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66. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. Oktober 1986 i.S. Stockwerkeigentümergemeinschaft Uto-Ring und Mitbeteiligte gegen Capaul Bau AG, Gemeinde Flims und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Bau einer Quartierstrasse aufgrund eines Strassenplans und Bewilligungen gemäss Art. 24 RPG, 26 FPolV, Art. 24 des Bundesgesetzes über die Fischerei (FG) und Art. 22 NHG. |
2. Verhältnis zwischen dem Genehmigungsverfahren bei Strassenplänen und den Bewilligungsverfahren nach Art. 26 FPolV, 24 FG und 22 NHG (E. 2b und c) und Ausgestaltung dieser Bewilligungsverfahren (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Am 15. Februar 1983 reichte die Capaul Bau AG, Flims, als Eigentümerin eines Teils des zu erschliessenden Gebietes der Baubehörde Flims ein Baugesuch für die Erstellung der Via Lanezzi ein. Das Ausführungsprojekt sieht vor, auf einer Fläche von 1675 m2 die Bestockung im Bachgraben zu entfernen, den La Val-Bach in eine Röhre zu verlegen, anschliessend den Bachgraben einzudecken und darauf die neue Erschliessungsstrasse zu erstellen. Gegen dieses Projekt erhoben u.a. die Stockwerkeigentümergemeinschaft Uto-Ring, die Stockwerkeigentümergemeinschaft Casa Arcula und Elisabeth Hotz am 29. Juni 1983 Einsprache bei der Baubehörde Flims.
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Die Gemeindebehörde wies am 1. Oktober 1985 die Einsprachen der benachbarten Grundeigentümer ab, soweit sie darauf eintrat, und erteilte für das Strassenprojekt Via Lanezzi die Baubewilligung unter dem Vorbehalt des Landerwerbs und der Erteilung der erforderlichen Rodungsbewilligung für 1675 m2 bestockte Fläche.
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Hiegegen erhoben die Stockwerkeigentümergemeinschaften Uto-Ring und Casa Arcula sowie Elisabeth Hotz Rekurs an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Zur Begründung machten sie geltend, die Via Lanezzi komme ins übrige Gemeindegebiet zu liegen, weshalb vorerst ein Zustimmungsverfahren gemäss Art. 2 der kantonalen Verordnung über Bewilligungen für Bauten ausserhalb der Bauzonen und über Planungszonen vom 28. Januar 1980/25. Mai 1981 und 13. Dezember 1982 (BAB) durchzuführen sei. Zudem beeinträchtige das Strassenprojekt das Orts- und Landschaftsbild und laufe den Anliegen des Natur- und Heimatschutzes zuwider. Auch bestehe für den Bau der Quartierstrasse keine Notwendigkeit. Im übrigen hätte vor Erteilung der ![]() | 4 |
Die gegen diesen Entscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde heisst das Bundesgericht im Sinne der Erwägungen gut.
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Aus den Erwägungen: | |
1. a) Gemäss Art. 34 Abs. 1 RPG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unter anderem gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Bewilligungen im Sinne von Art. 24 RPG zulässig. Im vorliegenden Fall vertreten die Beschwerdeführerinnen die Auffassung, die streitige, im übrigen Gemeindegebiet gelegene Quartierstrasse bedürfe - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG. Sie rügen demnach, das Verwaltungsgericht habe Art. 24 RPG zu Unrecht nicht angewendet. Diese Rüge ist im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (BGE 108 Ib 380 E. 1a; BGE 105 Ib 107 E. 1a mit Hinweisen). Da die Beschwerdeführerinnen überdies als Anstösser der projektierten ![]() | 6 |
b) Strassenpläne stellen Sondernutzungspläne im Sinne des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes dar (vgl. BGE 111 Ib 14 /15 E. 3b mit Hinweisen). Für die hier zur Diskussion stehende Strassenplanung der Gemeinde Flims ist dies vom Bundesgericht in den beiden nicht veröffentlichten Urteilen vom 29. Mai 1985 i.S. Stockwerkeigentümergemeinschaft Uto-Ring und Mitbeteiligte und vom 21. Mai 1986 i.S. R. ausdrücklich festgehalten worden. Während die Rahmennutzungspläne den umfassenden Grund der zugelassenen Nutzungen legen, gestalten die Sondernutzungspläne sie aus oder schaffen davon abweichende Regelungen (EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, N. 2 der Vorbemerkungen zu Art. 14-20 RPG). Der von einem Strassenplan erfasste Boden erhält eine besondere Zweckbestimmung, die sich von derjenigen des von der Strasse durchquerten Bodens unterscheidet. Mit dem Bau der Strasse wird dieser Sondernutzungsplan verwirklicht; da es hiebei gerade nicht um eine Abweichung von einer Nutzungszone geht, liegt ein Anwendungsfall von Art. 24 RPG klarerweise nicht vor. In diesem Sinn hat das Bundesgericht denn auch bereits in BGE 112 Ib 166 /167 E. 2b entschieden. Dass es sich in jenem Fall um eine Kantonsstrasse handelte, während hier eine Quartierstrasse zur Diskussion steht, ist raumplanungsrechtlich ohne Belang.
