BGE 115 Ib 175 | |||
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24. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Mai 1989 i.S. C. gegen Kanton Zürich (Direktprozess) | |
Regeste |
Staatshaftung für spitalärztliche Tätigkeit. |
2. Art. 61 OR und §§ 6 ff. des zürcherischen Haftungsgesetzes vom 14. September 1969. Rechtsnatur der Behandlung von Patienten in einem öffentlichen Spital; Folgen gemäss kantonalem Recht (E. 2a). Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht; Voraussetzungen der Haftung und deren Auswirkungen auf die Beweislast der Beteiligten (E. 2b). |
3. Ein besonderer Nachweis über die Aufklärung und Einwilligung des Patienten erübrigt sich, wo dieser oder sein gesetzlicher Vertreter sich schon nach seinen Vorkenntnissen über alle Risiken einer schwierigen Operation im klaren sein muss (E. 3a). |
4. Welche Massnahmen ein Chirurg in einer Notfallsituation zu ergreifen hat, ist aus seiner Sicht zu beurteilen. Hat er gute Gründe für eine bestimmte Massnahme, so ist ihm daraus auch dann kein Vorwurf zu machen, wenn sie misslingt und rasch ersetzt werden muss (E. 3b und c). | |
Sachverhalt | |
A.- C. wurde am 20. September 1978 als Tochter in Mailand wohnhafter Eltern geboren. Sie litt seit ihrer Geburt an einem schweren Herzfehler, der mehrere Spitalaufenthalte und Operationen in Mailand und Zürich nötig machte. Am 9. November 1981 wurde sie im Universitätsspital Zürich unter der Leitung von Prof. X. ein drittes Mal am Herz operiert.
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Der Eingriff wurde dadurch erschwert, dass zunächst Narbengewebe und Verwachsungen, die von den früheren Operationen herrührten, mühsam gelöst werden mussten. Der rechte Vorhof des Herzens konnte ohne besondere Schwierigkeiten freigelegt werden, nicht aber die Aorta; bei diesem Versuch wurde eine abnorme Kranzarterie durchtrennt, was sofort erkannt wurde. Der Eingriff wurde deshalb notfallmässig fortgesetzt, um sogleich eine Kanüle anbringen zu können, die jedoch nicht wie vorgesehen in den aufsteigenden Teil der Aorta eindrang, sondern in die Lungenarterie geriet. Als daraufhin festgestellt wurde, dass der periphere Blutdruck trotz normal arbeitender Herz-Lungen-Maschine sank, wurde die rechte Oberschenkel-Arterie kanüliert und an die Maschine angeschlossen. Weil rund 15 Minuten verstrichen, bis die Fehlkanülierung behoben war, erlitt das Kind wegen ungenügender Blutversorgung eine schwere Hirnschädigung; es ist seitdem vollkommen pflegebedürftig und für immer invalid.
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B.- Nachdem das Bundesgericht C. mit Beschluss vom 31. Oktober 1985 die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und einen Anwalt zu ihrem unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt hatte, klagte dieser am 29. Januar 1986 beim Bundesgericht gegen den Kanton Zürich auf Schadenersatz und Genugtuung; er berief sich auf das zürcherische Haftungsgesetz vom 14. September 1969. Der Beklagte widersetzte sich der Klage vorweg mit der Einrede, dass dieses Gesetz nicht anwendbar, er folglich nicht passivlegitimiert sei. Mit Beschluss vom 11. November 1986 verwarf das Bundesgericht diese Einrede (BGE 112 Ib 334 ff.).
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Die Parteien einigten sich dann darauf, dass von einem Privatgutachten, das drei Professoren bereits im Oktober 1984 erstattet hatten, auszugehen und dieses Gutachten auch der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen sei. Sie wollten die Überwachung der Patientin während der Fehlkanülierung und deren Behebung aber zusätzlich begutachtet wissen. PD S. und Prof. W. äusserten sich dazu im Frühjahr 1987 in je einem Gutachten, die aufeinander abgestimmt waren. Im Oktober 1987 antwortete PD S. auf ergänzende Fragen der Klägerin. Im Dezember 1987 gab die Klägerin eine Stellungnahme von Prof. St. zu den Akten. Prof. W. fand, die neu aufgeworfenen Fragen hätten mit seinem Spezialfach nichts zu tun. PD S. dagegen stellte fest, die Ausführungen von Prof. St. deckten sich mit den seinigen; dieser ziehe allerdings noch eine zusätzliche Folgerung, die er mangels herzchirurgischer Kenntnisse aber nicht beurteilen könne. Im September 1988 äusserte sich Prof. G. als gerichtlicher Experte zu den Einwänden von Prof. St. Die Klägerin beantragte daraufhin eine Oberexpertise durch Prof. C., Houston (USA). Der Beklagte widersetzte sich diesem Antrag.
