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26. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. Januar 1985 i.S. Bundesamt für Landwirtschaft gegen Thermalbad Zurzach AG, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV, Verfahrensregeln bei der Abstimmung des Gerichts. |
Verletzung des allgemeinen Grundsatzes, wonach der Entscheid des Gerichts eine Mehrheitsbegründung zu enthalten hat (E. 2). |
Verweigerung der Bewilligung, mit öffentlichen Mitteln verbesserte Grundstücke - und zwar eine bedeutende Fläche ausgezeichneten Kulturlandes - nicht mehr landwirtschaftlich, sondern im Hinblick auf die Förderung des Fremdenverkehrs in der betreffenden Region als Golfgelände zu nutzen. Fehlen eines wichtigen Grundes im Sinne von Art. 85 Abs. 3 LwG, da das Interesse an der Erhaltung dieses Areals für die Landwirtschaft dem Interesse an der Anlage eines Golfplatzes vorgeht (E. 3). Ablehnung der Bewilligung auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Gegen diesen Entscheid hat das Bundesamt für Landwirtschaft beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben.
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Das Bundesamt für Landwirtschaft rügt, diese Schlussfolgerung sei unhaltbar, denn es gehe nicht an, die beiden Minderheiten sozusagen zu einer Mehrheit zusammenzuzählen. Es macht damit dem Sinne nach geltend, das Verwaltungsgericht habe das kantonale Verfahrensrecht in unhaltbarer Weise angewendet und dadurch Art. 4 BV verletzt. Dieser Einwand ist zulässig, kann doch mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht gerügt werden, sofern die Rüge eine Angelegenheit betrifft, die in die sachliche Zuständigkeit des Bundesgerichts als Verwaltungsrechtspflegeinstanz fällt (BGE 108 Ib 74 E. 1a mit Hinweisen).
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Nach allgemeinen Regeln, die sowohl in einem kantonalen als auch in einem eidgenössischen Gerichtsverfahren gelten, wird zum Entscheid des Gerichts derjenige Antrag erhoben, auf den das absolute Mehr der Stimmen entfällt. Ist der Entscheid zu begründen, so muss auch über die Begründung abgestimmt werden, wenn darüber Meinungsverschiedenheiten bestehen (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, 1979, S. 244 N. 26); denn für die Begründung gilt dasselbe wie für den Entscheid: auch ihr muss die Mehrheit des Gerichts zustimmen. Diese Regel hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht beachtet. Die Beratung des Gerichts hatte ergeben, dass Meinungsverschiedenheiten über die Begründung des Antrags auf Gutheissung der Beschwerde bestanden und sich nur je eine Minderheit mit der einen oder anderen Begründung einverstanden erklärte. Gleichwohl wurde am Schluss nur über die beiden Anträge (Gutheissung ![]() | 5 |
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"Ohne Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde darf ein mit öffentlichen Mitteln verbessertes Grundstück oder ein erstelltes Siedlungswerk innert 20 Jahren seit der Entrichtung der Beiträge dem Zweck, für den sie geleistet wurden, nicht entfremdet werden. Der Eigentümer, der diese Vorschrift verletzt, hat die vom Bund geleisteten Beiträge zurückzuerstatten und allen durch die Zweckentfremdung verursachten Schaden zu ersetzen. Eine Zweckentfremdung darf nur aus wichtigen Gründen bewilligt werden.
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Bewilligt die Behörde die Zweckentfremdung, so kann sie die Rückerstattung der Beiträge ganz oder zum Teil erlassen."
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a) Die Beschwerdegegnerin und das Verwaltungsgericht weisen in den Beschwerdeantworten darauf hin, Art. 85 LwG sehe für den Fall der Verletzung des Zweckentfremdungsverbots keine weitergehenden Sanktionen als die Rückerstattung der Bundesbeiträge und Leistung von Schadenersatz vor. Das Verwaltungsgericht meint, man könnte sich daher fragen, ob die Beschwerdegegnerin nicht Anspruch auf Entlassung ihrer Grundstücke aus dem Zweckentfremdungsverbot hätte, falls sie freiwillig bereit wäre, die Subventionen zurückzuerstatten und allfälligen Schadenersatz zu leisten. Eine solche Argumentation vermag in Anbetracht von Art. 85 Abs. 3 LwG nicht zu überzeugen. Diese Vorschrift legt klar und eindeutig fest, dass eine Zweckentfremdung nur aus wichtigen ![]() | 9 |
b) Die Beschwerdegegnerin wendet in ihrer Vernehmlassung vom 14. August 1984 sodann ein, die Bundesbeiträge für die Güterzusammenlegung Rietheim seien am 25. November 1967 zugesichert und seither laufend bezahlt worden. Gemäss Art. 85 Abs. 1 LwG bedeute dies, dass die Dauer des Zweckentfremdungsverbotes in drei bis vier Jahren ablaufe. Zwar vertrete das Bundesamt gestützt auf Art. 53 Abs. 6 der Verordnung des Bundesrates über die Unterstützung von Bodenverbesserungen und landwirtschaftlichen Hochbauten vom 14. Juni 1971 (SR 913.1, im folgenden abgekürzt: BoV) die Ansicht, das Verbot gelte noch bis zum Ablauf von 20 Jahren seit der Schlusszahlung des Bundesbeitrages und somit, weil diese bis heute noch nicht erfolgt sei, mindestens bis zum Jahre 2004. Die Vorschrift von Art. 53 Abs. 6 BoV gehe jedoch weit über Art. 85 des Landwirtschaftsgesetzes hinaus und sei rechtswidrig, könnten doch aufgrund jener Bestimmung der Zeitpunkt der Schlusszahlung und damit die Dauer des Zweckentfremdungsverbots praktisch völlig frei manipuliert werden. Obgleich unbestritten ist, dass im vorliegenden Fall die Sperrfrist von 20 Jahren noch nicht abgelaufen ist, erscheint es aus prozessökonomischen Gründen als angebracht, zum Einwand der Beschwerdegegnerin Stellung zu nehmen.
