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43. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. April 1984 i.S. Philipp gegen Gemeinde Savognin und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 5 Abs. 2, Art. 34 RPG; Entschädigung für Heimschlag. |
Für die Festsetzung der Heimschlagsentschädigung sind - soweit die materielle Enteignung in Frage steht - die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Planungsmassnahme massgebend (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Auf Rat der Regierung leitete die Gemeinde Savognin in der Folge das Verfahren nach Art. 27 Abs. 3 kant. RPG ein und ersuchte die zuständige Enteignungskommission um Durchführung des Schätzungsverfahrens, nachdem Tina Philipp die angebotene Entschädigung von Fr. 7.--/m2 abgelehnt und Fr. 105.--/m2 verlangt hatte. Mit Entscheid vom 29. September 1982 setzte die Enteignungskommission V die Entschädigung für die Übernahme der ganzen Parzelle Nr. 305 durch die Gemeinde Savognin auf Fr. 68'838.-- (= Fr. 7.--/m2) nebst Zins zu 5% seit 4. Juni 1976 (Datum der vorzeitigen Besitzeinweisung) fest. Massgebender Zeitpunkt für die Wertbestimmung sei die Genehmigung der Ortsplanung durch die Kantonsregierung (12. Juli 1976). Vor der Zuweisung zur Zone für öffentliche Bauten und Anlagen habe das Grundstück zum sog. "Reserve-Baugebiet" gehört, das jedoch wie "übriges Gemeindegebiet" zu behandeln sei. Die Wertbemessung richte sich deshalb nach den für landwirtschaftliches Land gültigen Kriterien. Der seinerzeit im Enteignungsverfahren festgesetzte Landwert von Fr. 7.--/m2 sei nach wie vor angemessen, weil sich die Verhältnisse seither nicht geändert hätten.
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Gegen diesen Entscheid erhob Tina Philipp erneut Beschwerde beim Verwaltungsgericht, das die Entschädigung mit Urteil vom 31. Mai 1983 auf Fr. 10.50/m2 erhöhte. Hiegegen hat die Grundeigentümerin staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 22ter BV eingereicht.
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Die staatsrechtliche Beschwerde ist ausgeschlossen, wenn die behauptete Rechtsverletzung mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Diesfalls übernimmt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Funktion der staatsrechtlichen Beschwerde, weil die behauptete Missachtung von Bundesverfassungsrecht ohne weiteres Gegenstand der Rechtskontrolle im Rahmen des in Art. 104 lit. a OG ("Verletzung von Bundesrecht") vorgesehenen Beschwerdegrundes bildet (vgl. statt vieler BGE 104 Ib 120, mit weiteren Hinweisen). Dies gilt insbesondere auch für den von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwurf, mit dem angefochtenen Entscheid sei ihr in Verletzung von Art. 22ter Abs. 3 BV keine volle Entschädigung zuerkannt worden.
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Nach Art. 97 Abs. 1 OG beurteilt das Bundesgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG. Nach dieser Vorschrift gelten als Verfügungen behördliche Anordnungen im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen müssen (BGE 103 Ib 314 E. 2b). Wird ein Grundstück der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (Art. 27 kant. RPG) zugewiesen, so liegt darin eine Planungsmassnahme im Sinne des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG), auch wenn sie - wie im vorliegenden Fall - vor dem 1. Januar 1980 (Datum des Inkrafttretens des RPG) getroffen wurde (BGE 107 Ib 229 ff.). Daraus ![]() | 6 |
Die Voraussetzungen zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind im vorliegenden Fall erfüllt: Art. 27 kant. RPG ermächtigt die bündnerischen Gemeinden, Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen zu schaffen. Nach Art. 27 Abs. 3 können die betroffenen Grundeigentümer durch schriftliche Bekanntgabe ihres Angebotes die Übertragung des Eigentums an die Gemeinde verlangen. Der Gemeinde steht das gleiche Recht zu. In Anwendung dieser Vorschrift hat die Gemeinde Savognin die Parzelle Nr. 305 an sich gezogen und das Schätzungsverfahren durchführen lassen. Was die Einwendungen der Grundeigentümerin anbelangt, so wird bezeichnenderweise nicht in erster Linie vorgebracht, für das bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstück sei von den kantonalen Instanzen ein zu niedriger Verkehrswert festgesetzt worden. Die Beschwerdeführerin bringt vielmehr zur Hauptsache vor, das Verwaltungsgericht habe entgegen Art. 11 Abs. 1 des kantonalen Enteignungsgesetzes keine "bessere Verwendungsmöglichkeiten" (als künftiges Bauland) in Rechnung gestellt, und macht damit sinngemäss geltend, die im Jahre 1976 erfolgte Zuweisung des Grundstücks Nr. 305 zur Zone für öffentliche Bauten und Anlagen habe eine reale, private Überbauungsmöglichkeit zunichte gemacht. Der wahre Streitgegenstand betrifft mithin die Frage, ob die Beschwerdeführerin durch die Zonenplanrevision 1976 enteignungsähnlich betroffen worden sei.
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Die form- und fristgerecht eingereichte staatsrechtliche Beschwerde ist demnach als Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu behandeln.
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Richtig ist, dass das seinerzeit angehobene Verfahren zur Festsetzung der Entschädigung für eine formelle Teilenteignung der Parzelle Nr. 305 wegen des am 15. Juni 1982 gestellten (und grundsätzlich unbestrittenen) Übernahmebegehrens gegenstandslos geworden ist. Die kantonalen Enteignungsgerichte hatten in der Tat nur noch darüber zu befinden, welche Entschädigung der Beschwerdeführerin für die Übernahme der ganzen Parzelle Nr. 305 zusteht. Das bedeutet jedoch nicht, dass für die Beurteilung aller hier interessierenden Rechtsfragen notwendigerweise die Verhältnisse im Jahre 1982 massgebend seien, wie die Beschwerdeführerin meint.
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Anlass für die Ausübung des Heimschlagsrechts gab die Zuweisung des Grundstücks Nr. 305 zur Zone für öffentliche Bauten und Anlagen im Rahmen der Zonenplanrevision 1976, die mit der regierungsrätlichen Genehmigung vom 12. Juli 1976 rechtskräftig wurde. Weil die Beschwerdeführerin behauptet, mit dieser Planungsmassnahme seien private Überbauungschancen vernichtet worden, muss für die Bemessung der so begründeten vollen Entschädigung für den Heimschlag auf den Sommer 1976 abgestellt werden, denn Streitgegenstand ist - wie schon erwähnt - in diesem Zusammenhang, ob der Zonenplan 1976 für die Beschwerdeführerin eine materielle Enteignung bewirkt habe. Für diese Frage ist aber seit jeher auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Eigentumsbeschränkung abzustellen (BGE 108 Ib 338 /339, BGE 109 Ib 16 E. 3, mit Hinweisen). Eine Ausnahme gilt lediglich mit Bezug auf den landwirtschaftlichen Restwert, da die planerische Eigentumsbeschränkung eine Preisentwicklung für landwirtschaftlichen Boden nicht ausschliesst. Die Beschwerdeführerin hat demnach Anspruch darauf, dass für die Bemessung des landwirtschaftlichen Verkehrswerts des Grundstücks Nr. 305 auf die Verhältnisse im Jahre 1982 abgestellt wird, falls die Zuweisung zur Zone für öffentliche Bauten und Anlagen keine materielle Enteignung bewirkt ![]() | 11 |
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