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Im April 1989 bezifferte die Klägerin den bis Ende 1985 erlittenen Schaden auf Fr. 297'156.-- und den aus Renten bestehenden Ersatz für künftigen Schaden auf Fr. 753'734.--. Sie verlangte ferner eine Genugtuungssumme von mindestens Fr. 75'000.--.
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C.- An der Hauptverhandlung hielt die Klägerin an ihren Rechtsbegehren fest. Sie erneuerte ihren Antrag, dass von Prof. C. eine Oberexpertise einzuholen sei; sie wollte ausserdem ihren gesetzlichen Vertreter darüber befragen lassen, ob er von Prof. X. über die Risiken der Operation überhaupt aufgeklärt worden sei, was sie bestreiten liess.
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Der Beklagte beantragte, auf weitere Beweise zu verzichten und die Klage abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Der Antrag ist auch sachlich nicht gerechtfertigt. Gewiss setzt die Einwilligung des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters voraus, dass er um die Art des Eingriffes und dessen Risiken weiss, vom Arzt also aufgeklärt worden ist. Darüber konnten und mussten die Eltern des Kindes sich vorliegend bereits nach den wiederholten Spitalaufenthalten, die alle mit dem schweren angeborenen Herzfehler zusammenhingen, Rechenschaft geben. Es bedurfte deshalb vor der dritten Operation keiner Aufklärung bis in alle Einzelheiten mehr, wie die Vertreter der Klägerin anzunehmen scheinen; dass es sich um einen komplizierten Eingriff mit erheblichen Risiken handelte, konnte den Eltern schon nach den bisherigen Kenntnissen nicht entgehen. Fragen kann sich bloss, wie weit die Einwilligung rechtlich gehen konnte. Die Frage gehört zur materiellen Prüfung der Streitsache und ist daher in diesem Zusammenhang näher zu erörtern.
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Die Frage sodann, ob der Antrag auf Einholung einer Oberexpertise begründet und ihm daher zu entsprechen sei, hängt vom Ergebnis der bereits vorliegenden Beweise ab und ist daher erst nach dessen Würdigung zu beantworten. Vorweg zu bemerken ist immerhin, dass es schon aus prozessökonomischen Gründen nicht angeht, ergänzende Fragen leichthin zum Gegenstand einer neuen Expertise zu machen, statt sie Sachverständigen zu unterbreiten, die sich bereits mit der Sache zu befassen hatten. Das leuchtet namentlich dann ein, wenn wie hier bereits mehrere private und gerichtliche Gutachten vorliegen.
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a) Nach § 6 Abs. 1 des zürcherischen Haftungsgesetzes (HG) haftet der Staat für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung hoheitlicher Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt. Bei Körperverletzung hat der Verletzte Anspruch auf Ersatz der Kosten sowie auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit (§ 9 Abs. 1 HG). Der Richter kann ihm zudem unter Würdigung der besonderen Umstände eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen, wenn den Beamten ein Verschulden trifft (§ 10 HG). Diese Haftungsordnung gilt hier unbekümmert darum, ob die Klägerin eine Privatpatientin von Prof. X. war und der Eingriff deswegen als private ärztliche Tätigkeit im Sinne von § 36 Abs. 3 der Verordnung über die kantonalen Krankenhäuser (KHV) einzustufen wäre. Wie dem Beklagten bereits in BGE 112 Ib 336 E. 2 entgegengehalten worden ist, wirkten bei der Operation mehrere Ärzte mit, darunter auch ein Anästhesist, der angeblich für die Sauerstoffversorgung des Gehirns verantwortlich war.