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Art. 85 Abs. 1 LwG bestimmt, dass ein mit öffentlichen Mitteln verbessertes Grundstück innert 20 Jahren seit der Entrichtung der Beiträge dem Zweck, für den sie geleistet wurden, nicht entfremdet werden darf. Gemäss Art. 53 Abs. 5 und 6 BoV besteht das Verbot der Zweckentfremdung von der Zusicherung des Bundesbeitrages nach Art. 16 BoV an, und es gilt bis zum Ablauf von 20 Jahren seit der Schlusszahlung des Bundesbeitrages; die zuständige kantonale Behörde hat das Datum der Schlusszahlung als Zusatz zur Anmerkung im Grundbuch eintragen zu lassen. Mit diesen Bestimmungen wird das Zweckentfremdungsverbot nach zwei Seiten hin ![]() | 11 |
c) Das Bundesamt für Landwirtschaft macht geltend, die in Art. 85 Abs. 3 LwG genannte Voraussetzung für die Bewilligung einer Zweckentfremdung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die gegenteilige Ansicht sei unrichtig und verletze somit Bundesrecht.
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Gemäss Art. 85 Abs. 3 LwG darf eine Zweckentfremdung nur aus wichtigen Gründen bewilligt werden. Bei der Frage, ob solche Gründe vorliegen, geht es um eine Abwägung von Interessen, und zwar sind das Interesse an der möglichst langdauernden Erhaltung der landwirtschaftlichen Nutzung des verbesserten Bodens ![]() | 13 |
aa) Als Gründe für die Bewilligung der Zweckentfremdung werden im zu beurteilenden Fall vor allem öffentliche Interessen geltend gemacht, nämlich die wirtschaftliche Entwicklung des Kurorts und der Region Zurzach. Die Beschwerdegegnerin weist darauf hin, diese Region sei in wirtschaftlicher Hinsicht wegen ihrer Randlage an der Kantons- und Landesgrenze benachteiligt und habe zudem in den letzten Jahren erhebliche Rückschläge in der Industrie erlitten. Die einzige Möglichkeit, den Verlust an industriellen und gewerblichen Arbeitsplätzen wettzumachen, liege im Ausbau des Kurorts. Damit Zurzach als Badekurort konkurrenzfähig bleibe, müsse das Angebot an die Kurgäste auch in sportlicher Hinsicht erweitert werden. Die grossen Badekurorte des Auslandes verfügten über Golfplätze. Das Golfspiel sei der ideale Sport für den erholungsbedürftigen Kurgast. Eine Golfanlage bringe sowohl zehn direkte als auch weitere indirekte Arbeitsplätze, zudem wirke sie als Werbeeffekt für den Kurort. Nach den Richtlinien für die Kurortentwicklung von Zurzach werde daher die Anlage eines Golfplatzes als notwendig und vordringlich erachtet. Die Beschwerdegegnerin bringt damit gewichtige Argumente vor. Es besteht ein bedeutendes öffentliches Interesse, die Entwicklungsmöglichkeiten einer wirtschaftlich benachteiligten Region zu fördern.
