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9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. April 1989 i.S. Bundesamt für Polizeiwesen gegen Staatsanwaltschaft und Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt, Internationale Genossenschaftsbank AG sowie Fritz Naphtali-Stiftung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Begriff des Abgabebetruges; Verhältnismässigkeitsgebot; Bankgeheimnis; Begriff des unbeteiligten Dritten; Verfahrensmängel im Sinne von Art. 2 IRSG, politisches Delikt. |
2. Die in casu verlangte Auskunftserteilung über zwei Bankkonten stellt keine Verletzung des auch im Rechtshilfeverkehr zu beachtenden Verhältnismässigkeitsgebotes dar (E. 4a) und führt auch nicht zu einer Verwässerung des Bankgeheimnisses (E. 4b). |
3. Beim Inhaber von Bankkonten, die in den untersuchten Sachverhalt verwickelt sind, und bei der Bank selber, bei der sich die betreffenden Konten befinden, handelt es sich nicht um unbeteiligte Dritte im Sinne von Art. 10 Abs. 1 IRSG (E. 4c). |
4. Der Gegenstand des Rechtshilfeersuchens bildende Sachverhalt wird im ersuchenden Staat durch Gerichtspersonen untersucht, die von den politischen Instanzen unabhängig sind. Der Umstand allein, dass dieser Sachverhalt einen Bezug zur "Parteispendenaffäre" hat, erlaubt es der Schweiz nicht, die Rechtshilfe gestützt auf Art. 2 lit. a EÜR bzw. Art. 2 lit. b/c und Art. 3 Abs. 1 IRSG zu verweigern (E. 5). Auch besteht kein Anlass zur Annahme, dass das die Beschuldigten betreffende Strafverfahren im ersuchenden Staat sonstwie einen schweren Mangel (Art. 2 lit. d IRSG) aufweisen könnte (E. 6). | |
Sachverhalt | |
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Im Rahmen dieser Strafuntersuchung richtete der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn am 13. März 1986 über den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen gestützt auf Art. VIII Abs. 2 des deutsch-schweizerischen Zusatzvertrages zum EÜR und die von der BRD am 5. Dezember 1983 abgegebene Gegenseitigkeitserklärung ein Rechtshilfeersuchen an das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) mit dem Begehren, die Nummernkonten 13 365 113 und 14 169 113 (Konteninhaber: Fritz Naphtali-Stiftung) bei der Ingeba AG in Basel seien zu beschlagnahmen. Auf Aufforderung des BAP hin ergänzte die Staatsanwaltschaft Bonn das Ersuchen mit Schreiben vom 13. August 1986.
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Das BAP überprüfte das Ersuchen im Sinne von Art. 78 IRSG und stellte fest, dass dieses den formellen Erfordernissen gemäss Art. 14 EÜR und Art. 28 IRSG entspreche. Insbesondere erachtete es die Rechtshilfe im Lichte von Art. 3 Abs. 3 IRSG als "grundsätzlich" zulässig. Diesbezüglich stützte es sich auf die Stellungnahme der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV).
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, an die das BAP das Ersuchen zum Vollzug gesandt hatte, prüfte dieses ihrerseits gestützt auf Art. 79 IRSG und überzeugte sich "unabhängig von den Bundesbehörden von der Zulässigkeit der Rechtshilfe", wie der Erste Staatsanwalt in seiner Verfügung vom 12. August 1986 festhielt. Entsprechend ordnete er in Anwendung von §§ 68 ff. StPO/BS die Beschlagnahme der Unterlagen der beiden Bankkonten Nrn. 13 365 113 und 14 169 113 bei der Ingeba AG in Basel an. Die Beschlagnahme wurde am 13. August 1986 in Anwesenheit der ![]() | 4 |
Am 14. August bzw. 1. September 1986 erhoben die Ingeba AG und die Fritz Naphtali-Stiftung Rekurs an die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt mit dem Antrag, der Entscheid betreffend Rechtshilfegewährung sowie die Beschlagnahmeverfügung und die Beschlagnahme selber seien aufzuheben.
