BGE 110 Ib 141 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
24. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. Mai 1984 i.S. Dr. Erich Gayler und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Thurgau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 24 RPG; Ausnahmebewilligung. | |
Sachverhalt | |
Erich Gayler, Rudolf Gayler, Birgit Staiger und Franziska Jaisli sind gemeinschaftliche Eigentümer der Liegenschaft "Weidhof" in Landschlacht am Ufer des Bodensees. Der ausserhalb der Bauzone gelegene "Weidhof" umfasst unter anderem ein Herrschaftshaus und einen Landwirtschaftsbetrieb. Die Eigentümer beabsichtigen, das in der Lichtung eines Parkgehölzes stehende Herrschaftshaus baulich zu sanieren. Dabei sehen sie auf fachkundigen Rat hin vor, den aus dem vergangenen Jahrhundert stammenden klassizistischen Hauptteil instand zu stellen und die später hinzugefügten, stilistisch fragwürdigen Anbauten Nord und West abzubrechen. Als Ersatz für diese Anbauten wollen sie in 35 m Entfernung in westlicher Richtung am jenseitigen Rand des Parkgehölzes ein Ferieneinfamilienhaus bauen. Das Amt für Raumplanung des Kantons Thurgau verweigerte am 11. Juni 1982 die nach Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) erforderliche Ausnahmebewilligung. Eine dagegen gerichtete Beschwerde der Grundeigentümer wies der Regierungsrat des Kantons Thurgau mit Beschluss vom 18. Oktober 1983 ab. Die Grundeigentümer führen gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen, den angefochtenen Regierungsratsbeschluss aufzuheben und ihnen die Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG auch für den Bau des projektierten Einfamilienhauses zu erteilen; eventuell sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
| 1 |
Aus den Erwägungen: | |
2 | |
a) (Feststellung, dass der "Weidhof" trotz der Einwendungen der Beschwerdeführer nicht in einer Bauzone liegt.)
| 3 |
4 | |
Wie erwähnt kann das kantonale Recht gemäss Art. 24 Abs. 2 RPG gestatten, Bauten und Anlagen zu erneuern, teilweise zu ändern oder wieder aufzubauen, wenn dies mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar ist. Ob ein Bauvorhaben unter Art. 24 Abs. 2 RPG fällt, beurteilt sich ausschliesslich nach dieser Vorschrift. Erneuerung, teilweise Änderung und Wiederaufbau sind bundesrechtliche Begriffe. Das kantonale Recht kann nur bestimmen, ob und allenfalls inwieweit bauliche Massnahmen innerhalb des bundesrechtlich begrenzten Rahmens im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG bewilligt werden dürfen. Mit dieser Regelung will das Bundesrecht den Kantonen ermöglichen, ihren besonderen Verhältnissen Rechnung zu tragen (BGE 108 Ib 54 E. 3b, 361 E. 3a, je mit Hinweisen).
| 5 |
Der projektierte Neubau eines Ferieneinfamilienhauses stellt weder eine Erneuerung, eine teilweise Änderung noch einen Wiederaufbau im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG dar. Alle drei auf die Substanzerhaltung ausgerichteten Arten baulicher Massnahmen setzen voraus, dass ein Baukörper an einem bestimmten Standort schon besteht und dass seine Identität grundsätzlich gewahrt wird (BGE 108 Ib 55/56 E. 3c; 107 Ib 241/242 E. 2b aa mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind aber beim Neubau eines nach Ausmass, Erscheinungsform und Stil völlig verschiedenen Wohnhauses 35 m entfernt vom teilweise abzubrechenden Altbau nicht gegeben. Namentlich kann es sich hier nicht um einen Wiederaufbau handeln. Das projektierte Ferienhaus mag in einem gewissen Sinn als Ersatzbaute für verlorengehenden Wohnraum betrachtet werden. Indessen wird aus diesem Ersatzbau auch dann kein Wiederaufbau im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG, wenn die Ersatzbaute das gesamte Sanierungsprojekt zu fördern vermöchte und im Volumen nicht einmal die Hälfte der vom Altbau abzubrechenden Anbauten ausmacht. Eine zu weitgehende Berücksichtigung zonenfremder Bauten widerspräche dem Zweck des Raumplanungsgesetzes.
| 6 |
Liegt das Projekt eines Einfamilienhauses aber ausserhalb des bundesrechtlichen Rahmens von Art. 24 Abs. 2 RPG, so ist nicht mehr zu prüfen, ob und allenfalls inwieweit es nach kantonalem Recht bewilligt werden dürfte. Das Bauvorhaben kann schon nach Art. 24 Abs. 2 RPG nicht bewilligt werden. Da sich dessen Unzulässigkeit bereits daraus ergibt, dass es weder eine Erneuerung, eine teilweise Änderung noch einen Wiederaufbau darstellt, so braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob es mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar wäre.
| 7 |
Eine bundesrechtskonforme Auslegung des Raumplanungsgesetzes dient der Verfassungsbestimmung von Art. 22 quater BV. Sie kann daher entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer die in Art. 22ter BV gewährleistete Eigentumsgarantie nicht verletzen. Abgesehen davon wäre es dem Bundesgericht nach Art. 113 Abs. 3 BV verwehrt, das Bundesgesetz über die Raumplanung auf seine Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung zu überprüfen.
| 8 |
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist keine Verletzung von Bundesrecht dargetan, weshalb die Beschwerde sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Eventualbegehren abzuweisen ist.
| 9 |
c) Durfte den Beschwerdeführern keine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 2 RPG erteilt werden, so könnte es sich nur noch fragen, ob eine solche gemäss Art. 24 Abs. 1 RPG denkbar wäre. Der Regierungsrat hat diese Möglichkeit indessen mit Recht verneint, da das projektierte Ferienhaus offensichtlich nicht auf den vorgesehenen Standort ausserhalb des Baugebiets in der Landwirtschaftszone und im Landschaftsschutzgebiet angewiesen ist. Die Beschwerdeführer fechten diese Argumentation zu Recht nicht an; auch insoweit könnte von einer Bundesrechtsverletzung keine Rede sein.
| 10 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |