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18. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Juni 1988 i.S. Erika Oggier-Kummer und Mitbeteiligte gegen Munizipalgemeinde Bitsch und Justiz-, Polizei- und Militärdepartement des Kantons Wallis (Verwaltungsgerichtsbeschwerden) | |
Regeste |
Bau einer Gemeindeschiessanlage; Bewilligungsverfahren. |
2. Die Prüfung der Frage, ob sich eine Örtlichkeit in schiesspolizeilicher Hinsicht für eine Schiessanlage eigne, hat im Rahmen der gesamthaften Beurteilung des Bauprojektes im Baubewilligungsverfahren, gegebenenfalls bei der umfassenden Interessenabwägung nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG zu erfolgen (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Mit Verfügung vom 7. Oktober 1987 wies der Stellvertreter des Vorstehers des Justiz-, Polizei- und Militärdepartementes des Kantons Wallis die Einsprachen ab, soweit er auf sie eintrat, und genehmigte die Schusslinie der Munizipalgemeinde Bitsch. Die Verfügung enthält unter Hinweis auf Art. 26 der eidgenössischen Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst vom 29. November 1935 (SR 512.31) die Rechtsmittelbelehrung, dass sie innert 30 Tagen an das Eidgenössische Militärdepartement weitergezogen werden könne. Hievon machten Erika Oggier-Kummer und Mitbeteiligte Gebrauch. Das Eidgenössische Militärdepartement gelangte hierauf mit Schreiben vom 8. Januar 1988 an das Bundesamt für Justiz, da es seine Zuständigkeit für die Beurteilung der Beschwerden verneinte. Es handle sich - so die Ansicht des Departements - nicht um Beschwerden im Sinne von Art. 26 der Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst. Diese Bestimmung ![]() | 2 |
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eröffnete hierauf mit dem Bundesgericht einen Meinungsaustausch über die Frage, wer zur Beurteilung der Beschwerden zuständig sei. Es wies darauf hin, dass die Erstellung des Schiessplatzes, der in der Landwirtschaftszone errichtet werden solle, eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) benötige. Mit dem Hinweis auf BGE 112 Ib 39 ff. vertrat es die Auffassung, dass das Bundesgericht zuständig sei. Mit Antwort vom 10. März 1988 schloss sich der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung dieser Auffassung an.
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Das Bundesgericht nimmt die Eingaben als Verwaltungsgerichtsbeschwerden entgegen und heisst diese gut, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Wie in dem zwischen dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und dem Bundesgericht durchgeführten Meinungsaustausch festgestellt wurde, stellen Streitfragen über die Zulässigkeit neuer Schiessanlagen keine "Anstände betreffend Anweisung und Benützung von Schiessplätzen" im Sinne von Art. 26 der Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst dar. Das Eidgenössische Militärdepartement ist daher zur Beurteilung der Beschwerden nicht zuständig.
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b) Die Zuständigkeit des Bundesrates zur Beschwerdebeurteilung wäre gegeben, wenn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus ![]() | 7 |
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Das Justiz-, Polizei- und Militärdepartement anerkennt, dass das Verfahren nicht genau gemäss dem in Art. 10 ff. des Staatsratsbeschlusses vorgesehenen Verfahren durchgeführt worden sei, ist jedoch der Meinung, die Einsprecher hätten deswegen keinen Rechtsnachteil erlitten. Dieser Auffassung kann kaum gefolgt werden, ergibt sich doch aus den Akten, dass nicht nur am 12. September 1984 - somit vor der am 15. Februar 1985 erfolgten Auflage des Schusslinienplanes - Lärmmessungen durchgeführt wurden, sondern auch noch während der Hängigkeit des Rekursverfahrens vor dem Justiz-, Polizei- und Militärdepartement am 29. August 1986. Es ging dabei um eine Lärmanalyse im Sinne einer Beweiserhebung. Diese hätte den Einsprechern zur Stellungnahme zugestellt werden müssen (BGE 104 Ia 71 E. 3b mit Hinweisen). Doch kann die Frage offengelassen werden, ob die Beschwerden bereits aus diesem Grunde gutzuheissen sind, ergibt sich doch aus den ![]() | 9 |
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a) Bereits die in Art. 37 Abs. 1 der Bauverordnung aufgeführten Beispiele von Spezialbewilligungen - Konzessionen, Patente etc. - weisen darauf hin, dass sich diese Bewilligungen nicht auf Teilfragen eines Bauvorhabens, welche notwendigerweise für die Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit abgeklärt werden müssen, beziehen können; andernfalls würde in unsachgemässer Weise Zusammengehörendes in Teilbereiche getrennt, die nur im Rahmen der gesamthaften Beurteilung des Vorhabens richtig geprüft werden können. Gemäss dem angefochtenen Entscheid erstreckt sich die Beurteilung der Schusslinie namentlich auf schiesspolizeiliche Fragen. Zu diesen Fragen zählt jedoch auch die Lärmbelastung, welche der Schiessbetrieb auslöst. Deren Beurteilung setzt notwendigerweise die Kenntnis des Projektes voraus, da sie entscheidend von der baulichen Gestaltung des Schiessstandes, von dessen Grösse sowie von der Anzahl der Schiesstage abhängt.
