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27. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. April 1988 i.S. Erbengemeinschaft J. gegen Stadt Schaffhausen und Obergericht des Kantons Schaffhausen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 5 Abs. 2 RPG; Übernahme von in die Zone für öffentliche Bauten umgeteilten Grundstücken, Verzinsung der Entschädigung. | |
Sachverhalt | |
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Im Verfahren vor Obergericht schlossen die Parteien am 30. April 1987 einen Vergleich, gemäss dem sich die Stadt Schaffhausen verpflichtete, das Grundstück zum Preis von Fr. 145.--/m2 zu übernehmen. Zahlung und Eigentumsübergang erfolgten am 10. Juni 1987. Hinsichtlich der Frage der Zinspflicht kam keine Einigung zustande und wurde das Verfahren fortgesetzt. Mit Entscheid vom 16. Oktober 1987 wies das Obergericht den Antrag der Grundeigentümerin auf Verzinsung des Übernahmepreises ab. Gegen diesen Entscheid hat die Erbengemeinschaft J. Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht hätte bei der Entschädigungsfestsetzung nicht die für die formelle Enteignung geltenden Regeln, sondern jene für die materielle Enteignung beiziehen und deshalb die Verzinsung des Übernahmepreises anordnen müssen; in der Verneinung der Zinspflicht liege ein Verstoss gegen den Anspruch der Grundeigentümerin auf volle Entschädigung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG). Ob sich eine Verfügung zu Unrecht nur auf kantonales Recht stütze und Bundesrecht missachtet worden sei, ist grundsätzlich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen (BGE 112 Ib 165 f. 237 E. 2a). Dies gilt in raumplanerischen Belangen aufgrund der ausdrücklichen Bestimmung von Art. 34 Abs. 1 RPG ![]() | 3 |
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"Die Gemeinden sind befugt, bestimmte Gebiete für künftige öffentliche Bauten und Anlagen, wie Schulhäuser, Verwaltungsgebäude, Kirchen, Friedhöfe oder Park-, Spiel- und Sportplätze sowie Grünflächen, auszuscheiden. Auf diesen Gebieten dürfen keine privaten Bauten erstellt werden. Zulässig sind nur solche bauliche Massnahmen, die zum Unterhalt der bestehenden Gebäude notwendig sind.
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Vom Tage der Genehmigung des Zonenplanes an können die betroffenen Grundeigentümer durch schriftliche Bekanntgabe ihres Angebotes die Eigentumsübertragung des Landes verlangen, das im Zonenplan für Bauten und Anlagen im Sinne von Abs. 1 reserviert ist. Der Gemeinde steht das gleiche Recht zu, sobald die Projekte für diese Bauten und Anlagen genehmigt und die erforderlichen Kredite bewilligt sind. Kommt zwischen den Grundeigentümern und der Gemeinde keine Einigung zustande, so ist die Enteignung durchzuführen. Das Enteignungsverfahren beschränkt sich auf die Behandlung der angemeldeten Forderungen."
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b) Das kantonale Enteignungsgesetz vom 21. Dezember 1964 (kEntG) wurde anlässlich der Revision vom 4. Juni 1984 (in Kraft seit 1. März 1985) durch zahlreiche Bestimmungen über das Verfahren bei materieller Enteignung ergänzt. Unter anderem ist ein Recht auf "Ausdehnung" in dem Sinne geschaffen worden, dass der Eigentümer vom Gemeinwesen die Übernahme des durch die Eigentumsbeschränkung belasteten Grundstücks verlangen kann, wenn die zu leistende Entschädigung mehr als zwei Drittel des Wertes beträgt, der für das Grundstück im Falle der formellen Enteignung bezahlt werden müsste (Art. 47e Abs. I kEntG). Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch das Gemeinwesen ein Übernahmebegehren stellen (vgl. Art. 47e Abs. 2 kEntG). Das Begehren um formelle Enteignung kann so lange gestellt werden, als die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches wegen materieller Enteignung möglich ist (Art. 47e Abs. 3 kEntG).
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Im Falle der materiellen Enteignung ist die Entschädigung gemäss Art. 47i kEntG vom Zeitpunkt an, an dem sie erstmals schriftlich geltend gemacht worden ist, zu 5% zu verzinsen, Bei formeller Enteignung wird die Entschädigung nach Art. 43 kEntG nach 30 Tagen seit ihrer rechtskräftigen Feststellung fällig und ist, sofern keine vorzeitige Besitzergreifung stattgefunden hat, von diesem Zeitpunkt an zu 5% zu verzinsen.