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c) Die Beschwerdeführerinnen scheinen nicht geltend machen zu wollen, für das Strassenprojekt habe, obwohl es nach dem Gesagten keiner Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG bedurfte, trotzdem die Zustimmung des kantonalen Departementes des Innern und der Volkswirtschaft eingeholt werden müssen. Eine solche Rüge wäre auch unbegründet. Gemäss Art. 25 Abs. 2 RPG sind lediglich Ausnahmen nach Art. 24 RPG durch eine kantonale Behörde oder mit deren Zustimmung zu bewilligen. Diese Vorschrift selber verlangt nicht, dass alle Gesuche für Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen der zuständigen kantonalen Behörde übermittelt werden. Dafür hat allenfalls kantonales Recht zu sorgen (EJPD/BRP, a.a.O., N. 8 zu Art. 25 RPG). Im Kanton Graubünden sind zwar denn auch die zonenkonformen Vorhaben dem kantonalen Prüfungsverfahren unterstellt (Art. 2 und 4 BAB), und ![]() | 8 |
d) Zusammenfassend ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht im Ergebnis (vgl. dazu BGE 108 Ib 30 E. 1 mit Hinweis) davon ausgehen durfte, für das Detailprojekt der Lanezzistrasse habe sich ein kantonales Zustimmungsverfahren und die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG erübrigt.
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Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens ist einzig der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 15. Januar 1986. Darin wurde auf die erwähnten Argumente der Beschwerdeführer in der Tat nicht eingetreten. Soweit die Beschwerdeführerinnen sinngemäss geltend machen, durch diesen Nichteintretensentscheid werde die Anwendung von Bundesverwaltungsrecht ausgeschlossen, ist dies im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (vgl. BGE 103 Ib 146 E. 2a mit Hinweisen); die Beschwerdeführerinnen sind durch diesen Entscheid beschwert und demnach gemäss Art. 103 lit. a OG beschwerdebefugt. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist deshalb auch insoweit einzutreten.