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b) Es trifft zu, dass der angeführte Beschluss des Staatsrates vom 16. Februar 1977 über die Schiessvereine und die Aufsicht des Schiesswesens davon ausgeht, dass die Schusslinie vom Militärdepartement in dem in Art. 10 ff. vorgesehenen Verfahren festgelegt wird. Doch stellt diese Festlegung - wie dargelegt - keine mit Beschwerde an das Eidgenössische Militärdepartement anfechtbare Verfügung dar. Sie hat sich vielmehr richtigerweise in das Baubewilligungsverfahren einzufügen, für welches sie eine Grundlage für die gesamthafte Beurteilung des Projektes bildet. Nur ein solches Vorgehen vermag den Anforderungen des nach Erlass des ![]() | 12 |
c) Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Raumplanung am 1. Januar 1980 verlangt das Bundesrecht eine Baubewilligung für Gemeindeschiessanlagen (Art. 22 RPG). Werden solche Anlagen ausserhalb der Bauzone erstellt, bedürfen sie einer Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG. Voraussetzung der Bewilligung bildet nicht nur, dass ein Standort ausserhalb der Bauzonen erforderlich ist, sondern auch, dass keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. Ob dies zutrifft, kann nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden, welche die schiesspolizeilichen Sicherheitsanforderungen einzubeziehen hat. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Anlage den umweltschutzrechtlichen Belangen gemäss dem am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Bundesgesetz über den Umweltschutz Rechnung trägt, wie dies das Bundesgericht bereits im angeführten Fall BGE 112 Ib 39 ff. festgestellt hat. Die Abklärungen für die Beurteilung der zu erwartenden Lärmbelastung haben im einzelnen den Anforderungen der Lärmschutzverordnung vom 15. Dezember 1986 zu entsprechen (Anhang 7, Belastungsgrenzwerte für den Lärm von Schiessanlagen).
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d) Im vorliegenden Falle weist das Justiz-, Polizei- und Militärdepartement in seiner Vernehmlassung vom 29. April 1988 zutreffend darauf hin, dass die angefochtene Verfügung kein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 34 RPG darstelle, wenn die Festlegung der Schusslinie nicht als selbständig anfechtbarer Entscheid im Sinne von Art. 26 der Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst betrachtet werden könne. Es ergibt sich hieraus jedoch nicht die Unzulässigkeit der Beschwerden, da die Verfügung als letztinstanzlicher kantonaler Entscheid erlassen wurde. Da dies nicht angeht, weil die schiesspolizeilichen Anforderungen in die gesamthafte planungs- und baurechtliche Beurteilung des Vorhabens einbezogen werden müssen, ist der angefochtene Entscheid vielmehr aufzuheben.
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e) Aus diesem Ergebnis darf nicht gefolgert werden, dass eine kantonale Regelung, welche vorsieht, dass die Behörden des Kantons einen Grundsatzentscheid über die Eignung einer Örtlichkeit als Schiessanlage zu fällen haben, unzulässig sei. Hingegen hat ein solcher Entscheid unter Vorbehalt des Baubewilligungsverfahrens, in welchem die Betroffenen ihre Rechte in umfassender Weise wahren können, zu ergehen. Über allfällige Einsprachen hat somit ![]() | 15 |
f) Da die angefochtene Verfügung aus den dargelegten Gründen aufgehoben werden muss, ist auf die in den Beschwerden erhobenen Rügen betreffend der Lärmbelastung und der mangelnden Eignung des Geländes für den Schiessstand nicht einzutreten. Die entsprechenden Rügen sind zunächst im kantonalen Baubewilligungsverfahren zu prüfen.
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