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Mit Beschluss vom 27. Oktober 1987 hiess die Überweisungsbehörde die beiden Rekurse gut, hob die Beschlagnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft auf und wies das Rechtshilfebegehren der Bonner Staatsanwaltschaft ab.
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Hiergegen erhob das Bundesamt für Polizeiwesen Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit folgenden Anträgen:
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"1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen.
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2. Der angefochtene Beschluss der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt sei aufzuheben.
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3. Die vom Leitenden Oberstaatsanwalt in Bonn am 13. März 1986 in dieser Sache verlangte Rechtshilfe sei zu bewilligen."
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Das Bundesgericht hat die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und den Entscheid der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt vom 27. Oktober 1987 aufgehoben.
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Aus den Erwägungen: | |
3. a) aa) Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel- Stadt hält im wesentlichen dafür, dass sich der Begriff des Abgabebetruges gemäss Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 111 Ib 242 ff.) nicht mit demjenigen des Art. 14 VStrR decke, auch wenn Art. 24 Abs. 1 IRSV für die Legaldefinition des Abgabebetruges auf Art. 14 Abs. 2 VStrR verweise. Mit MAX WIDMER (Die internationale Rechtshilfe bei Abgabebetrug, in: ASA 51/1983, S. 513 ff.) und BEATRICE WAGNER (Die Voraussetzungen für die Gewährung internationaler Rechtshilfe in Strafsachen, in: BJM 1985, S. 113 ff.) sei festzustellen, dass sich die Heranziehung von Art. 14 VStrR zur Beurteilung der "objektiven Merkmale" für die Strafbarkeit nur vertreten liesse, soweit die ausländischen Abgaben mit denen des Verwaltungsstrafrechts des Bundes (z.B. Warenumsatzsteuer, Stempelabgaben, Verrechnungssteuer) vergleichbar seien. Für die der direkten Bundessteuer vergleichbaren direkten ausländischen Steuern sei aber die strengere Bestimmung des Art. 130bis des ![]() | 12 |
Die privaten Beschwerdegegnerinnen sind im wesentlichen derselben Auffassung wie die Überweisungsbehörde.
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Das BAP erachtet die Ausführungen der Überweisungsbehörde, wonach bei Rechtshilfebegehren zur Abklärung von Hinterziehungen bei direkten Steuern immer das Element der Urkundenfälschung gegeben sein müsse, als unzutreffend. Es macht geltend, die von der Überweisungsbehörde vorgenommene Auslegung des Begriffs des Abgabebetruges im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG stehe im Widerspruch zu den Gesetzesmaterialien und den vom Bundesgericht in BGE 111 Ib 242 ff. entwickelten Grundsätzen und verletze daher Bundesrecht (Art. 104 lit. a OG). Der Entscheid über die Zulässigkeit der Rechtshilfe gemäss Art. 3 Abs. 3 IRSG müsse allein nach schweizerischem Recht gefällt werden; das ![]() ![]() | 14 |
bb) Was unter Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG zu verstehen ist, hat das Bundesgericht im Entscheid BGE 111 Ib 242 ff. eingehend erörtert. Die seitherige, wiederholt bestätigte bundesgerichtliche Rechtsprechung (s. BGE 114 Ib 56 ff.; ferner teilweise zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil vom 6. Dezember 1988 i.S. C. AG und nicht veröffentlichte Urteile vom 6. Mai 1988 i.S. Bank S. sowie vom 4. Januar 1988 i.S. A.) stützt sich auf die Gesetzesmaterialien und auch auf die mehrheitliche Literatur (s. die Hinweise in BGE 111 Ib 245 ff. E. 4). Ebenfalls CURT MARKEES (Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, SJK Nrn. 423a S. 26 ff. und 423b S. 19 ff.), dessen Ausführungen im Zeitpunkt des Entscheids BGE 111 Ib 242 ff. noch nicht vorlagen, unterstützt die darin entwickelten Grundsätze einlässlich. Die von WIDMER (a.a.O., S. 513 ff.) und gestützt auf diesen auch von WAGNER (a.a.O., S. 113 ff.) vertretene Argumentationsweise, wie sie von der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt übernommen worden ist, ist demgegenüber vereinzelt.
