BGE 111 Ib 308 | |||
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56. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Dezember 1985 i.S. B. gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 24 und 25 Fischereigesetz (FG), Art. 25 und 26 FPolV; Eindolung eines Baches und Rodung der Uferbestockung; Bewilligungspflicht, Interessenabwägung. | |
Sachverhalt | |
B. ist Eigentümer der landwirtschaftlichen Parzelle Nr. 1261 in Heiligenschwil, Niederglatt SG. Durch dieses Grundstück fliesst ein Bächlein mit Uferbestockung vom Gütersträsschen in nördlicher Richtung und mündet in den Heiligenschwilbach. Im Unterlauf des Bächleins wurde in früheren Jahren eine Strecke von 30 oder 40 m eingedolt, d.h. in ein Rohr gefasst. Auch der Oberlauf des Bächleins beim Gütersträsschen war vor einiger Zeit eingedolt worden; in der Folge wurde er auf einer Länge von etwa 30 m mit Aushubmaterial zugedeckt. Im Verlaufe der Jahre 1982 oder 1983 dolte B. auch den mittleren, bisher offen geführten Abschnitt von 35 oder 40 m Länge ein. Dabei entfernte er die Bäume und Sträucher der Uferpartie und schüttete das Bachbett teilweise zu. Alle diese Veränderungen wurden ohne Bewilligung vorgenommen.
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Das Finanzdepartement des Kantons St. Gallen verfügte am 24. Februar 1984 gestützt auf die Art. 24 und 25 des Bundesgesetzes über die Fischerei vom 14. Dezember 1973 (FG), B. werde die nachträgliche Bewilligung für die Eindolung des Bachlaufs und für die Uferrodung verweigert, und es verpflichtete ihn zur Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes. In teilweiser Gutheissung eines Rekurses entschied der Regierungsrat des Kantons St. Gallen am 5. März 1985, diejenigen Veränderungen, die B. vor Inkrafttreten des Fischereigesetzes, d.h. vor dem 1. Januar 1976, vorgenommen habe, seien nicht bewilligungspflichtig und könnten daher belassen werden; hingegen sei für die nach diesem Zeitpunkt erfolgten Eingriffe eine Bewilligung gemäss Art. 24 FG erforderlich. Er gelangte nach Vornahme einer Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt von Art. 25 Abs. 2 FG zum Schluss, die Interessen des Grundeigentümers erforderten die fragliche Bacheindolung und die Uferrodung nicht bzw. vermöchten gegenüber den öffentlichen Interessen am Bestehenlassen des natürlichen Zustandes nicht aufzukommen, weshalb weder eine Bewilligung für die Eindolung noch eine solche für die Uferrodung erteilt werden könne.
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B. hat gegen diesen Entscheid des Regierungsrates des Kantons St. Gallen Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
4. Der Beschwerdeführer hat die Uferbestockung des Bächleins ohne Bewilligung entfernt. Die Vorinstanz sieht darin eine Verletzung von Art. 24 Abs. 1 und 2 lit. d FG. Anderseits geniesst Waldwuchs bereits den Schutz der Forstpolizeigesetzgebung des Bundes (Art. 31 FPolG und Art. 24 ff. FPolV). Über das gegenseitige Verhältnis dieser beiden Normgruppen ist den Materialien des jüngeren FG kein Hinweis zu entnehmen. Doch ergibt sich aus Art. 21 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG) und aus der Botschaft des Bundesrates vom 12. November 1965 zu diesem Gesetz (BBl 1965 III S. 109), dass der Bundesgesetzgeber aus der Perspektive des Naturschutzes der Ufervegetation einen komplementären Schutz verschaffen wollte, der den durch das Forstrecht gewährleisteten Schutz ergänzen soll. Durch die Gesetzgebung über den Naturschutz soll also die Ufervegetation insoweit geschützt werden, als sie nicht bereits durch die Forstgesetzgebung geschützt ist. Das betrifft namentlich Schilf- und Binsenbestände, Einzelbäume und Sträucher. Handelt es sich aber um Wald im Sinne von Art. 1 FPolV, so kommt bei dessen Schutz primär die Forstgesetzgebung zur Anwendung. Soll an einem Fischgewässer eine Uferbestockung gerodet werden, die als Wald zu qualifizieren ist, so ist neben der Bewilligung nach Art. 24 FG eine solche nach Art. 25 und 26 FPolV erforderlich.
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Im zu beurteilenden Fall wurde eine geschlossene Eschenbestockung von 500 m2 Fläche und einer Breite von 12-15 m gerodet. Sowohl die Vorinstanz wie auch das EDI betrachten diese Bestockung nach der Definition von Art. 1 FPolV als Wald; Ufergehölze werden in Art. 1 Abs. 2 FPolV als Schutzobjekt ausdrücklich aufgeführt. Dieser Rechtsauffassung ist zuzustimmen (vgl. BGE 107 Ib 50 ff.). Der Beschwerdeführer bestreitet denn auch die Waldeigenschaft der eigenmächtig gerodeten Bestockung an sich nicht mehr; die gerodete Fläche blieb ungeachtet der rechtswidrigen Rodung Waldareal (BGE 110 Ib 148 E. 4, BGE 104 Ib 232 ff.). Der Einwand des Beschwerdeführers, mangels eines eigentlichen Baches könne auch von einer Uferbestockung nicht die Rede sein, geht nach dem oben Gesagten fehl. Die Bestockung wäre zudem nach der Legaldefinition in Art. 1 Abs. 1 FPolV auch dann als Wald zu behandeln, wenn sie nicht als eigentliche Uferbestockung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 FPolV zu qualifizieren wäre. Der Beschwerdeführer hat sich denn auch bereit erklärt, die gerodete Fläche nach dem Entscheid über die Bacheindolung wieder aufzuforsten.
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Die Vorinstanz hat daher zu Recht geprüft, ob das eigenmächtige Vorgehen auf Grund der materiellen Rechtslage nachträglich bewilligt werden könnte. Die Vorinstanz hat diese Frage nach Vornahme einer eingehenden Interessenabwägung verneint. Entgegen der Rüge des Beschwerdeführers hält diese Interessenabwägung, die mit Sorgfalt vorgenommen wurde und auch die Zustimmung der Fachbehörde des Bundes gefunden hat, der Überprüfung stand. Die öffentlichen Interessen an einer offenen Bachführung überwiegen die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Eindolung. Die Interessenabwägung hätte freilich nicht nur gestützt auf Art. 25 FG, sondern auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 26 FPolV vorgenommen werden sollen. Die Sistierung des forstrechtlichen Verfahrens bis zum Ausgang des fischereirechtlichen Verfahrens war fehl am Platz und verstiess gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach Interessenabwägungen umfassend und durch die nämliche Behörde vorzunehmen sind (BGE 104 Ia 181 ff.; Urteil vom 31. August 1984 i.S. der Gemeinden Wildhaus und Grabs, E. 2 am Ende). Am Ergebnis ändert dies freilich nichts, da der Regierungsrat die Schutzfunktion der Uferbestockung und deren landschaftsgestalterische Bedeutung bereits berücksichtigt hat. Der Einbezug einer umfassenden forstrechtlichen Würdigung, der im bundesgerichtlichen Verfahren nachgeholt worden ist, kann das Ergebnis der vorgenommenen Interessenabwägung nur verstärken (BGE 108 Ib 178). Die Vorinstanz hat mit Grund festgestellt, dass die vom Beschwerdeführer angestrebten Schutzmassnahmen gegen diffus abfliessendes Oberflächenwasser auch ohne Eindolung des streitigen Abschnittes erreicht werden können.
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