![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. November 1987 i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen X, Militärverwaltung Basel-Landschaft und Rekurskommission Baselland (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 Abs. 1 lit. b, Art. 7 Abs. 2 lit. a MPG, Art. 1 Abs. 1 Ziff. 2 MPV; Ersatzbefreiung wegen einer durch freiwilligen Militärdienst bewirkten Gesundheitsschädigung, welche die Dienstuntauglichkeit zur Folge hat. |
2. Art. 1 Abs. 1 Ziff. 2 MPV; Gesetzmässigkeit dieser Verordnungsbestimmung. Es widerspricht Art. 7 Abs. 2 lit. a MPG, wenn die Ersatzbefreiung wegen einer bei der Leistung freiwilligen Militärdienstes erlittenen Gesundheitsschädigung von der Voraussetzung abhängt, dass die betreffende Dienstleistung nach den militärischen Kontrollvorschriften im Dienstbüchlein eingetragen wird (E. 4). |
3. Art. 7 Abs. 2 lit. a MPG; Kurse für fliegerische Vorschulung. Der Besuch solcher Kurse stellt keine freiwillige Dienstleistung im Sinne dieser Bestimmung dar und kann somit keinen Grund für die Ersatzbefreiung bilden (E. 4 und 5). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Gegen die Verfügungen zur Veranlagung zum Militärpflichtersatz der Jahre 1982 bis 1984 erhob der Wehrpflichtige Einsprache mit dem Antrag, ihn nach Art. 7 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz (MPG; SR 661) zu befreien. Die Einsprache blieb ohne Erfolg. Die Steuerrekurskommission Baselland hiess die hierauf erhobene Beschwerde gut und befreite den Wehrpflichtigen vom Militärpflichtersatz der Jahre 1982 bis 1984.
| 2 |
Das Bundesgericht schützt die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung gegen diesen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
| 3 |
Auszug aus den Erwägungen: | |
4 | |
![]() | 5 |
Die Ersatzbefreiung als Ausnahme von der Abgabepflicht besteht aber nicht wegen des Schadens, den der Wehrmann durch die dienstlich bewirkte Gesundheitsschädigung erlitten hat. Diesen Schaden hat gegebenenfalls die Militärversicherung zu decken. Sie bezweckt auch nicht einen Ausgleich des wirtschaftlichen Nachteils der Gesundheitsschädigung durch geleisteten Militärdienst. Der Grund für die Ersatzbefreiung bei einer durch Militärdienst erworbenen Dienstuntauglichkeit liegt vielmehr in der Annahme, dass in der durch den Militärdienst erlittenen Gesundheitsschädigung eine Form der Erfüllung der Wehrpflicht erblickt werden kann und eine zusätzliche Belastung durch die Verpflichtung zur Leistung der Ersatzabgabe deshalb weder billig noch gerecht wäre (JEGER, Das Recht der schweizerischen Militärpflichtersatzabgabe, Berner Diss. 1942, S. 63; vgl. auch WALTI, Der schweizerische Militärpflichtersatz, Zürcher Diss. 1979, S. 88). Gibt aber das dienstlich erworbene Leiden Anspruch auf Ersatzbefreiung, so wäre es unbillig, wenn nur besoldete Dienstleistungen, nicht aber freiwillige, in den Formen des Militärdienstes geleistete Ausbildungsdienste berücksichtigt würden. Deshalb sind nach Art. 7 Abs. 2 lit. a MPG die freiwilligen (unbesoldeten) "militärisch organisierten und geleiteten" Ausbildungskurse und Wettkämpfe ersatzrechtlich dem obligatorischen Militärdienst gleichgestellt (Bundesrat in Botschaft, a.a.O. S. 375).
| 6 |
b) Es ist unbestritten und steht fest, dass das Leiden des Beschwerdegegners, das seine beschränkte Diensttauglichkeit zur Folge hatte, durch den Unfall verursacht wurde, den er im Jahre 1976 im Rahmen der fliegerischen Vorschulung für Fallschirmgrenadiere erlitt. Einzig streitig ist, ob es sich beim besuchten freiwilligen Kurs um einen "militärisch organisierten und geleiteten" Ausbildungskurs ![]() | 7 |
8 | |
Im Gesetz gelten:
| 9 |
1. (...)
| 10 |
2. als freiwilliger und ohne Sold geleisteter Militärdienst (Art. 7 Abs. 2 Bst. a des Gesetzes):
| 11 |
jede unbesoldete Dienstleistung, die nicht unter Art. 7 Abs. 3 des Gesetzes fällt und die im Dienstbüchlein einzutragen ist;
| 12 |
3. (...)
| 13 |
b) Das Bundesgericht kann Verordnungen des Bundesrates auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen. Bei Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, eine bestimmte Regelung zu treffen oder von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit einer solchen, in der Verordnung enthaltenen Regelung (BGE 110 Ib 250 f. E. 3a, mit Hinweisen).