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Der Begriff des Abgabebetruges wird vom IRSG nicht umschrieben, während sich Art. 24 Abs. 1 IRSV darauf beschränkt, auf Art. 14 Abs. 2 VStrR zu verweisen. Aus den Protokollen der Kommissionen der eidgenössischen Räte und aus den Ratsprotokollen selber geht indes klar hervor, dass mit Abgabebetrug im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG das in Art. 14 Abs. 2 VStrR in Anlehnung an Art. 148 StGB umschriebene und mit Freiheitsstrafe ![]() | 16 |
Wegen der Uneinheitlichkeit der Objekte der Abgabenerhebung können sich natürlich für die in einem Verfahren wie dem vorliegenden zu beachtende beidseitige Strafbarkeit (Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR, Erklärung der Schweiz zu Art. 5 Ziff. 1 EÜR) besondere Probleme ergeben. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, nach welchem Recht sich die objektiven Merkmale des Abgabebetruges zu richten haben. Nach WIDMER (a.a.O., S. 521) dürfen diese Merkmale nur dem Gesetz entnommen werden, "das in der Schweiz für die gleiche oder vergleichbare Steuer gilt". Diese Auffassung verkennt, dass Rechtshilfe nicht wegen eines in der Schweiz allgemein gesetzlich als Steuerbetrug qualifizierten und bezeichneten Delikts geleistet wird, sondern wegen eines tatsächlichen Vorkommnisses, eines Lebensgeschehnisses (vgl. dazu für die Auslieferung: HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, ![]() | 17 |
In Berücksichtigung der erwähnten Materialien sowie der in BGE 111 Ib 242 ff. und vorstehend zusätzlich zitierten Literatur sieht das Bundesgericht keine Veranlassung, von der seiner bisherigen Rechtsprechung zugrundeliegenden Auslegung des Begriffs des Abgabebetruges im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG abzuweichen. Die einzig von WIDMER und gestützt auf diesen auch von WAGNER vertretene Auffassung, für die der direkten Bundessteuer vergleichbaren direkten ausländischen Steuern sei im Rahmen der Beurteilung eines Rechtshilfeersuchens wegen betrügerischer Steuerverkürzung Art. 130bis BdBSt massgebend, vermag nach dem Gesagten nicht zu überzeugen.
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Für die Auslegung des Begriffs des Abgabebetruges im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 IRSG ist also - im Sinne von Art. 24 Abs. 1 IRSV - Art. 14 Abs. 2 VStrR und damit, wie für diese Bestimmung selber, die Umschreibung des Betrugsbegriffs in Art. 148 StGB und die dazu bestehende bundesgerichtliche ![]() | 19 |
b) aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts werden, dem Zweck des EÜR entsprechend, an die Begründung eines Rechtshilfeersuchens keine strengen Anforderungen gestellt; es genügt, wenn die darin gemäss Art. 14 EÜR enthaltenen Angaben es den schweizerischen Behörden ermöglichen, zu prüfen, ob kein Sachverhalt vorliege, für den die Rechtshilfe nicht zulässig wäre (s. BGE BGE 111 Ib 131, BGE 106 Ib 264, BGE 103 Ia 210, ferner nicht veröffentlichtes Urteil vom 11. Januar 1984 i.S. Bank G., E. 3; BGE 110 Ib 179 E. 4d und Urteil vom 1. Juli 1987 i.S. M., E. 5b, nicht publiziert, zu Art. 28 IRSG). Diesen Anforderungen genügt das vorliegende Ersuchen vom 13. März 1986 mit Ergänzung ![]() | 20 |
bb) Die schweizerische Behörde hat sich beim Entscheid über ein Rechtshilfebegehren nicht dazu auszusprechen, ob die darin angeführten Tatsachen zutreffen oder nicht. Sie ist vielmehr an die Darstellung des Sachverhalts im Begehren des ersuchenden Staates gebunden, soweit diese nicht offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche enthält (BGE 110 Ib 180 E. 4; BGE 107 Ib 254 E. 2b/aa, 267 E. 3a; BGE 105 Ib 425 f. E. 4b).
