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64. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Dezember 1986 i.S. Einwohnergemeinde Dulliken gegen X. und Mitbeteiligte und Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 5 Abs. 2 RPG; materielle Enteignung. Nichteinzonung. |
2. Im vorliegenden Fall liegen keine Umstände vor, welche nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Einzonung des Landes geboten hätten; die Nichteinzonung des Grundstücks trifft die Grundeigentümer somit nicht enteignungsähnlich (E. 6). | |
Sachverhalt | |
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Die Grundeigentümer verlangten Entschädigung wegen materieller Enteignung durch Auszonung ihres Grundstücks. Die Gemeinde lehnte die Forderung im vollen Umfang ab. Die kantonale Schätzungskommission schützte indes mit Urteil vom 30. November 1982 die Klage hinsichtlich einer Teilfläche des Grundstücks, während sie die weitergehenden Forderungen abwies. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, an das beide Parteien darauf gelangten, bejahte das Vorliegen einer materiellen Enteignung hinsichtlich einer reduzierten Teilfläche. Das Bundesgericht heisst die gegen diesen Entscheid von der Gemeinde Dulliken erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut.
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Das Verwaltungsgericht hat - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - den Teilbebauungsplan "Säliblick" von 1966 als massgebende Rechtsgrundlage einer Überbauung des Grundstücks Nr. 622 anerkannt und erklärt, das von diesem Plan erfasste Gebiet sei bei Inkrafttreten des eidg. Gewässerschutzgesetzes im Jahre 1972 ohne Zweifel zur Bauzone im Sinne von Art. 19 dieses Gesetzes zu zählen gewesen. Es hat daher die mit dem Zonenplan von 1980 vorgenommene Zuweisung des Grundstücks Nr. 622 zur Landwirtschaftszone als Auszonung behandelt. Diese Rechtsauffassung ist näher zu überprüfen.
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Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung zur materiellen Enteignung verschiedentlich zum Ausdruck gebracht, für die Beantwortung dieser Frage sei von entscheidender Bedeutung, ob die vor 1972 geltende raumplanerische Ordnung des Gemeindegebietes den Anforderungen genügte, die an eine Zonenordnung gestellt werden müssen. Es entspricht dem Verfassungsauftrag von Art. 22quater Abs. 1 BV, das Baugebiet auf das mit der zweckmässigen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes vereinbare Mass zu begrenzen. Diesem Verfassungsauftrag dienen unter anderem jene bundesrechtlichen Vorschriften, welche die Begrenzung des Baugebiets auf den voraussichtlichen Bedarf von 15 Jahren verlangen (Art. 19 GSchG i.V.m. Art. 15 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972, AGSchV; Art. 5 Abs. 1 des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974; Art. 15 lit. b RPG hat diese Regelung weitergeführt). Diese Rechtsprechung ergibt sich aus BGE 112 Ib 110 ff. E. 3; BGE 109 Ib 17 E. 4a; dem Urteil vom 21. November 1984 in ZBl 86/1985 S. 212/213 E. 4 sowie aus einer Anzahl nicht veröffentlichter Entscheidungen: vom 9. Juli 1986 i.S. S. AG und M., vom 6. August 1985 i.S. T. AG, vom 19. September 1984 i.S. A. und vom 21. Dezember 1983 i.S. B. mit den dort zitierten weiteren Entscheidungen.
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Der Teilbebauungsplan von 1966 bestätigt diese Rechtslage. Er erfasst das gesamte Grundstück Nr. 622 mit seiner Fläche von gegen 20 000 m2, also nicht nur den in der 2-3geschossigen Wohnzone liegenden kleineren nördlichen Teil, sondern auch den in der Landwirtschaftszone liegenden bedeutend grösseren Teil. Zur Schaffung dieses Planes bot die Gemeinde nicht deshalb Hand, um den Grundeigentümern über den Bebauungsplan 1956 hinaus zusätzliche Baumöglichkeiten zu eröffnen. Aus der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Urteil ergibt sich vielmehr, dass die Beschwerdeführerin das Grundstück gerne von Überbauung freigehalten hätte, diese Absicht aber aus finanziellen Überlegungen ![]() | 7 |
Daraus ergibt sich, dass am 1. Juli 1972 beim Inkrafttreten des GSchG in der Gemeinde Dulliken eine raumplanerische Grundordnung, wie sie die Bundesgesetzgebung auf dem Gebiete der Raumplanung voraussetzt, nicht in Kraft stand. Die Gemeinde verfügte über keine Planung, die das Baugebiet vom Nichtbaugebiet in einer für jedermann verbindlichen Weise trennte. Die Zuweisung des Grundstücks Nr. 622 zum Landwirtschaftsgebiet im Zonenplan von 1980 bedeutete daher keine Auszonung, sondern eine Nichteinzonung und ist unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen.
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c) Das eidg. Gewässerschutzgesetz, das am 1. Juli 1972 in Kraft trat, brachte für die fragliche Liegenschaft keine Rechtslage, die eine Überbauung ohne weiteres gestattet hätte (Art. 19/20 GSchG; Art. 28 AGSchV). Aus dem Genehmigungsentscheid des Regierungsrates vom 20. März 1979 geht hervor, dass die Gemeinde Dulliken am 1. Januar 1979 4'414 Einwohner zählte, und dass nach seriöser Prognose bis 1990 mit einer Einwohnerzahl von 5'400 Personen zu rechnen ist. Das auf dem allgemeinen Bebauungsplan 1956 und dem auf diesem basierenden Teilbebauungsplan 1966 fussende generelle Kanalisationsprojekt (GKP) der Gemeinde Dulliken von 1968 war indessen nach deren unbestritten gebliebener Darstellung auf eine Bevölkerungszahl von 15'331 ausgerichtet. Dieses GKP war demnach bei weitem nicht gewässerschutzrechtskonform (Art. 15 AGSchV; vgl. hiezu BGE 106 Ia 189 ![]() | 9 |
Das an der Peripherie des Siedlungsgebietes gelegene Grundstück mit einer Fläche von gegen 20 000 m2 konnte, wie in E. 6b unten zu zeigen sein wird, in bezug auf die Abwasserentsorgung weder als erschlossen noch als vor der Erschliessung stehend gelten und war damit schon deshalb dem engeren Baugebiet im Sinne von Art. 28 AGSchV nicht zuzurechnen.
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Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass sich auch mit dem Inkrafttreten des eidg. Raumplanungsgesetzes am 1. Januar 1980 keine Überbauungsmöglichkeit der fraglichen Liegenschaft ergab, da das Gebiet mangels Erschliessung nicht als vorläufige Bauzone gemäss Art. 36 Abs. 3 RPG gelten konnte (vgl. die nicht veröffentlichten Urteile vom 9. Juli 1986 i.S. S. AG und vom 6. August 1985 i.S. T. AG).
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a) Zwar trifft es zu, dass das Grundstück Nr. 622 sich seit 1968 im Perimeter eines GKP befand. Doch wurde bereits dargelegt, dass dieses bei weitem nicht gewässerschutzrechtskonform war.
