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44. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Juli 1985 i.S. X gegen Eidg. Militärdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 55 EntG; Zuständigkeit zur Beurteilung von Einsprachen gegen die Enteignung. | |
Sachverhalt | |
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Aus den Erwägungen: | |
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Dieser Argumentation ist jedoch nicht zu folgen.
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a) Nach Art. 55 Abs. 1 EntG in der Fassung vom 18. März 1971 (in Kraft seit 1. August 1972) entscheidet über die im Einigungsverfahren streitig gebliebenen Einsprachen gegen die Enteignung sowie über Begehren nach den Art. 7-10 das in der Sache zuständige Departement ("le département compétent en l'espèce", "il dipartimento competente per materia"). Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung sind klar. Aus ihr ergibt sich, dass die Zuständigkeit zur Beurteilung von Einsprachen, die sich gegen militärische Werke richten, beim Eidgenössischen Militärdepartement liegt. Die Frage, wer über Einsprachen gegen militärische Anlagen zu befinden habe, steht übrigens entgegen dem angefochtenen Entscheid ![]() | 4 |
Die in Art. 55 EntG getroffene Regelung ist entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht lückenhaft, insbesondere liegt keine echte Lücke vor, die der Richter in analoger Anwendung von Art. 1 Abs. 2 ZGB füllen dürfte und müsste (BGE 108 Ib 82 E. 4b, BGE 107 Ib 106, E. 6b, BGE 103 Ia 502 f.). Die Beschwerdeführer machen eigentlich auch nicht geltend, der Gesetzgeber habe etwas zu regeln unterlassen, was er hätte regeln sollen, sondern beanstanden vielmehr die vom Gesetzgeber getroffene Lösung. Somit läge aber höchstens eine unechte Lücke, eine unter rechtspolitischen Gesichtspunkten unbefriedigende Vorschrift vor, die allein vom Gesetzgeber zu verbessern wäre und welche jedenfalls das Bundesgericht, das die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze anzuwenden hat, ob sie verfassungsmässig seien oder nicht (Art. 113 Abs. 3 BV), nicht durch eine Auslegung contra legem korrigieren könnte.
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Dies allein genügte, um die Beschwerde insoweit abzuweisen. Wie sich zeigen wird, sind aber auch die weiteren, in diesem Zusammenhang von den Beschwerdeführern vorgebrachten Rügen unbegründet.
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b) Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass die Kompetenz zum Einspracheentscheid, die nach der alten Fassung des Art. 55 EntG vom 20. Juni 1930 beim Bundesrat lag, mit der Revision des Enteignungsgesetzes vom 18. März 1971 auf die Departemente übergegangen seien. Zu Unrecht. Die Zuständigkeit des Bundesrates fiel - obschon die Art. 50 und 55 EntG zunächst unverändert blieben - bereits am 1. Oktober 1969 mit dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 20. Dezember 1968 dahin. Dieses Gesetz erklärte nämlich neu die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gegen Verfügungen über Pläne als zulässig, soweit sie Einsprachen gegen Enteignungen oder Landumlegungen betreffen (Art. 99 lit. c OG). Dadurch wurde Art. 23 Abs. 2 des damals geltenden ![]() | 7 |
Zu Gunsten der von den Beschwerdeführern angestrebten Lösung kann allerdings angeführt werden, dass früher, als noch der Bundesrat erst- und letztinstanzlich über die Einsprachen entschied, das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement und nicht das zuständige Fachdepartement mit der Instruktion der Einsprachen und der Vorbereitung des Entscheides betraut war. Damals bestand aber - und das ist ausschlaggebend - die Möglichkeit nicht, die Rechtmässigkeit der Enteignung durch eine von der Verwaltung unabhängige richterliche Instanz überprüfen zu lassen, so dass sich das Bedürfnis ergab, im Rahmen der verwaltungsinternen Kontrolle verfahrensmässige Garantien zum Schutze der Interessen der Enteigneten zu schaffen. Dieses Bedürfnis hat mit der Ausweitung der Verwaltungsgerichtsbarkeit an Dringlichkeit verloren. Ausserdem lässt sich für die Lösung, den Einspracheentscheid im verwaltungsinternen Verfahren dem Fachdepartement zu übertragen, ein objektiver Grund anführen: Im erstinstanzlichen Verfahren ist nicht nur über Rechtsfragen, sondern auch über die Notwendigkeit und Tauglichkeit des projektierten Werkes sowie über die Angemessenheit und Zweckmässigkeit der vom Enteigner vorgesehenen Massnahmen zu befinden, über Fragen also, die das in der Sache zuständige Departement aufgrund seiner Stellung und seines Fachwissens am besten beantworten kann.