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Was speziell die Rechtshilfe im Zusammenhang mit dem Tatbestand des Abgabebetruges betrifft, so verlangt das Bundesgericht von der ersuchenden Behörde nicht einen strikten Beweis dieses Tatbestandes, doch muss sie hinreichende Verdachtsmomente für dessen Vorliegen darlegen, damit ihrem Gesuch entsprochen werden kann (BGE 114 Ib 59 f. E. 3b, BGE 111 Ib 250 f. E. 5c). Damit soll verhindert werden, dass die ersuchende Behörde sich unter dem Deckmantel eines von ihr ohne Vorhandensein von Verdachtsmomenten lediglich behaupteten Abgabebetruges Beweise verschafft, die zur Ahndung anderer Fiskaldelikte dienen sollen, für welche die Schweiz keine Rechtshilfe gewährt (Art. 3 Abs. 3 IRSG; BGE 114 Ib 60 E. 3c). Hinzu kommt, dass eine blosse Beweisausforschung verboten ist (BGE 103 Ia 211 f. E. 6).
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cc) Nach dem Ersuchen und dessen Ergänzung ist davon auszugehen, dass X. und Y. als Verantwortliche der Friedrich Ebert- Stiftung in den beim zuständigen Finanzamt für die Zeit von 1974 bis 1980 abgegebenen Erklärungen über die Geschäftstätigkeit der Stiftung wahrheitswidrig versicherten, sämtliche Einnahmen seien satzungsgemäss verwendet worden, obwohl in Wirklichkeit von den eingegangenen Zahlungen insgesamt fast 24 Millionen DM als "Parteispenden" für die SPD Verwendung gefunden hätten. Der Transfer soll sich über die zwei bereits genannten Konten der Fritz Naphtali-Stiftung bei der Ingeba AG in Basel abgewickelt haben. In den dem Finanzamt jeweils mit den - ausser 1975 von X. unterzeichneten - Steuererklärungen vorgelegten, von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellten Prüfungsberichten über die Jahresabschlüsse seien die Überweisungen an die Fritz Naphtali- Stiftung unzutreffend als "Ausgaben zur Ausbildung von Führungskräften aus Entwicklungsländern gemäss § 2 Abs. 2 der Satzung" (der Stiftung) deklariert worden, womit dem zuständigen Finanzamt vorgetäuscht worden sei, die Einnahmen seien satzungsgemäss verwendet worden. Ferner seien den einzelnen ![]() | 23 |
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c) Demnach sind die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten als Abgabebetrug bzw. Teilnahmehandlungen daran zu qualifizieren.