| 14 |
c) Der Bundesrat hat in Art. 1 Ziff. 2 MPV die Ersatzbefreiung wegen Gesundheitsschädigung durch freiwillig geleisteten Dienst (Art. 7 Abs. 2 lit. a MPG) davon abhängig gemacht, dass die Dienstleistung, welche die Gesundheitsschädigung bewirkt hat, im Dienstbüchlein einzutragen ist. Fraglich ist jedoch, ob die Pflicht zur Eintragung der Dienstleistung im Dienstbüchlein als Kriterium für die Ersatzbefreiung genügt. Dies erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil ein Zusammenhang zwischen dem militärischen Kontrollwesen bzw. der Pflicht zur Eintragung der Dienstleistung im Dienstbüchlein und dem Militärpflichtersatz nicht besteht.
| 15 |
Hinzu kommt, dass im hier massgebenden Zeitraum (d.h. bis zum Erlass der Kontrollverordnung vom 29. Oktober 1986, AS 1986, 2353) nicht der Bundesrat, sondern das Eidgenössische Militärdepartement bestimmt hat, welche freiwilligen Dienstleistungen im Dienstbüchlein einzutragen sind. Dabei fällt auf, dass das Departement den Katalog der eintragungspflichtigen Dienstleistungen wiederholt geändert hat, ohne dass eine Änderung der ersatzrechtlichen ![]() | 16 |
Dem Sinn des Gesetzes entspricht es folglich nicht, wenn für die Frage der Ersatzbefreiung nach Art. 7 Abs. 2 lit. a MPG darauf abgestellt wird, ob nach den massgebenden Kontrollbestimmungen des Eidgenössischen Militärdepartements die betreffende Dienstleistung im Dienstbüchlein einzutragen sei oder nicht. Massgebend für die Befreiung des Beschwerdegegners vom Militärpflichtersatz kann somit einzig sein, ob es sich bei dem in Frage stehenden Kurs um einen "militärisch geleiteten und organisierten", d.h. in den Formen des Militärdienstes geleisteten Ausbildungsdienst handelt (Art. 7 Abs. 2 lit. a MPG).
| 17 |
18 | |
Ein militärischer Charakter der fliegerischen Vorschulung ergibt sich ferner allenfalls daraus, dass die Teilnehmer solcher Kurse ![]() | 19 |
b) Das allein genügt indessen nicht, um die fliegerische Vorschulung als freiwilligen, in den Formen des Militärdienstes geleisteten Ausbildungsdienst bezeichnen zu können. Die Vorschulung erfolgt in hiezu geeigneten Schulen der Privatluftfahrt (wobei die administrative Leitung dem Aero-Club der Schweiz obliegt, Art. 2 des zitierten BB); sie wird vom Bund lediglich überwacht (Art. 4 Abs. 1 BB). Auch sind die Teilnehmer solcher Kurse - anders als in dem vom Bundesgericht in BGE 60 I 280 ff. beurteilten Fall - nicht zur Tragung der Uniform verpflichtet und nicht dem Militärstrafrecht und der militärischen Disziplin unterworfen.
| 20 |
Trotz eines militärischen Charakters handelt es sich bei der fliegerischen Vorschulung deshalb nicht um einen in den Formen des Militärdienstes geleisteten Ausbildungsdienst. Der Gesetzgeber hat die ersatzrechtlich massgebenden freiwilligen Dienstleistungen bewusst auf die "militärisch organisierten und geleiteten" Ausbildungskurse (und Wettkämpfe) beschränkt und damit die militärtechnische Vorbildung davon ausgenommen. Dieser Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung in Art. 7 Abs. 2 lit. a MPG kann nicht durch eine extensive Interpretation ausgedehnt werden.
| 21 |
c) Ob es sich rechtfertigen würde, die Ausnahmeregelung über die Ersatzbefreiung bei dienstlicher Gesundheitsschädigung auf gewisse nicht militärisch organisierte und geleitete Ausbildungskurse auszudehnen, die - wie die fliegerische Vorschulung - für die Teilnehmer besondere Risiken und Gefahren mit sich bringen, ist eine Frage des Regelungsermessens, das dem Gesetzgeber zusteht. Nach der geltenden gesetzlichen Ordnung ist es jedenfalls ausgeschlossen, die militärtechnische Vorbildung ersatzrechtlich dem freiwilligen Militärdienst (Art. 7 Abs. 2 lit. a MPG) gleichzustellen. Der Beschwerdegegner kann deshalb wegen seiner im Rahmen der fliegerischen Vorschulung erworbenen teilweisen Dienstuntauglichkeit vom Militärpflichtersatz nicht befreit werden.
| 22 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |