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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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27. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. April 1986 i.S. X. und Y. gegen Gemeinde Obfelden, Zürcher Planungsgruppe Knonaueramt, Spross Ga-La-Bau AG und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Immissionen aus dem Betrieb einer Abfalldeponie; Legitimation Dritter zur Ergreifung von Rechtsmitteln im kantonalen Beschwerdeverfahren. |
2. Die nähere Erfassung noch nicht existierender, erst zukünftiger Immissionen ist nicht eine reine Rechtsfrage, sondern wesentlich eine Frage der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes (E. 2). |
3. Anwohner einer Dorfstrasse, auf welcher der Lastwagenverkehr infolge des Betriebs einer 900 m entfernten Abfalldeponie zunimmt, sind von diesen Lärmimmissionen nicht stärker betroffen als jedermann. Sie sind deshalb nicht legitimiert, die Bau- und Betriebsbewilligung für die Abfalldeponie, welche unter anderem aufgrund von Art. 24 RPG erteilt worden ist, anzufechten (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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X. und Y. führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit dem Begehren, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Sache sei an dieses zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen. Die Beschwerdeführer machen im wesentlichen geltend, das Gericht habe ihre Legitimation im kantonalen Verfahren zu Unrecht verneint.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
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Die nähere Erfassung noch nicht existierender, erst zukünftiger Immissionen ist nicht eine reine Rechtsfrage, sondern wesentlich eine Frage der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes (vgl. dazu FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 273 ff.). Da im vorliegenden Fall ein Gericht als Vorinstanz entschieden hat, bindet dessen Sachverhaltsfeststellung das Bundesgericht, es sei denn, jenes habe diesen offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt (Art. 105 Abs. 2 OG). Dass die letztgenannte Voraussetzung zutreffe, wird nicht geltend gemacht. Es kann sich daher nur fragen, ob das Verwaltungsgericht den Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder unvollständig festgestellt hat. Das ist indessen nicht der Fall. Vorerst ist festzustellen, dass es keine bundesrechtliche Regel gibt, die bei der Ungewissheit künftiger Entwicklungen die Annahme derjenigen Variante vorschriebe, die im schlimmsten Fall zu erwarten sei. Die vom Bundesrat bei der Beurteilung der Auswirkungen von Kernkraftwerken in VPB 42/1978, Nr. 96, E. 4, S. 429 ff. angestellten Überlegungen sind nicht als solche auf die Erfassung aller zukünftiger Tatbestände anwendbar. Atomanlagen bringen spezifische Risiken mit sich und enthalten ein Gefährdungspotential für Leib und Leben der in ihrer Umgebung lebenden Menschen, das als besonders ![]() | 6 |
Hält aber die Sachverhaltsfeststellung des Verwaltungsgerichts vor Art. 105 Abs. 2 OG stand, so hat das Bundesgericht in den folgenden Erwägungen davon auszugehen, dass die zu erwartende Zunahme des Lastwagenverkehrs auf der Dorfstrasse von Obfelden weniger als einen Zehntel ausmacht, und dass die Lärmzunahme auf weniger als 5% zu veranschlagen ist.
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Nach Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen sei und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht (BGE 110 Ib 400 E. 1b, 100 E. 1a; je mit Hinweisen). Diese Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen. Ihnen kommt deshalb dann eine ganz besondere Bedeutung zu, wenn wie hier nicht der Verfügungsadressat im materiellen Sinn, sondern ein Dritter den Entscheid anficht (vgl. dazu FRITZ GYGI, Vom Beschwerderecht in der Bundesverwaltungsrechtspflege, in recht 1986, S. 8 ff., S. 9). Ist auch ![]() | 9 |
Das Bundesgericht hat bereits entschieden, die Tatsache allein, dass der Verkehr auf einer Kantonsstrasse infolge des Baus einer Autobahn und eines Halbanschlusses in 1 km Entfernung zunehmen könnte, begründe noch kein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung des Ausführungsprojektes; der Nationalstrassenbau führe bekanntlich weitherum auf dem bestehenden kantonalen und kommunalen Strassennetz zu Änderungen des Verkehrsflusses (BGE 111 Ib 290 ff.). In gleicher Weise hat es die Legitimation von Einwohnern eines Dorfes gegen einen Quartiergestaltungsplan verneint. Weder der Mehrverkehr, der durch die künftigen Bewohner des Quartierplangebietes ausgelöst wird, noch die Quartierzugehörigkeit allein vermag ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 103 lit. a OG zu begründen (ZBl 82/1981, S. 183; nicht veröffentlichte Erwägung 2b von BGE 107 Ib 112 ff.; vgl. auch BGE 111 Ib 160 E. 1b). Andererseits wird die Beschwerdebefugnis dann weit gezogen, wenn die Auswirkungen eines Werkes deutlich als solche wahrnehmbar und ohne technisch aufwendige und kostspielige Abklärungen festgestellt und von den allgemeinen Immissionen geschieden werden können (z.B. Schiessplatzlärm, BGE 110 Ib 100 E. 1c; Flugplatzlärm, BGE 104 Ib 318 E. 3b). Dabei besteht die Tendenz, materiellen Immissionen mehr Bedeutung zuzumessen als rein ideellen, d.h. diese müssen ein ungleich stärkeres Mass ![]() | 10 |
Im Lichte dieser Rechtsprechung ist der vorliegende Fall zu entscheiden. Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, sie seien von der ca. 900 m entfernten Deponie direkt betroffen. Doch stützen sie ihr Interesse an der Rekurserhebung auf ihre Betroffenheit durch den deponiebedingten zusätzlichen Lastwagenverkehr auf der Dorfstrasse, an der sie wohnen. Der Sachverhalt lässt sich somit grundsätzlich mit demjenigen in den zitierten Urteilen i.S. Nationalstrassenzubringer und Quartiergestaltungsplan vergleichen. Indessen ist zu beachten, dass der Lärm aus dem Lastwagenverkehr eine ganz bestimmte Ursache hat, nämlich den Betrieb der Abfalldeponie "Tambrig", der einen quantifizierbaren, nicht unerheblichen Schwerverkehr bedingt. Dies würde eher für eine weitherzige Anerkennung der Beschwerdelegitimation sprechen. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die beanstandeten Auswirkungen dort, wo die Beschwerdeführer wohnen, weitgehend mit den allgemeinen Strassenimmissionen vermischt sein werden. Sie wären deshalb kaum als eigenständige Belastung feststellbar. Mit zunehmender Entfernung vom Primärbetrieb nimmt diese ab, und gleichzeitig schieben sich die Auswirkungen des allgemeinen Verkehrs immer mehr in den Vordergrund. Unter diesen Umständen lässt sich nicht sagen, die Beschwerdeführer stünden in einer besonderen, beachtenswerten Beziehung zur Streitsache und hätten deshalb ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung der Bau- und Betriebsbewilligung für die Deponie "Tambrig". So wie die Dinge hier liegen, handelt es sich um ein Problem von allgemeiner Tragweite, zu dessen Lösung die politischen Behörden aufgrund ihrer Funktion und Kompetenz besser geeignet sind als die gerichtlichen Instanzen.
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