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62. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. November 1984 i.S. C. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. | |
Sachverhalt | |
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Der in England angeschuldigte C. zog einen in Zürich niedergelassenen Anwalt bei. Dieser ersuchte die Bezirksanwaltschaft Bülach am 20. Januar 1984 mündlich um Akteneinsicht. Das Gesuch wurde mit Verfügung vom gleichen Tag abgewiesen. C. reichte hiergegen am 26. Januar 1984 bei der Zürcher Staatsanwaltschaft Rekurs ein. Mit einer zweiten Eingabe vom gleichen Tag ersuchte ![]() | 2 |
C. hat gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Der Beschwerdeführer wählt einen unzutreffenden Ausgangspunkt. Er ist im Kanton Zürich keiner Straftat beschuldigt und untersteht nicht dessen Strafhoheit. Vielmehr wird in diesem Kanton gegen ihn ein Verwaltungsverfahren durchgeführt (BGE 109 Ib 157 E. 3b mit Hinweisen), dessen Formalitäten weitgehend ![]() | 5 |
c) Tritt man trotz Fehlen einer substantiierten Rüge auf die Frage der Auslegung von Art. 79 Abs. 3 IRSG ein, so ist diejenige der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, der auch das BAP beipflichtet, nicht zu beanstanden. Der Wendung "dem Beschuldigten, den die Rechtshilfemassnahme nicht persönlich trifft" würde ein vernünftiger Sinn abgehen, wenn man sie dahin verstehen wollte, jede Rechtshilfemassnahme treffe automatisch den Beschuldigten. Gemeint sein kann somit nur derjenige Beschuldigte, der sich in der Schweiz selbst einer konkreten Massnahme zu unterwerfen hat, wie etwa einer Hausdurchsuchung oder einer Aktenedition. Das setzt in der Regel voraus, dass sich der Beschuldigte in der Schweiz aufhält, doch sind Ausnahmen denkbar (z. B. Durchsuchung des unbewohnten Ferienhauses des Beschuldigten in der Schweiz; Beschlagnahme von ihm gehörenden Gegenständen im ersuchten Staat). Die hier in Frage stehenden Rechtshilfemassnahmen (Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Dokumenten bei der Firma J. und bei D.) richten sich ausschliesslich gegen Dritte; der Beschwerdeführer wird von ihnen nicht persönlich betroffen. Bei dieser Sachlage stünde ihm nach Art. 79 Abs. 3 IRSG ein Anspruch auf Akteneinsicht nur dann zu, wenn er in der Schweiz seinen gewöhnlichen Aufenthalt hätte, und ausserdem nur im Interesse der Wahrung seiner Verteidigungsrechte im ausländischen Strafverfahren. Da es schon am ersten Erfordernis fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die zweite Bedingung erfüllt wäre, d.h. ob C. das Einsichtsrecht im Interesse der Wahrung seiner Verteidigungsrechte im englischen Strafverfahren ausüben wolle. Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Gesagten mit Recht angenommen, dem Beschwerdeführer stehe kein Anspruch auf Akteneinsicht zu.
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a) Massgebend ist Art. 21 Abs. 3 IRSG. Danach können Personen, gegen die sich das ausländische Strafverfahren richtet, Verfügungen nur anfechten, wenn eine Massnahme sie persönlich trifft oder sie in ihren Verteidigungsrechten im Strafverfahren beeinträchtigen könnte. Wie diese Bestimmung auszulegen ist, ergibt sich nicht eindeutig aus dem Wortlaut. In der Botschaft des Bundesrates zum IRSG wurde zum damaligen Art. 18 Abs. 2 des Entwurfes, der keine materielle Änderung erfahren hat und als Art. 21 Abs. 3 Gesetz geworden ist, lediglich bemerkt, er entspreche Art. 16 Abs. 2 des Bundesgesetzes zum Rechtshilfevertrag mit den USA (BBl 1976 II S. 480). Vergleicht man den Wortlaut der beiden Bestimmungen, so trifft dies zwar nicht genau zu. Die Vorschriften stimmen jedoch insofern überein, als beide die Rechtsmittelbefugnis des Beschuldigten einschränken. Der Bundesrat hielt in seinen Erläuterungen zu Art. 16 Abs. 2 des Bundesgesetzes zum Rechtshilfevertrag mit den USA fest, der Beschuldigte, gegen den sich das zur Rechtshilfe Anlass gebende Strafverfahren richte, könne Rechtsmittel nur ergreifen, wenn eine Rechtshilfehandlung die ihm nach amerikanischem Recht zustehenden Verteidigungsrechte beeinträchtigen könnte (BBl 1974 II S. 641). In der Botschaft zum IRSG führte er zum Kapitel "Innerstaatliches Verfahren; Rechtsschutz" u.a. aus, Gegenstand dieses Rechtsschutzes solle nur die Möglichkeit sein, sich gegen Eingriffe in Freiheitsrechte zu wehren, nicht aber die Prüfung der Notwendigkeit und Zweckmässigkeit der Durchführung des Rechtshilfeverfahrens (BBl 1976 II S. 457). Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf das in BGE 103 Ia 208 ff. publizierte Urteil geltend, das Bundesgericht habe in seiner Rechtsprechung zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen die Legitimation des Beschuldigten zur staatsrechtlichen Beschwerde bejaht. Das ist richtig. Unzutreffend ist hingegen die Ansicht des Beschwerdeführers, "die dort entwickelten Grundsätze" seien "im IRSG kodifiziert worden". Vielmehr hat das IRSG, wie das BAP in der Beschwerdeantwort mit Recht ausführt, gerade im Gebiet der Rechtsmittel eine neue Ordnung vorgesehen. Danach ist gegen kantonale Rechtshilfeverfügungen ein kantonales Rechtsmittel und hernach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ![]() | 8 |
b) Im Gegensatz zur Regelung betreffend die Akteneinsicht (Art. 79 Abs. 3 IRSG) genügt es nach Art. 21 Abs. 3 IRSG für die Rechtsmittelbefugnis des Beschuldigten, wenn eine der beiden erwähnten Voraussetzungen alternativ gegeben ist. Das erstgenannte Erfordernis, wonach eine Massnahme den Beschuldigten persönlich treffen muss, kann wohl nicht anders verstanden werden als bei der Auslegung von Art. 79 Abs. 3 IRSG. Dort kann, wie ausgeführt, mit jener Umschreibung nur derjenige Beschuldigte gemeint sein, der sich in der Schweiz einer Rechtshilfehandlung, namentlich einer Zwangsmassnahme, zu unterziehen hat. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, da sich die verlangten Massnahmen ausschliesslich gegen Dritte richten.
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Es stellt sich die Frage, ob die andere Voraussetzung gegeben ist, d.h. ob die betreffenden Massnahmen den Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten im englischen Strafverfahren beeinträchtigen könnten. Die gesetzgebende Behörde nahm offenbar an, es gebe Fälle, in denen durch die Rechtshilfe als solche die Verteidigungsrechte des Beschuldigten im ausländischen Strafverfahren direkt beeinträchtigt werden könnten. Dies träfe z.B. dann zu, wenn der schweizerische Rechtshilferichter einen Zeugen abhören ![]() | 10 |
Nach dem Gesagten hat die Staatsanwaltschaft mit Recht angenommen, es sei keine der in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen gegeben, weshalb dem Beschwerdeführer die Befugnis fehle, gegen die Verfügung der Bezirksanwaltschaft Rekurs einzulegen und im Rahmen des Rekursverfahrens ein Begehren um Erlass vorsorglicher Massnahmen zu stellen. Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet.
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