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Die Anlehnung der Haftung für Schädigungen Dritter (§§ 6 ff. HG) an das Obligationenrecht ist unverkennbar; dessen Bestimmungen sind ergänzend denn auch anzuwenden, soweit das Haftungsgesetz keine eigenen Vorschriften enthält (§ 29 HG). Das kantonale Recht weicht in einem wichtigen Punkt allerdings von Art. 41 ff. OR ab, da es nur den Anspruch auf Genugtuung von einem Verschulden abhängig macht, für Schadenersatz dagegen ein widerrechtliches Verhalten des Beamten genügen lässt, dafür also eine Kausalhaftung vorsieht. Die Frage nach einer Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht steht diesfalls zwar nicht im Vordergrund wie bei der Haftung des Arztes aus Vertrag oder aus unerlaubter Handlung im Sinne von Art. 41 OR (BGE 113 Ib 423); eine solche Verletzung ist als Teil der Widerrechtlichkeit aber auch bei der Kausalhaftung zu berücksichtigen, was zu Recht von keiner Seite bestritten wird. Diese Voraussetzungen der Staatshaftung und ihre Auswirkungen auf die Beweislast sind daher vorweg zu prüfen.
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b) Die Besonderheit der ärztlichen Kunst liegt darin, dass der Arzt mit seinem Wissen und Können auf einen erwünschten Erfolg hinzuwirken hat, was aber nicht heisst, dass er diesen auch herbeiführen oder gar garantieren müsse; denn der Erfolg als solcher gehört nicht zu seiner Verpflichtung, gleichviel ob er als Beamter oder als Beauftragter des Patienten handelt. Die Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht lassen sich zudem nicht ein für allemal festlegen; sie richten sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach der Art des Eingriffs oder der Behandlung, den damit verbundenen Risiken, dem Ermessensspielraum, den Mitteln und der Zeit, die dem Arzt im einzelnen Fall zur Verfügung stehen, sowie nach dessen Ausbildung und Leistungsfähigkeit. Allgemein lässt sich immerhin sagen, dass seine Haftung sich nicht auf grobe Verstösse gegen Regeln der ärztlichen Kunst beschränkt. Der Arzt hat Kranke stets fachgerecht zu behandeln, zum Schutze ihres Lebens oder ihrer Gesundheit insbesondere die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt zu beachten, grundsätzlich folglich für jede Pflichtverletzung einzustehen (BGE 113 II 432 /33 mit Hinweisen). Dies muss auch für den gelten, der an seiner Stelle haftet. An sein Verhalten ist ferner der gleiche Massstab anzulegen, gleichviel ob der Geschädigte sich auf eine vertragliche oder ausservertragliche Haftung berufen kann.
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Nach der Rechtsprechung ist ein Verhalten widerrechtlich, wenn es gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen. Ein solches Gebot ist hier in § 38 KHV zu erblicken, der bestimmt, dass sich die Behandlung des Patienten in den Krankenhäusern des Beklagten nach den anerkannten Grundsätzen der ärztlichen Wissenschaft und Humanität zu richten hat. Wird ein Patient dabei über den vorgesehenen Heileingriff hinaus in seiner körperlichen Integrität getroffen, so ergibt sich die Widerrechtlichkeit schon aus dem Verbot, das den Art. 122 ff. StGB zugrunde liegt (BGE 112 II 128 mit Zitaten). Das gilt namentlich dann, wenn der Eingriff ohne vorherige Einwilligung des handlungsfähigen Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters vorgenommen wird, die Zustimmung aber nicht nur erforderlich, sondern auch möglich gewesen wäre, da diesfalls noch ein Verstoss gegen ein weiteres absolutes Recht, nämlich gegen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hinzukommt. Misslingt ein Eingriff, der nicht notwendig oder objektiv nicht geeignet war oder weil er unsachgemäss ausgeführt wurde, so ist die Widerrechtlichkeit selbst dann zu bejahen, wenn der Patient eingewilligt hat. Diese Voraussetzung der Haftung ist dagegen zu verneinen, wenn der Belangte sich auf eine rechtsgültige Einwilligung berufen kann und weder der Grund noch die Zweckmässigkeit oder Eignung des Eingriffes zu beanstanden ist.
