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25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Februar 1989 i.S. A. und Mitbeteiligte gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. |
2. Gibt die ersuchte Behörde dem ersuchenden Staat die Vollzugsakten ohne Prüfung der Geheimnisinteressen Dritter "en bloc" heraus, so verletzt sie dadurch die Bestimmungen gemäss Art. 10 Ziff. 2 RVUS, Art. 13 Abs. 3 lit. a und Art. 28 BG-RVUS sowie das Verhältnismässigkeitsgebot (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Die ersuchende Behörde hält dafür, das den Beschuldigten angelastete Verhalten erfülle die Tatbestände gemäss §§ 371 und 1001 des Titels 18 und gemäss § 7206 Abs. 1 und 2 des Titels 26 des Gesetzbuches der USA, ferner diejenigen gemäss §§ 5 (b) und 16 des Titels 50 des Anhanges des Gesetzbuches der USA, und nebstdem verstosse es auch gegen verschiedene unter diesem Anhang ![]() | 2 |
Nachdem sich das Bundesamt für Aussenwirtschaft zur Frage der beidseitigen Strafbarkeit der Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten geäussert hatte, gelangte das BAP zum Schluss, dass Strafbarkeit sowohl nach amerikanischem als auch nach schweizerischem Recht vorliege und Zwangsmassnahmen wegen der Bedeutung dieser Straftaten gerechtfertigt seien (Art. 4 Ziff. 3 RVUS). Es sandte daher das Rechtshilfebegehren zum Vollzug an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Hiergegen erhoben B. und C. Einsprache (Art. 16 des Bundesgesetzes zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen vom 3. Oktober 1975, BG-RVUS, SR 351.93), welche vom BAP mit Verfügung vom 4. August 1987 abgewiesen wurde, soweit darauf einzutreten war und der Entscheid nicht einer andern Behörde - gemäss Art. 4 lit. a BG-RVUS dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) - zustand. Die gegen diese Verfügung eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde vom Bundesgericht am 18. November 1987 abgewiesen. Das Bundesgericht erwog, dass es sich bei der den Beschuldigten angelasteten unerlaubten Ausfuhr von Helikoptern nach Nordkorea weder um politische noch um fiskalische Delikte im Sinne von Art. 2 Ziff. 1 lit. c Abs. 1 und 5 RVUS handle; die Rügen der fehlenden beidseitigen Strafbarkeit und der Verletzung des Verhältnismässigkeitsgebotes erachtete es als unbegründet. Mit Entscheid vom 19. November 1987 wies das EJPD seinerseits auch den Einwand ab, durch die Rechtshilfeleistung würden wesentliche schweizerische Interessen verletzt. Dieser Entscheid wurde nicht an den Bundesrat weitergezogen.
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Am 8. Januar 1988 verfügte die Bezirksanwaltschaft Zürich den Beizug aller bei der Bank X. in Zürich befindlichen Kontenunterlagen bezüglich der im Ersuchen genannten Personen. A., B., C., D. und E. erhoben gegen diese Verfügung Rekurs an die Staatsanwaltschaft ![]() | 4 |
Mit Entscheid vom 17. Mai 1988 wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich den von A., B., C., D. und E. gegen die Verfügung der Bezirksanwaltschaft vom 8. Januar 1988 erhobenen Rekurs ab und erklärte diese Behörde "für berechtigt und verpflichtet, die beschlagnahmten Kontenunterlagen dem Bundesamt für Polizeiwesen zu übergeben".