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b) Nach der unbestrittenen Darstellung im angefochtenen Entscheid sieht das Ausführungsprojekt für die Lanezzistrasse vor, ![]() | 12 |
c) Das Bundesgericht hat sich in BGE 106 Ib 41 ff. über das Verhältnis von Plangenehmigungs- und Rodungsbewilligungsverfahren bei Strassen ausgesprochen. Es hat erwogen, dass die Rodungsbewilligungsbehörden nicht die Befugnis hätten, sich in alle Einzelheiten der Strassenprojektierung einzumischen. Sie dürften nur dann die Standortgebundenheit eines rechtskräftig beschlossenen öffentlichen Strassenwerks verneinen und die Rodungsbewilligung verweigern, wenn die Baubehörden die Strassenplanung im Hinblick auf den vom Gesetz geforderten Schutz des Waldes offensichtlich mit ungenügender Sorgfalt durchgeführt hätten, insbesondere wenn sie in dieser Hinsicht entweder überhaupt keine Überlegungen oder nur solche angestellt hätten, die ohne weiteres als unsachgemäss erkennbar seien (a.a.O., S. 44 E. 2). Diese Grundsätze lassen sich auch auf das Verhältnis Plangenehmigung - Bewilligungen nach Fischerei- bzw. Natur- und Heimatschutzgesetz übertragen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lässt sich indessen im vorliegenden Fall nicht mit Grund sagen, die Regierung des Kantons Graubünden habe die entsprechenden Belange bereits im Plangenehmigungsverfahren umfassend geprüft. Jedenfalls fehlt dafür in den Akten (namentlich in den Plangenehmigungsbeschlüssen) jeder Anhaltspunkt. Das Verwaltungsgericht ist daher auf die diesbezüglichen Einwendungen der Beschwerdeführer, soweit diese die generelle Linienführung der ![]() | 13 |
d) In gleicher Weise fehl geht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, insoweit sich die Beschwerdeführerinnen mit den erwähnten Vorbringen gegen das Ausführungsprojekt wendeten, könne darauf mangels Legitimation nicht eingetreten werden, da die angerufenen Vorschriften grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung besässen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dürfen die Kantone für Streitigkeiten, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden können, auf kantonaler Ebene an die Beschwerdebefugnis nicht strengere Anforderungen stellen, als sie Art. 103 lit. a OG für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorsieht (BGE 109 Ib 216 E. 2b; BGE 104 Ib 248 E. 4 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer sind im Sinne dieser Vorschrift als direkte Anstösser ohne Zweifel berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung der Baubewilligung. Nachbarbeschwerden gegen Baubewilligungen zählen zu den typischen Tatbeständen von Drittbeschwerden, auf welche grundsätzlich einzutreten ist (BGE 110 Ib 147 E. 1b; BGE 104 Ib 253 ff. E. 7, je mit Hinweisen; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 158).
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Nach dem Gesagten ist auf die Rügen der Beschwerdeführerinnen, die im Zusammenhang mit den Bewilligungen nach Art. 24 FG und Art. 22 NHG mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht werden können (Art. 104 OG), im entsprechenden kantonalen Verfahren einzutreten. Wie es sich mit den übrigen, nicht geprüften Einwendungen verhält, ist hier nicht zu entscheiden. Hätten die Beschwerdeführerinnen den Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts auch diesbezüglich beanstanden wollen, hätten sie sich mittels einer staatsrechtlichen Beschwerde über eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beklagen müssen. Eine solche Rüge erheben sie indessen nicht, jedenfalls nicht in einer Art. 90 Abs. 1 lit. b OG auch nur einigermassen genügenden Form.
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e) In der Baubewilligung vom 1. Oktober 1985 für die Lanezzistrasse ist von der Baubehörde Flims einzig die Rodungsbewilligung und der Landerwerb vorbehalten worden. Nach den vorstehenden Erwägungen ist für das Bauvorhaben darüber hinaus eine Bewilligung nach Art. 24 FG und Art. 22 NHG erforderlich. Bei dieser Sachlage hätten diese beiden Bewilligungen ebenfalls vorbehalten werden müssen, wobei sich fragen liesse, ob die Erteilung ![]() | 16 |
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Das projektierte Bauvorhaben wird den für die Erteilung der fischerei- und naturschutzrechtlichen Bewilligungen sowie der Rodungsbewilligung zuständigen Behörden zu unterbreiten sein. Dabei wird allenfalls in Anwendung des Fischerei- und des Natur- und Heimatschutzgesetzes eine einheitliche Bewilligung erteilt werden können (BGE 107 Ib 152 E. 3a). Soweit in diesem Zusammenhang eine Abwägung der Gesamtinteressenlage (Art. 25 Abs. 2 FG) erforderlich ist, werden darin alle in Frage kommenden Interessen zu berücksichtigen und daher auch der Gesichtswinkel von Art. 26 FPolV zu beachten sein (vgl. BGE 111 Ib 311 E. 5 mit Hinweisen). Dabei ist für die Erteilung der fischerei- und naturschutzrechtlichen Bewilligung nicht das Vorliegen einer definitiven Rodungsbewilligung gefordert. Hingegen muss feststehen, dass die Verwirklichung des Werkes einem das Interesse an der Walderhaltung überwiegenden Bedürfnis entspricht (Art. 26 Abs. 1 FPolV).
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