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bb) Diesem Interesse steht dasjenige der Landwirtschaft gegenüber. Wie in der Botschaft des Bundesrates zum Landwirtschaftsgesetz ausgeführt wird, gehören die Meliorationsarbeiten zu den grundlegenden Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Landwirtschaft (BBl 1951 I S. 234). Mit dem Zweckentfremdungsverbot von Art. 85 LwG soll eine "möglichst langdauernde Wirkung der Subventionen" erreicht werden (BBl 1951 I S. 238), d.h. die Massnahme soll Gewähr dafür bieten, dass der mit öffentlichen Mitteln verbesserte Boden möglichst lange der landwirtschaftlichen Nutzung erhalten bleibt. Hinsichtlich der hier in ![]() | 15 |
cc) Wägt man die beiden Interessen gegeneinander ab, so ist das Interesse, welches für eine Bewilligung der Zweckentfremdung spricht, verglichen mit demjenigen, das die Aufrechterhaltung des Zweckentfremdungsverbots verlangt, als weniger gewichtig einzustufen. Zwar trifft es durchaus zu, dass die Nutzung des Landes für einen Golfplatz eine massvollere Zweckentfremdung darstellt, als sie sonst noch denkbar wäre, wie z.B. bei Überbauung. Dies ist jedoch ohne Belang, da Art. 85 LwG jede Art von Zweckentfremdung verbieten will. Ebensowenig ist von Bedeutung, dass ein Golfplatz in Notzeiten allenfalls wieder der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden könnte. Es ist davon auszugehen, dass eine solche erneute landwirtschaftliche Nutzung wegen der Umgestaltung des Geländes, wie sie eine Golfanlage mit sich bringt, stark beeinträchtigt würde. Entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin sind somit die langfristige Sicherung der Ertragsfähigkeit, die Sicherung der Landesversorgung und die Erhaltung von Kulturland bei einer Verwendung des Landes als Golfplatz keineswegs gewährleistet. Unbehelflich ist ferner der Einwand der Thermalbad Zurzach AG, sie sei nicht gehalten, das Land als Ackerland zu nutzen, und auch die bescheidenste landwirtschaftliche Nutzung sei zulässig. Das Landwirtschaftsgesetz und die Bodenverbesserungs-Verordnung sehen eine Unterhalts- und Bewirtschaftungspflicht vor (Art. 84 und 89 LwG, Art. 59 ff. BoV). Art. 59 BoV verlangt ausdrücklich, dass der verbesserte Boden "richtig bewirtschaftet" wird. Was sodann die Gesichtspunkte der Raumplanung betrifft, so können diese bei der Interessenabwägung nicht entscheidend ins Gewicht fallen, weil sowohl das Interesse für die Zweckerhaltung des landwirtschaftlich genutzten Bodens als auch dasjenige ![]() | 16 |
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verleiht der aus Art. 4 BV abgeleitete Grundsatz von Treu und Glauben dem Bürger einen Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen und sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden. Eine (selbst unrichtige) Auskunft oder Zusicherung, welche eine Behörde dem Bürger erteilt und auf die er sich verlassen hat, ist unter gewissen Umständen bindend. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Angaben der ![]() | 18 |
Die Beschwerdegegnerin hatte die hier in Frage stehenden Grundstücke am 29. Oktober 1976 während der Dauer des Güterregulierungsverfahrens von der Motor Columbus AG gekauft. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass ihr vor dem Kauf des Landes eine konkrete Zusicherung hinsichtlich einer Zweckentfremdungsbewilligung durch die hiefür zuständige Behörde, das Finanzdepartement, Abteilung Landwirtschaft, erteilt worden wäre. Zwar ist unbestritten, dass die verschiedenen Behörden dem beabsichtigten Kraftwerkbau der Motor Columbus AG grundsätzlich positiv gegenüberstanden und das Vorhaben teilweise durch ihre Entscheide unterstützten. Weder war der Motor Columbus AG jedoch eine formelle Zusicherung erteilt worden, noch wurde im Laufe des Güterzusammenlegungsverfahrens Land für diese Zwecke formell ausgeschieden. Anderseits ist zwar davon auszugehen, dass den kommunalen und kantonalen Behörden, insbesondere auch der Landwirtschaftsabteilung des Finanzdepartements, welche den Kaufvertrag zwischen der Motor Columbus AG und der Beschwerdegegnerin zu genehmigen hatte, bekannt war, dass diese das Land für einen Golfplatz verwenden wollte. Irgendwelche vertrauenbildende Handlungen oder Äusserungen der Bewilligungsbehörde gegenüber der Beschwerdegegnerin vor Kaufsabschluss lagen aber keine vor. Auch aus dem Verhalten der übrigen Behörden konnte die Beschwerdegegnerin nicht auf eine zukünftige Genehmigung des Zweckentfremdungsgesuches schliessen. Sie hat offensichtlich aufgrund des Umstandes, dass die Behörden dem Kraftwerkprojekt der Motor Columbus AG positiv gegenüberstanden, gehofft, sie könnte eine Bewilligung für den Golfplatz erhalten. Dies genügt jedoch nicht. Wenn sich die Beschwerdegegnerin darauf hätte verlassen wollen, dass sie das Land, welches sie für einen Golfplatz kaufte, auch tatsächlich für einen solchen verwenden konnte, hätte sie sich bei der zuständigen Behörde um eine entsprechende Zusicherung bemühen oder die formelle ![]() | 19 |
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