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Hiergegen erhoben die Rekurrenten Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie ersuchten das Bundesgericht, das BAP unverzüglich über die Beschwerdeführung zu orientieren, damit die Wirkung der Beschwerde, der gemäss Art. 17 Abs. 5 BG-RVUS aufschiebende Wirkung zukomme, nicht durch eine unverzügliche Übermittlung der Vollzugsakten an die amerikanischen Behörden (Art. 13 Abs. 3 BG-RVUS) vereitelt werden könne. Nach erfolgter Orientierung über die Beschwerdeführung teilte das BAP dem Bundesgericht mit, die Vollzugsakten seien bereits am 13. Juni 1988 an die amerikanische Zentralstelle gesandt worden. Mit Eingaben vom 28. Juli und 22. August 1988 kritisierten die Beschwerdeführer das Vorgehen des BAP.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit auf sie eingetreten werden kann, im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen und im übrigen abgewiesen.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Es ist unbestritten, dass gemäss dem zwischen B. und C. einerseits und der amerikanischen Staatsanwaltschaft des Zentralbezirks Kalifornien anderseits am 10. Februar 1988 abgeschlossenen "plea agreement" sämtliche Anklagepunkte zurückgezogen wurden, die Gegenstand des Rechtshilfeersuchens vom 7. Mai ![]() | 8 |
Auf den ersten Blick scheinen die genannten Vereinbarungen, namentlich das - gestützt auf das amerikanische Gesetzbuch und strafprozessuale Bestimmungen abgeschlossene - "plea agreement" vom 10. Februar 1988, das Ersuchen vom 7. Mai 1987 gegenstandslos gemacht zu haben. Demgegenüber ist aber wenigstens erstaunlich, dass B. und C. nicht bereits mit ihrer Mitte 1987 erhobenen Einsprache gemäss Art. 16 BG-RVUS und mit ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des BAP vom 4. August 1987 auf das oben genannte, schon im Oktober 1986 abgeschlossene "cooperation agreement" hingewiesen hatten. Ebenso erstaunlich ist, dass dieselben Personen als Hauptangeklagte in der Gegenstand des Ersuchens bildenden Strafuntersuchung nicht eine Bestimmung in das am 10. Februar 1988 abgeschlossene "plea agreement" aufnehmen liessen, wonach das Rechtshilfebegehren zurückgezogen würde. Dies lässt bei objektiver Betrachtungsweise den Schluss zu, dass die amerikanischen Behörden eben nicht auf den Vollzug ihres Ersuchens verzichtet haben, was durch das nur 12 Tage nach Unterzeichnung des "plea agreement" zuhanden des BAP verfasste Memorandum der amerikanischen Staatsanwaltschaft bestätigt wird, in dem diese darlegte, weshalb die ersuchenden Behörden nach wie vor auf die Rechtshilfe angewiesen seien. Die in diesem Memorandum aufgeführten Gründe dafür, am Ersuchen festzuhalten, leuchten im übrigen auch ohne weiteres ein; es ist ohne weiteres verständlich, dass der ersuchende Staat überprüfen will, ob das "plea agreement" nicht allenfalls betrügerisch erwirkt wurde. Um dies beurteilen zu ![]() | 9 |
Somit verbleibt die Frage zu prüfen, ob das Ersuchen immer noch ein Verfahren gemäss Art. 1 Ziff. 1 RVUS betrifft. Die Rechtsprechung hat dem Begriff des "Verfahrens" im Sinne dieser Bestimmung seit jeher eine ziemlich weite Bedeutung beigemessen (s. BGE 109 Ib 50 E. 3, nicht publ. Urteil vom 12. Mai 1982 i.S. J. S.). So sind etwa bereits die Untersuchungen der amerikanischen "Securities and Exchange Commission" (SEC) den Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren nach Art. 1 Ziff. 1 RVUS gleichzustellen, wie ganz allgemein Abklärungen durch eine staatliche Behörde, die geeignet sind, ein förmliches Strafverfahren herbeizuführen, von der genannten Bestimmung erfasst werden (BGE BGE 109 Ib 51 E. 3a, s. auch BGE 113 Ib 270 E. 5a und nicht publ. Urteil vom 2. November 1988 i.S. B. M.; vgl. CURT MARKEES, Aktuelle Fragen der Internationalen Rechtshilfe, ZStrR 89/1973, S. 254). Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der ersuchende Staat sein Rechtshilfebegehren auch nach dem Abschluss der erwähnten Vereinbarungen, welche das dem Ersuchen zugrundeliegende Strafverfahren betreffen, nicht zurückgezogen hat. Vielmehr haben die zuständigen amerikanischen Behörden nur wenige Tage nach Abschluss dieser Vereinbarungen unmissverständlich bekundet, ihre Abklärungen im Sinne des Ersuchens weiterführen zu wollen, um - wie erwähnt - beurteilen zu können, ob die Beschwerdeführer das "plea agreement" in betrügerischer Absicht erwirkten oder nicht. Wäre es tatsächlich betrügerisch erschlichen worden, so könnte dies zur Folge haben, dass darauf zurückzukommen und allenfalls die Strafuntersuchung wiederaufzunehmen wäre. Berücksichtigt man die aufgezeigten Besonderheiten des dem schweizerischen Verfahrensrecht unbekannten Instituts des "plea agreement", so drängt es sich auf, mit dem ersuchenden Staat davon auszugehen, dass es sich bei den noch vorzunehmenden Abklärungen ebenfalls um ein Verfahren im Sinne von Art. 1 Ziff. 1 RVUS handelt. Diese Lösung erscheint um so gerechtfertigter, als die zuständigen amerikanischen Behörden ihre Absicht auch mit Schreiben vom 18. Februar 1988 bekräftigt und zugesichert haben, sich an den Spezialitätsgrundsatz gemäss Art. 5 RVUS zu halten.