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Die objektiv gebotene Sorgfalt wird nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre bei der vertraglichen Haftung von der Vertragsverletzung, bei der ausservertraglichen, zu der auch die Staatshaftung zu zählen ist, dagegen von der Widerrechtlichkeit erfasst; sie gehört daher im einen wie im andern Fall zum Beweisthema des Geschädigten (BGE 113 Ib 423 mit Hinweisen; GROSS, Haftung für medizinische Behandlung im Privatrecht und im öffentlichen Recht, S. 160/61; WIEGAND, in Arzt und Recht 1985, S. 104/5; BUCHLI-SCHNEIDER, in recht 1988 S. 94; PAGE, in Aspect du droit médical S. 107; a.M. KUHN, in SJZ 83/1987 S. 353 ff.).Die Beweislast für die Aufklärung und für den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung hingegen trifft stets den Arzt oder den, der an seiner Stelle für widerrechtliches oder schuldhaftes Verhalten einzustehen hat. Die Einwilligung kann sich dabei nur auf Risiken beziehen, die bei pflichtgemässer Vornahme des Eingriffs bestehen, nicht aber auf unerwünschte Folgen, die einem Behandlungsfehler zuzuschreiben sind. Der Einwand der Einwilligung ist zudem nur zu hören, wenn der Arzt seiner Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten genügt, ihn insbesondere auf die Risiken der Operation aufmerksam gemacht hat. Der Nachweis der Einwilligung ist Teil des Entlastungsbeweises, der dem Belangten aber auch für andere Unrechtsausschliessungsgründe, namentlich für notfallmässige Verhältnisse zusteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erfolg der Behandlung ausbleibt oder der Patient, wie hier, über den Eingriff hinaus in seiner körperlichen Integrität geschädigt wird, die negative Folge also auf einen Behandlungsfehler schliessen lässt. Wo die Würdigung des Beweises für oder gegen die Verletzung einer Sorgfaltspflicht spricht, ist aber nicht nur die Frage, welcher Haftungsvoraussetzung die Verletzung zuzuordnen sei, sondern auch die Beweislastverteilung gegenstandslos (BGE 114 II 291).
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a) Nach § 7 HG kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden, wenn der Geschädigte in die Schädigung eingewilligt hat oder Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt haben. Das kantonale Recht schreibt neben der Aufklärungspflicht der behandelnden Ärzte (§ 46 KHV) auch die Einwilligung des Patienten vor; für grössere oder mit erheblichen Risiken verbundene Eingriffe muss sogar eine ausdrückliche Zustimmung vorliegen (§ 51 KHV). Eine solche Zustimmung zu verlangen, erübrigte sich hier jedoch schon nach den Vorkenntnissen der Eltern. Diese wussten, dass ihr Kind seit Geburt wegen Missbildungen der Herzkammerscheidewand an schwerer Herzinsuffizienz litt; deswegen brachten sie es denn auch wiederholt von Italien zum bekannten Herzchirurgen nach Zürich, wo es zwischen November 1978 und August 1981 bereits viermal hospitalisiert, schon zweimal unter der Leitung von Prof. X. operiert worden war und mit der dritten Operation versucht werden sollte, die angeborenen Missbildungen womöglich ganz zu beheben. Sinn und Zweck des Eingriffs lagen somit auf der Hand und entsprachen dem Willen der Eltern.