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Als Abgabebetrug ist - wie ausgeführt (vorstehende lit. b) - nur zu verstehen, was nach schweizerischer Auffassung als solcher gilt. Ob die Tat auch nach dem Recht des ersuchenden Staates so bezeichnet wird oder anders, ist gleichgültig, wenn nur der verfolgte Sachverhalt die für den Abgabebetrug erforderlichen Merkmale erkennen lässt (MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 423a, S. 26), was hier nach dem Gesagten zutrifft. Im Lichte des in einem Fall wie dem vorliegenden zu beachtenden Grundsatzes der beidseitigen Strafbarkeit (Art. 5 Ziff. 1 lit. a EÜR, Erklärung der Schweiz zu Art. 5 Ziff. 1 EÜR) ist also unerheblich, ob auch die Gesetzgebung, die am Orte der Leistung der Rechtshilfe für eine allfällige Beurteilung der Tat anwendbar wäre, ihre Verübung mit denselben Mitteln wie die schweizerische Rechtsordnung als Steuerbetrug qualifiziert ![]() | 26 |
Sind somit die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten als Abgabebetrug bzw. Teilnahmehandlungen daran zu qualifizieren, so muss Rechtshilfe geleistet werden (s. BGE 111 Ib 248 E. 4c), wenn auch - was nachfolgend zu prüfen ist - die übrigen Voraussetzungen der Rechtshilfe erfüllt sind.
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4. a) Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt gelangte zu Recht zur Auffassung, dass die grosse Bedeutung der dem Ersuchen zugrundeliegenden Abgabenverkürzung in Millionenhöhe die Rechtshilfeleistung an sich rechtfertigte, dieser also jedenfalls das auch im Rechtshilfeverkehr zum Tragen kommende Verhältnismässigkeitsgebot nicht entgegenstehe (s. in diesem Zusammenhang Art. 4 und 63 IRSG; BGE 110 Ib 184 E. 7, BGE 109 Ib 230 /231 E. 2f, BGE 106 Ib 264 E. 3a, 351 E. 3a, ferner E. 8 des teilweise ![]() | 28 |
b) Entsprechend hält die Ingeba AG zu Unrecht dafür, die Rechtshilfegewährung führe zu einer weiteren Verwässerung des durch Art. 47 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (BankG, SR 952.0) geschützten Bankgeheimnisses. Dem Bankgeheimnis kommt nicht der Rang eines geschriebenen oder ungeschriebenen verfassungsmässigen Rechtes zu, so dass es bei Kollision mit anderen Interessen stets den Vorrang beanspruchen könnte. Vielmehr handelt es sich um eine gesetzliche Norm, die gegebenenfalls gegenüber staatsvertraglichen Verpflichtungen der Schweiz zurückzutreten hat (BGE 104 Ia 53 E. 4a mit Hinweisen). Art. 1 Abs. 2 IRSG gebietet den Behörden, welche das Gesetz anzuwenden haben, "den Hoheitsrechten, der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder anderen wesentlichen Interessen der Schweiz Rechnung zu tragen" (ähnlich lautet Art. 2 lit. b EÜR). Zu diesen wesentlichen Interessen der Schweiz kann der Schutz des Bankgeheimnisses nur unter bestimmten Voraussetzungen zählen. Es muss sich bei der von einem um Rechtshilfe ersuchenden Staat verlangten Auskunft um eine solche handeln, deren Preisgabe das Bankgeheimnis geradezu aushöhlen oder die der ganzen schweizerischen Wirtschaft Schaden zufügen würde. Hingegen wird es sich nie um wesentliche Interessen der Schweiz handeln, wenn die Rechtshilfe nur dazu führt, eine Auskunft nur über die Bankbeziehungen einiger weniger in- oder ausländischer Kunden zu erteilen (s. BGE 113 Ib 164 ff. E. 5 und nicht veröffentlichtes Urteil vom 4. Januar 1988 i.S. A., E. 3a, mit weiteren Hinweisen; SCHULTZ, a.a.O., Bankverein-Heft Nr. 22, S. 12 ff. und 20; MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 423a, S. 10 ff. und 18 ff.). So verhält es sich hier, wird doch von den deutschen Behörden nur die Auskunftserteilung über zwei Konten bei der ![]() | 29 |
c) Bei den privaten Beschwerdegegnerinnen handelt es sich - entgegen der Auffassung der Ingeba AG - nicht um unbeteiligte Dritte im Sinne von Art. 10 Abs. 1 IRSG. Aus dem Ersuchen ergibt sich schlüssig, dass die beiden von den deutschen Behörden genannten, der Fritz Naphtali-Stiftung gehörenden Konten bei der Ingeba AG und damit diese selber in den von den deutschen Behörden untersuchten Sachverhalt verwickelt sind. In einem solchen Fall kann gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung Art. 10 Abs. 1 IRSG nicht zur Anwendung gelangen (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 113 Ib 164 ff. E. 5 und BGE 112 Ib 462 ff., ferner nicht veröffentlichte Urteile vom 6. Mai 1988 i.S. Bank S., E. 7b, und vom 4. Januar 1988 i.S. A., E. 3b, mit weiteren Hinweisen).
