestützt. In diesem Gutachten wird ausgeführt, ein Rechtstitel, aus dem sich der genaue Umfang sowie die Zweckbestimmung des umstrittenen Rechtes ergeben würden, fehle offenbar. Es stelle sich daher die Frage, ob die Inhaber der abzulösenden Rechte lediglich Anspruch auf Entschädigung für die damals bestehende Anlage, d.h. die tatsächlich genutzte Wassermenge und das tatsächlich genutzte Gefälle hätten, oder ob bei der Festsetzung der Entschädigung auf die potentiell vorhandenen Ausnützungsmöglichkeiten, d.h. auf die gesamte zur Verfügung stehende Wassermenge und das ganze zur Verfügung stehende Gefälle (Bruttogefälle) abzustellen sei. Wo alte (ehehafte) private Wasserrechte zur Diskussion stünden, sei von der Tatsache auszugehen, dass diese Rechte nicht als selbständige Berechtigungen zur Ableitung einer bestimmten Wassermenge und zur Ausnützung eines bestimmten Gefälles ![]() | 8 |
b) In den kantonalen Gesetzgebungen finden sich indessen auch Regelungen, die den Darlegungen Livers nicht entsprechen. So wird in § 38 des basellandschaftlichen Gesetzes über die Gewässer und die Wasserbau-Polizei vom 9. Juni 1856 bestimmt, bei bestehenden Gewerbs- und Wässerungskanälen dürfe die Wassermenge beim Einlauf nur mit Bewilligung des Regierungsrates ![]() | 9 |
c) Das Bundesgericht hat sich im nicht publizierten Entscheid i.S. Aluminium-Industrie-Aktiengesellschaft gegen Kt. Schaffhausen vom 17./18. Mai 1935 mit der Frage des Bestands und des Umfanges ehehafter Wasserrechte eingehend auseinandergesetzt (vgl. die Hinweise auf dieses Urteil bei BONARD, a.a.O., S. 110 N. 1, und LIVER, Die ehehaften Wasserrechte in der Schweiz, Festschrift Gieseke, S. 242 N. 42).
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Es hat zunächst dargelegt, dass die Verlegung des Wasserrechts für eine Mühle auf die Nachbarliegenschaft, auf welcher ein Wasserrecht für ein Eisenwerk besteht und die seit längerer Zeit dem ![]() | 11 |
Im weiteren wird ausgeführt, der Umfang der sich aus den vereinigten alten Rechten ergebenden Wassernutzungsbefugnis bestimme sich nach den Grundsätzen, die in Schaffhausen über die Festlegung des Inhalts unvordenklicher Wasserrechte ausgebildet worden seien. Dabei könnten ergänzend die entsprechenden gemeinrechtlichen Lehren und die verwandten partikularrechtlichen Regelungen berücksichtigt werden. Die in Betracht kommende allgemeine Theorie und Praxis habe sich einheitlich zu dem Grundsatz bekannt, dass private Wasserrechte, die auf unvordenklicher Ausübung beruhten, in der Regel nur im Umfang ihrer Verwirklichung in einem konkreten Werk anzuerkennen seien und daher durch Momente bestimmt werden sollten, die der geschaffenen Anlage "entsprächen"; dieser Grundsatz dürfe auch hier als unbestritten gelten. Fraglich sei indessen, in welcher Weise die alten Rechte mit den Werkanlagen in Beziehung zu setzen seien. Die Begrenzung alter Wasserrechte nach einer bestimmten Nettowasserkraft falle, wie das Bundesgericht schon in BGE 27 II 672 ff. festgestellt habe, ausser Betracht. Das Wasserrecht sei vielmehr unabhängig von der technischen Leistungsfähigkeit der maschinellen Einrichtung zu umschreiben, und zwar einerseits durch ein bestimmtes Gefälle, andererseits durch eine feste, auf Grund von Werkanlagen ermittelte Wassermenge.
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Nun stelle sich die Frage, welche Werkanlagen für die Umschreibung der Wassermenge massgebend sein sollten. Einerseits werde die Auffassung vertreten, dass es auf die Schluckfähigkeit der Maschinen ankomme, andererseits, es sei auf die äusseren Werkanlagen abzustellen. Aus der Literatur und Praxis (die eingehend dargestellt werden) ergebe sich keine eindeutige Lösung. Allerdings scheine sich im Kanton Zürich die Gesetzgebung und besonders ![]() | 13 |
d) Das Walliser Gesetz vom 27. Mai 1898 betreffend die Konzessionierung von Wasserkräften enthält - wie auch das heute in Kraft stehende Gesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte - keine Vorschriften über die Begrenzung ehehafter Wasserrechte. In Art. 1 Abs. 3 wird lediglich erklärt, die Rechte Dritter blieben vorbehalten. Auch das Zivilgesetzbuch vom 1. Dezember 1853, das sein Vorbild im französischen Code civil fand (vgl. HUBER/MUTZNER, System und Geschichte des Schweizerischen Privatrechts, S. 101) hält in Art. 484 einzig fest, Mühlen und Hüttenwerke dürften die zur Wässerung der Güter bestimmten Wasser, entgegengesetzte Gebräuche oder Gegenverträge vorbehalten, nicht ableiten. Dass die Rechtsprechung bestimmte Grundsätze über die Umschreibung ehehafter Wasserrechte entwickelt hätte, ist nicht bekannt. Indessen ist nicht anzunehmen, dass sich der Walliser Gesetzgeber oder Richter bei der Bestimmung des Umfangs ehehafter Rechte an die Regelungen der Kantone Zürich und Aargau angelehnt hätte: Wie schon im zitierten Entscheid Aluminium-Industrie-Aktiengesellschaft festgestellt worden ist und durch abweichende kantonale Vorschriften (oben lit. b) belegt wird, ginge es offensichtlich zu weit, in den beiden Kodifikationen ein Ausdruck gesamtschweizerischer Rechtsüberzeugung sehen zu ![]() | 14 |
Was übrigens den möglichen Einwand betrifft, das Recht der Enteigneten habe ursprünglich nur dem Betrieb einer Sägerei, nicht aber der Versorgung von Dritten mit Elektrizität gedient, so kann übereinstimmend mit der Lehre angenommen werden, dass solche Zweckänderungen - jedenfalls soweit sie stillschweigend oder ausdrücklich gestattet wurden - gewohnheitsrechtlich sanktioniert und unanfechtbar geworden sind (LIVER, Die ehehaften Wasserrechte in der Schweiz, a.a.O., S. 246; derselbe, Kommentar zum ZGB, N. 32 zu Art. 737; DUBACH, Die wohlerworbenen Rechte im Wasserrecht, S. 62).
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Die Enteigneten haben im weiteren ausgeführt, die Wasserfassung sei nie vergrössert worden; es habe ihnen und ihren Rechtsvorgängern seit jeher sehr viel Wasser zur Verfügung gestanden. Auch diesen Angaben haben die Enteignerinnen nicht widersprochen. Nach einem Schreiben der Grande Dixence AG vom 21. August 1963 hat einer ihrer Ingenieure im Jahre 1956 festgestellt, das Höchstschluckvermögen des Oberwasserkanals betrage 480 l/sec. Der bundesgerichtliche Experte hat daraus geschlossen, es dürfe mit einer durchschnittlichen Wassermenge von 400 l/sec gerechnet werden. Nun haben zwar die Enteigneten gegen diese ![]() | 17 |
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