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c) Es spielt im weiteren keine Rolle, dass hier die Verwaltungsgerichtsbehörde, welcher der Einspracheentscheid zusteht, auch selbst beim Präsidenten der Eidg. Schätzungskommission um ![]() | 9 |
d) Die Behauptung der Beschwerdeführer, die umstrittene Verfahrensregelung stehe in Widerspruch zum Gewaltenteilungsprinzip, wird in keiner Weise näher begründet. Auf diese Rüge ist deshalb nicht einzutreten. Im übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Ersetzung einer Verwaltungsbehörde durch eine andere Verwaltungsbehörde zur Verwirklichung des Gewaltenteilungsgebotes beitragen könnte.
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e) Fehl geht schliesslich auch die Meinung der Beschwerdeführer, die im Enteignungsgesetz festgelegte Kompetenz- und Verfahrensordnung halte vor Art. 6 Ziff. 1 EMRK ![]() | 11 |
Zunächst ist festzuhalten, dass für das Bundesgericht kein Anlass besteht, von der auslegenden Erklärung der Schweiz abzuweichen, nach welcher die in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltene Garantie eines gerechten Prozesses nur eine letztinstanzliche richterliche Prüfung der Akte oder Entscheidungen der öffentlichen Gewalt über zivilrechtliche Rechte und Pflichten zusichert (Art. 1 lit. a des Bundesbeschlusses vom 3. Oktober 1974 über die Genehmigung der Konvention, AS 1974 S. 2149, vgl. hiezu die Botschaft des Bundesrates vom 4. März 1974, BBl 1974 I S. 1045 ff.; BGE 108 Ia 315, BGE 107 Ia 167).
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Was nun das Verfahren zur Kontrolle der Rechtmässigkeit des Enteignungseingriffes anbelangt, so kann der Entscheid der Verwaltungsbehörde über die Einsprachen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht gezogen werden. Dieses überprüft den angefochtenen Entscheid nicht nur auf Rechtsfehler einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens hin (Art. 104 lit. a OG), sondern untersucht auch den Sachverhalt ohne Einschränkung (Art. 104 lit. b, Art. 105 OG). Die Garantie eines gerechten Prozesses ist damit offensichtlich gewährt, selbst wenn man jener Lehre folgen wollte, die anzunehmen scheint, ein reines Kassationsverfahren, in welchem das Gericht keine Tatfragen überprüfen könne, vermöge den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht zu genügen (vgl. RAYMOND, La Suisse devant les organes de la CEDH, ZSR 98/1979 II S. 67-69). Daran ändert nichts, dass das Bundesgericht - was die Beschwerdeführer besonders unterstreichen - die Angemessenheit des Einspracheentscheides nicht kontrollieren kann: Art. 6 Ziff. 1 EMRK verlangt keineswegs, dass der Richter ermächtigt werde, sein eigenes ![]() | 13 |
Auch das Verfahren zur Bestimmung der Entschädigung, das hier an sich nicht umstritten ist, kann als faires Verfahren im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK gelten, da sowohl die Eidgenössischen Schätzungskommissionen wie auch das in zweiter Instanz entscheidende Bundesgericht unabhängige richterliche Behörden sind, denen in Rechts- und Sachfragen volle Überprüfungsbefugnis zusteht. Beide Teilverfahren der Enteignung bieten demnach dem Betroffenen Gewähr für einen gerechten Prozess.
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