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Der Erteilung der Rechtshilfe steht somit auch insoweit nichts entgegen.
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Nach Art. 2 lit. a EÜR kann die Rechtshilfe u.a. dann verweigert werden, wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die vom ersuchten Staat als politische oder als mit solchen zusammenhängende strafbare Handlungen angesehen werden. Diese Bestimmung definiert den Begriff des politischen Deliktes nicht. Sie lässt in dieser Beziehung den im ersuchten Staat herrschenden Anschauungen Raum, die für die Schweiz in Art. 2 lit. b und c sowie in Art. 3 Abs. 1 IRSG zum Ausdruck kommen. Darnach - wie auch gemäss Art. 3 Ziff. 2 EAÜ - wird dem Verfolgten wegen der besonderen Situation, in der er sich befindet, ein erweiterter Schutz zugesichert, was heute allgemein als eine Norm des internationalen Ordre public betrachtet wird (s. BGE 113 Ib 178 E. 6 mit weiteren Hinweisen; ferner CLAUDE ROUILLER, L'évolution du concept de délit politique en droit de l'entraide internationale en matière pénale, in: ZStrR 1986, S. 23 ff., insb. S. 40-42).
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b) Das relativ politische Delikt ist an sich nach dem gemeinen Recht strafbar, aber wegen seines vorwiegend politischen Charakters von der internationalen Rechtshilfe ausgeschlossen. Art. 3 Abs. 1 IRSG hat in dieser Beziehung die Formulierung des Art. 10 des alten Bundesgesetzes über die Auslieferung vom 22. Januar 1892 übernommen. Der vorwiegend politische Charakter ergibt sich aus der politischen Natur der Umstände, Beweggründe und Ziele, die den Täter zum Handeln bestimmt haben und die in den Augen des Rechtshilferichters vorherrschend erscheinen. Das Delikt muss stets im Rahmen eines Kampfes um die Macht im Staat begangen worden sein und in einem engen Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Kampfes stehen (BGE 113 Ib 179 f. E. 6b mit Hinweisen).
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Die mit einem politischen Delikt zusammenhängende Straftat als solche des gemeinen Rechts kann von der internationalen Rechtshilfe ausgeschlossen sein, wenn sie verübt worden ist, um die Begehung eines politischen Deliktes vorzubereiten, zu erleichtern, zu sichern oder zu verdecken, oder um ihm später Straflosigkeit zu verschaffen (BGE 113 Ib 180).
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Die Einrede des politischen Deliktes kann nur eingeschränkt zugelassen werden, wenn die Schweiz aufgrund eines multilateralen ![]() | 37 |
Es ist unerheblich, dass die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten einen politischen Hintergrund haben. Bei einem Abgabebetrug an sich, wie er hier einzig zur Diskussion steht, handelt es sich nicht um ein politisches Delikt, sondern um ein Fiskaldelikt, das (als einziges dieser Deliktsart) rechtshilfefähig ist und für das Rechtshilfe geleistet werden muss, wenn die Voraussetzungen dazu erfüllt sind (BGE 111 Ib 248 E. 4c, BGE 114 Ib 56 ff.).