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Danach lässt sich im Ernst auch nicht bestreiten, dass die Aufklärung über die Tragweite des dritten Eingriffs sich schon aus den Vorgängen ergab und daher ausreichend war. Aus der allgemeinen Erfahrung versteht sich insbesondere, dass ein Patient bei einer lebensnotwendigen, aber äusserst komplizierten Herzoperation von einer erhöhten Gefahr für Leben und Gesundheit ausgehen muss. Nach dem Gutachten W. hätte das Kind ohne den Versuch einer dritten Operation nie mit Erwerbsfähigkeit rechnen können, vielmehr schweren Zeiten entgegensehen müssen, nur noch wenige Jahre gelebt und das zweite Jahrzehnt wahrscheinlich nicht erreicht. Bei gelungener Operation hätte der Kreislauf sich hingegen normalisiert; das Kind wäre erwerbsfähig geworden und seine Lebenserwartung hätte sich erheblich verlängert. Der Eingriff war daher für Eltern und Kind die letzte Hoffnung. Willigt ein Patient unter solchen Umständen ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten in eine weitere schwierige Operation ein, so erfasst seine Zustimmung alle dem Eingriff anhaftenden Risiken. Seine Zustimmung ist wie jede andere rechtsgeschäftliche Willensäusserung nach allen Begleit- und vorangehenden Umständen auszulegen, kann nach Treu und Glauben in Fällen wie hier aber nur dahin verstanden werden, dass der Patient an dem zu erwartenden Heilerfolg interessiert ist und deswegen zwar keine Behandlungsfehler, aber die mit dem Eingriff notwendigerweise verbundenen Risiken mit in Kauf nimmt.
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Zu diesen Risiken gehörte hier vor allem die Gefahr, dass beim mühsamen Lösen alter Verwachsungen, die sich aus den beiden ersten Eingriffen ergaben, oder wegen vorbestehender Anomalien lebenswichtige Blutgefässe durchschnitten wurden; sie bildete, wie auch seitens der Klägerin eingeräumt wurde, das Hauptrisiko, das nach dem Privatgutachten von 1984 bei derartigen Eingriffen zudem als die häufigste Todesursache anzusehen ist, wenn die Gefahr sich verwirklicht. Nach dem Gutachten von PD S. waren ferner die Folgen verstärkter Manipulationen, das gesteigerte Anästhesierisiko, die lange Operationszeit und die erhöhte Blutungsgefahr zu bedenken. Die damit verbundenen Unsicherheiten über gesundheitliche Vor- und Nachteile mussten wegen der Schwierigkeit des Eingriffs ebenfalls zu dessen immanenten Risiken gerechnet werden, durften der einen Seite vernünftigerweise aber nicht dazu dienen, die andere von einer lebenswichtigen Operation abzuschrecken.
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b) Nach dem Privatgutachten von 1984 waren beide Gefahren vorauszusehen, dass beim Versuch, die Aorta freizulegen, eine Arterie durchschnitten werden und es sodann wegen bestehender Missbildungen zur Kanülierung des falschen Blutgefässes kommen könnte; nicht vorauszusehen war dagegen der Verlauf ihrer Verwirklichung. Weil die erste Gefahr eintrat, bevor die aufsteigende Aorta zu erkennen und mit Sicherheit zu erfassen war, musste notfallmässig und beschleunigt kanüliert werden, um einen Infarkt zu vermeiden. Nach Prof. St., auf den die Klägerin sich beruft, ist dem operierenden Chirurgen vorzuwerfen, dass er die Fehlkanülierung erst erkannt und über die Oberschenkel-Arterie korrigiert hat, als es zu spät war; angesichts der bestehenden Verwachsungen, welche die Unterscheidung zwischen den grossen Blutgefässen erschwerten, hätte er zudem auf eine Kanülierung im Verwachsungsgebiet von vornherein verzichten und die Oberschenkel-Arterie benutzen sollen.
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Prof. G. hielt dem als gerichtlicher Experte entgegen, die aufsteigende Aorta werde heute für den Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine bevorzugt; ihre Wahl habe entscheidende Vorteile, weil eine grössere Kanüle verwendet werden könne, ein zweites Operationsfeld mit zusätzlichen Komplikationen, insbesondere Gefässstenosen und Verschlüssen, sich vermeiden lasse und das Blut nicht entgegen der physiologischen Richtung fliesse. Eine aortale Kanülierung sei in einer Notsituation wie hier umso mehr angezeigt, als eine femorale bedeutend länger daure und jeder zusätzliche Zeitverlust vermieden werden müsse, um drohenden Komplikationen vorzubeugen. Unter solchen Umständen sei nicht nur der Entschluss zur aortalen Kanülierung, sondern auch die Gefässverwechslung verständlich, die als immanente Gefahr selbst ohne die vorhandenen Missbildungen bestanden hätte.