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Diese Rüge ist zulässig, soweit sie von D. und E. erhoben worden ist, auch wenn die beiden im amerikanischen Ersuchen nicht aufgeführt sind. Die beiden behaupten der Sache nach, Beziehungen zu den Gegenstand des Begehrens bildenden Konten unterhalten zu haben, so dass sie bei Bewilligung der verlangten Rechtshilfe in ihren persönlichen Interessen betroffen würden. Art. 13 Abs. 2 BG-RVUS bestimmt für einen solchen Fall, in dem die erhobenen Beweise Geheimnisse Dritter (Art. 10 Ziff. 2 RVUS) berühren, dass die Zentralstelle den Berechtigten mitteilt, innerhalb von zehn Tagen gegen die Übermittlung der Vollzugsakten Einsprache erheben zu können, sofern sie dazu noch nicht Gelegenheit hatten.
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Nach Art. 13 Abs. 3 lit. a BG-RVUS kann die Zentralstelle die Vollzugsakten ohne weiteres den amerikanischen Behörden übermitteln, wenn keine Geheimnisse Dritter berührt sind (oder die Frist zur Einsprache abgelaufen ist). Enthält ein Schriftstück neben Angaben, zu deren Übermittlung die Schweiz nach Vertrag verpflichtet ist, noch solche, die nach Art. 3 Abs. 1 oder Art. 10 Ziff. 2 RVUS unzulässig sind, so ist eine Abschrift oder Fotokopie zu übergeben, in der die geheimzuhaltenden Worte oder Sätze weggelassen oder auf andere Weise ausgemerzt sind; der das Ersuchen ausführende Beamte hat auf dem Schriftstück die Tatsache, die Stelle und den Grund der Weglassung zu vermerken und zu bescheinigen, dass es sonst in allen Teilen mit dem Original übereinstimmt (Art. 28 Abs. 1 BG-RVUS). Das Bundesgericht hat schon wiederholt auf die generelle Pflicht der ersuchten Behörden hingewiesen, die herauszugebenden Akten im Sinne der genannten Bestimmung zu sichten und beim Vollzug des Ersuchens nicht über das Begehren des ersuchenden Staates hinauszugehen (s. BGE 113 Ib 168 E. 6, BGE 112 Ib 590, ferner nicht publ. Urteile vom 27. Februar 1987 i.S. T. und vom 8. Februar 1984 i.S. Bank S.).
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Im Sinne dieser Ausführungen hat das BAP die amerikanischen Behörden einzuladen, die bereits erhaltenen Dokumente zurückzusenden. Hernach hat es den Inhalt dieser Dokumente nach Art. 28 BG-RVUS und der in diesem Zusammenhang massgebenden, oben dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu sichten, um so die Geheimnisinteressen der unbeteiligten Dritten D. und E. zu schützen, dies selbstverständlich unter dem Vorbehalt, dass das Rechtshilfeersuchen nicht noch auf diese beiden ausgedehnt wird.
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