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Es kann nicht behauptet werden, die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten seien im Rahmen eines eigentlichen Kampfes um die Macht in der BRD Mittel zur Erreichung der absoluten Staatsmacht gewesen. Zweck der durch verschiedene Unternehmen geleisteten Zahlungen war, für die SPD im Rahmen des Wahlkampfes in einem demokratischen Staat mit möglichst vielen Mitteln eine möglichst gute Ausgangslage zu verschaffen. Der im Zusammenhang mit diesen Zahlungen erfolgte Abgabebetrug konnte nur bewirken, diese Mittel noch zu vergrössern. Der Entscheid darüber, welche Partei wie viele Stimmen erzielen würde, blieb aber dennoch den Wählern vorbehalten. Im übrigen handelt es sich bei der BRD nicht um einen Staat, der eine Opposition ausschliesst (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 110 Ib 182 E. 6a und 285 f. E. 6d mit Hinweisen). Auch lässt sich nicht sagen, dass die Strafuntersuchung in der BRD durchgeführt wird, um die Beschuldigten X. und Y. wegen ihrer politischen Anschauungen zu bestrafen; denn Gegenstand der Strafuntersuchung bildet einzig der Abgabebetrug an sich, dessen Beurteilung - wie erwähnt - der unabhängigen Strafjustiz vorbehalten ist. Dass das Aufsehen, das die hier zur Diskussion stehenden Straftaten in der BRD erregt haben, Auswirkungen auf die dortige politische Situation haben könnten, ist nach dem Gesagten jedenfalls kein Grund, die Rechtshilfeleistung zu verweigern (vgl. BGE 110 Ib 183 f.).
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Demnach steht der Gewährung der von den deutschen Behörden verlangten Rechtshilfe auch insoweit nichts entgegen.
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6. In ihrer im bundesgerichtlichen Verfahren eingereichten Vernehmlassung macht die Ingeba AG erstmals geltend, dass das Verfahren des ersuchenden Staates schwere Mängel im Sinne ![]() | 41 |
Nach Art. 2 lit. d IRSG wird einem Ersuchen um Zusammenarbeit in Strafsachen nicht entsprochen, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass das Verfahren im Ausland "andere (als solche gemäss lit. a-c der genannten Bestimmung) schwere Mängel aufweist". Mit Art. 2 IRSG soll vermieden werden, dass die Schweiz durch Leistung von Rechtshilfe im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit die Durchführung solcher Strafverfahren unterstützt, in welchen den verfolgten Personen die ihnen in einem demokratischen Rechtsstaat zustehenden und insbesondere durch die EMRK umschriebenen Minimalgarantien nicht gewährt werden oder welche den internationalen Ordre public verletzen (vgl. BGE 111 Ib 138 ff., BGE 109 Ib 64 ff., BGE 108 Ib 408 ff., ferner nicht veröffentlichtes Urteil i.S. M. vom 1. Juli 1987, E. 7a; ROUILLER, a.a.O., insb. S. 40-42).
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Bei Art. 2 lit. d IRSG handelt es sich also (wie bei lit. a-c) um eine Bestimmung zum Schutze der im ausländischen Strafverfahren Beschuldigten selber. Dazu, sich im vorliegenden Verfahren ausschliesslich im Interesse der Beschuldigten zu wehren, sind die privaten Beschwerdegegnerinnen somit nicht befugt. Abgesehen davon sind ihre Einwände aber auch nicht geeignet, einen schweren Mangel im Sinne von Art. 2 IRSG darzulegen. Was sie in diesem Zusammenhang bloss auf das Rechtshilfeverfahren bezogen behaupten (s. oben), reicht nicht aus, um darzutun, dass objektiv und ernsthaft zu befürchten wäre, das die Beschuldigten selber betreffende Strafverfahren im ersuchenden Staat könnte einen schwerwiegenden Mangel im Sinne von Art. 2 IRSG aufweisen (s. im übrigen vorstehende E. 5).
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