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b) Das Verwaltungsgericht hat erwogen, dass die Parzelle Nr. 622 im massgeblichen Zeitpunkt bezüglich Abwasserentsorgung für einen Vollausbau gemäss Teilbebauungsplan 1966 infolge mangelnder Kapazität der öffentlichen Anlagen (Sammelkanal ![]() | 14 |
Das Verwaltungsgericht hat indessen für den nördlichen Teil des Grundstücks entsprechend einer Grundstücktiefe von ca. 70 m ab Lehmgrubenstrasse mit einer Fläche von 3589 m2 eine Erschliessung bejaht. Es leitet dies aus dem Umstand ab, dass seit 1980 bzw. 1976 eine Anzahl anderer Anschlüsse bewilligt worden sei, in diesem Rahmen offenbar immer noch eine Kapazität vorhanden gewesen sei und sich die Beschwerdegegner aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes auf diese Bewilligungen berufen könnten. Dies trifft indessen nicht zu. Die Gemeinde begründet ihre Bewilligungspraxis mit ortsplanerischen Überlegungen. Danach erstrebte sie eine Redimensionierung des übergrossen Baugebietes. Darunter fiel auch das an der Peripherie liegende Grundstück Nr. 622, dessen Nichtüberbauung sich schon mit Rücksicht auf das Landschaftsbild empfahl (vgl. Genehmigungsentscheid des Regierungsrates vom 20. März 1979). Anderseits wurden im nordwestlich benachbarten Gebiet "Lehmgrube" Baubewilligungen erteilt. Dieses Gebiet war bereits aufgrund eines privaten Überbauungsplans weitgehend strassenerschlossen und teilweise schon überbaut. Die Gemeinde führt dazu aus, es habe sich nur noch darum gehandelt, bestehende Baulücken zu füllen. Ihre Überlegungen sind sachlich haltbar und lassen eine Ungleichbehandlung gegenüber Grundstück Nr. 622 als hinlänglich gerechtfertigt erscheinen.
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d) Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass sich eine Einzonung des Grundstückes Nr. 622 bzw. von dessen nördlichem Teil sachlich nicht aufdrängte. Unter diesen Umständen bleibt lediglich zu prüfen, ob im vorliegenden Fall das Vertrauen, das mit der Zonenordnung 1956 und dem Teilbebauungsplan 1966 begründet wurde, die Einweisung in die definitive Bauzone zwingend geboten hätte, so dass die Grundeigentümer mit der Möglichkeit der Überbauung ihres Grundstückes in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit rechnen durften (BGE BGE 108 Ib 349 E. 4d mit Hinweis). Eine solche Annahme wäre etwa dann begründet, wenn die Gemeinde eine Umteilung des Grundstückes in das Baugebiet 1. Etappe oder die Erstellung bzw. den Ausbau der noch fehlenden Erschliessungsanlagen, insbesondere der Kanalisation, für die nahe Zukunft in Aussicht gestellt hätte. Dass dies der Fall wäre, machen indessen die Grundeigentümer selber nicht geltend. Da das Grundstück nicht in der 1. Bauetappe, sondern teils in der 2. Bauetappe, teils in der Landwirtschaftszone lag, mussten sie sich der Ungewissheit ihrer Bauaussichten bewusst gewesen sein. Da kein Eigentümer damit rechnen kann, dass selbst eine definitive Zoneneinteilung auf alle Zeiten bestehen bleibt (BGE 105 Ia 337 /338 E. 3d mit Hinweisen), muss der Eigentümer eines am Rande des überbauten Gebietes gelegenen und lediglich einem Baugebiet 2. Etappe zugewiesenen Grundstücks umso eher damit rechnen, dass ein altrechtlicher, ohne Erschliessungsmassnahmen nicht realisierbarer Teilbebauungsplan sowie der Einschluss des Gebiets in ein klarerweise viel zu gross bemessenes GKP mit Rücksicht auf eine Änderung der Rechtslage, auf veränderte Verhältnisse und neue Erkenntnisse, nach denen sich die Ortsplanung zu richten hat, hinfällig wird.
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Die Grundeigentümer trafen denn auch keine auf Vertrauen basierenden Vermögensdispositionen. Sie kehrten für die grundstücksinterne Erschliessung nichts vor. Sie manifestierten aber auch keine Bauabsichten; sie erklären vielmehr selber, dass sie bis zu ihrem Baugesuch von 1975 keine unmittelbare Bauabsicht gehabt hätten. Das Verwaltungsgericht führt aus, dass eine Überbauung nur nach Massgabe des Teilbebauungsplans in Frage gekommen, dass anderseits freilich eine etappenweise Überbauung von Norden nach Süden zulässig gewesen wäre. Wie es sich damit verhält, kann offengelassen werden. Das Baugesuch von 1975 sah ![]() | 18 |
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