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Nach diesen Ausführungen des Experten hatte der Chirurg mehrere gute Gründe, sich für eine aortale Kanülierung zu entscheiden, um dem gefährlichen Blutverlust aus der durchtrennten Koronararterie und dessen Folgen unverzüglich zu begegnen. Es darf ihm deshalb aus der Wahl der Gegenmassnahme kein Vorwurf gemacht werden, auch wenn er dabei im Interesse der Patientin verhältnismässig höhere Risiken einging. Dies gilt umso mehr, als ihm in der Wahl der Mittel und Wege notwendigerweise ein gewisses Ermessen zusteht, das weder der Richter noch der Experte durch sein eigenes ersetzen darf. Denn die Angemessenheit und Rechtfertigung seines Verhaltens beurteilen sich nicht nach dem Sachverhalt, wie er sich nachträglich dem Experten oder dem Richter darstellt; massgebend ist vielmehr, was der Chirurg im Zeitpunkt, in dem er sich für die streitige Massnahme entschied, von der Sachlage halten musste (vgl. BGE 113 II 432 mit Hinweisen).
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c) Dem Gutachten G. ist auch darin zu folgen, dass weder in der Überwachung noch in der Behebung der Fehllage ein Verstoss gegen anerkannte Regeln der Chirurgie zu erblicken ist. Zwischen der Fehlkanülierung und ihrer Entdeckung sind sechs und bis zur femoralen Kanülierung weitere neun Minuten vergangen, was unbestritten und auch nach dem Gutachten des PD S. als den Umständen und der Erwartung entsprechend zu bezeichnen ist. Ähnlich verhält es sich nach PD S., einem Fachmann für Anästhesie wie Prof. St., mit der Überwachung, die dem besonderen Risiko angepasst worden sei und in hämodynamischer Hinsicht das weltweit übliche Masse erreicht habe.
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Auf Antrag des klägerischen Vertreters äusserte PD S. sich auch zur Frage, ob die Fehlkanülierung durch den Einsatz zerebraler Monitoren rechtzeitig zu erkennen gewesen wäre. Er verneinte dies mit ausführlicher Begründung, der weder Prof. St. noch der Vertreter der Klägerin etwas beizufügen hatte. PD S. hielt insbesondere fest, die Monitore befänden sich noch in einem Stadium der Evaluation, seien nur in einer äusserst günstigen Umgebung zu gebrauchen und nicht leicht zu bedienen; selbst wenn die Fehlkanülierung damit früher zu erkennen gewesen wäre, hätte die Zeit nicht gereicht, um die Unterbrechung der Blutversorgung auf die kritische Grenze von höchstens fünf bis sechs Minuten zu beschränken und damit die Hirnschädigung zu verhindern. Dem ist mangels Einwänden ebenfalls beizupflichten.
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d) Bei diesem Ergebnis der Beweiswürdigung erübrigt sich, zu den von Prof. St. aufgeworfenen Fragen über die Fehlkanülierung, die er als vorwerfbar bezeichnet, eine Oberexpertise einzuholen. Die Fragen betreffen den chirurgischen Teil, wozu Prof. St. als Herzanästhesist sich mit zwei Vorwürfen begnügte, sich aber nicht näher äussern wollte; er empfahl eine weitere Expertise bloss, "um evtl. aus dem gutachterlichen Patt herauszukommen", das er übrigens mit seiner Meinung über die Kanülierung selber geschaffen hatte. Dazu kommt, dass die angeblich noch offenen Fragen im Einverständnis mit der Klägerin Prof. G. vorgelegt worden sind, der sich damit im September 1988 ausführlich auseinandergesetzt hat. Prof. St. nahm dazu nicht mehr Stellung, auch die Klägerin nicht. Umso weniger lässt sich im Ernst sagen, es bestehe Anlass zu Ergänzungen. Abschliessend festzuhalten ist vielmehr, dass alle Gutachter, Prof. St. inbegriffen, sich sinngemäss darin einig waren, es habe sich um einen äusserst komplizierten Herzfehler gehandelt, der wegen vorbestehender Verwachsungen und Anomalien im Verlauf von Kranzarterien nicht nur den Eingriff als solchen, sondern auch die Unterscheidung zwischen Aorta und Lungenarterie erschwert habe.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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