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a) Führen Planungen gemäss Raumplanungsgesetz zu Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, so steht den betroffenen Eigentümern nach Art. 5 Abs. 2 RPG ein bundesrechtlicher Anspruch auf volle Entschädigung zu. Zu ersetzen ist danach der Minderwert des Grundstücks, der durch den enteignungsähnlichen Eingriff entsteht. Dagegen gewährt Art. 5 Abs. 2 RPG - im Gegensatz zu den bundesrechtlichen Bestimmungen über die formelle Enteignung (vgl. Art. 12 f. EntG) - keinen Anspruch auf Ausdehnung der materiellen Enteignung. Es bleibt vielmehr dem kantonalen Gesetzgeber überlassen, ob er ein solches Ausdehnungs-, Übernahme- oder sogenanntes Heimschlagsrecht vorsehen will, sei es auf einen enteignungsähnlichen, sei es auf einen weniger weit gehenden Eingriff hin. Die Schaffung eines kantonalen Heimschlagsrechtes ändert jedoch grundsätzlich nichts daran, dass der Entschädigungsanspruch, der sich aus Art. 5 Abs. 2 RPG ergibt, ein bundesrechtlicher ist und durch kantonale Bestimmungen nicht geschmälert werden darf. Einzig dann, wenn der Heimschlag aufgrund des kantonalen Rechts auf eine planerische Massnahme hin gewährt wird, die zu keiner materiellen Enteignung führt und somit nicht unter Art. 5 Abs. 2 RPG fällt, ist der Richter nicht an die bundesrechtliche Garantie gebunden und darf die Entschädigung ausschliesslich nach den kantonalen Vorschriften bemessen werden. Dagegen bedeutet die Tatsache, dass der Heimschlag auch für nicht enteignungsgleich wirkende Eingriffe zur Verfügung steht, allein noch nicht, dass dieser ein selbständiges Institut des kantonalen Rechts sei und nie Folge einer Planungsmassnahme im Sinne des RPG sein könne. Insofern ist die bisherige Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteil vom 17. Februar 1982, publ. in ZBl 83/1982 S. 207 ff.) zu präzisieren.
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b) Wird Bauland einer Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zugewiesen, so läuft dies regelmässig auf eine materielle Enteignung hinaus (vgl. BGE 112 Ib 494 f. E. 10b, BGE 109 Ib 262 f. E. 2a, BGE 108 Ib 337 f.). Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die ![]() | 11 |
Die Schaffhauser Regelung lässt sich übrigens durch entsprechende Auslegung und Anwendung durchaus mit diesen Grundsätzen vereinbaren. Es steht ausser Zweifel, dass im vorliegenden Fall nicht nur die Voraussetzungen für eine Übernahme nach Art. 6 BauG, sondern auch jene für eine Ausdehnung im Sinne von Art. 47e kEntG erfüllt sind - wenn es auch hier nicht Sache des Bundesgerichts sein kann, die Anteile der Entschädigung für die materielle bzw. für die formelle Enteignung zu bestimmen. Demnach sind auf den Entschädigungsbetrag, der für die sich aus der Umzonung ergebenden materielle Enteignung geschuldet wird, die Bestimmungen für die materielle Enteignung anzuwenden, während die Geltung der Vorschriften über die formelle Enteignung auf die Bemessung der Entschädigung für den landwirtschaftlichen Restwert beschränkt bleiben muss. Selbst wenn der kantonale Gesetzgeber - wie das Obergericht geltend macht - keine derartige Aufteilung beabsichtigte, hat sie der Richter aufgrund des zwingenden Bundesrechts vorzunehmen.
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4. Nach bundesgerichtlicher Praxis steht dem Grundeigentümer, der durch eine materielle Enteignung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 RPG betroffen wird, grundsätzlich von dem Tage an ein Anspruch auf Verzinsung der Entschädigung zu, an dem er unmissverständlich um Vergütung für den Eingriff ersucht, frühestens aber ab Entstehen der Forderung bei Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung (BGE 113 Ib 33, BGE 112 Ib 511 f. E. 4, BGE 109 Ib 262 ff. E. 2). Immerhin sind Ausnahmefälle denkbar, in denen sich die Verzinsung der Entschädigung nicht oder nur beschränkt ![]() | 13 |
Was schliesslich die in Art. 47i kEntG vorgesehene Höhe des Zinsfusses von 5% anbelangt, so ist damit eine Lösung getroffen worden, die zumindest zur Zeit dem bundesrechtlichen Anspruch auf volle Entschädigung genügt. Allerdings gilt auch in dieser Hinsicht der Vorbehalt, dass in Sonderfällen, in denen der durch den Nutzungsverlust eingetretene Schaden nachgewiesenermassen grösser oder kleiner sein sollte, der Zinssatz angepasst oder ein zusätzlicher Schaden vergütet werden müsste.
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