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32. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Januar 1989 i.S. Schweizerischer Bund für Naturschutz, Aqua Viva, Rheinaubund, Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz gegen Engadiner Kraftwerke AG, Konzessionsgemeinden Scuol, Sent, Ramosch und Tschlin, Regierung des Kantons Graubünden, Eidgenössisches Departement des Innern sowie Bundesamt für Wasserwirtschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerden) | |
Regeste |
Fischerei- und naturschutzrechtliche Bewilligung sowie Rodungsbewilligung für den Bau des Kraftwerkes Pradella, Ausnahmebewilligung nach Art. 22 NHG und Ersatzmassnahmen im Sinne von Art. 18 Abs. 1ter NHG im Falle der Rodung von Ufervegetation. |
2. Die Begriffe "Wiederherstellung" und "Ersatz" im Sinne von Art. 18 Abs. 1ter NHG gehen weiter als derjenige der "Ersatzaufforstung" gemäss Art. 26bis FPolV. Im Falle der Rodung von Ufervegetation geht es nicht nur um einen flächenmässigen Ersatz derselben Art von Wald, sondern darum, die Voraussetzungen nach Raum, Wasserführung usw. zu erhalten oder neu zu schaffen. Nötig ist eine umfassende Betrachtung, in welche auch die landschaftlichen Gegebenheiten miteinzubeziehen sind. | |
Sachverhalt | |
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Aus den Erwägungen des Teilurteils ergibt sich ferner, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten ist, soweit die Beschwerdeführer geltend machen, Art. 22 des Bundesgesetzes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (WRG, SR 721.80) sei verletzt worden. Anzuwenden sind hingegen in Berücksichtigung des Vorbehaltes betreffend Respektierung des wohlerworbenen Rechts das Fischereigesetz, das Natur- und Heimatschutzgesetz, das Forstrecht sowie das Umweltschutzrecht gemäss Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 (USG, SR 814.01) und den Ausführungsverordnungen hiezu.
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Für die Anwendung des Natur- und Heimatschutzrechts hält das Teilurteil fest, dass die Art. 18 und 21 NHG in ihrer Fassung gemäss USG zu berücksichtigen seien und dass auch die Tragweite des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN), in welches ein Teil der betroffenen Innstrecke aufgenommen worden war, grundsätzlich zu beachten sei. Zur Anwendung des Umweltschutzrechts stellen die Erwägungen klar, dass das Wasserkraftwerk ein Vorhaben ist, dessen Umweltverträglichkeit zu prüfen ist. Doch ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung im formellen Sinne zu verlangen. Da das Werk bereits vor Inkrafttreten des USG geplant wurde, genügt es nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wenn die vorhandenen Abklärungen materiell den Anforderungen des Gesetzes genügen. Mit dieser Regel stimmt Art. 24 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 (UVPV, AS 1988 S. 1931 ff.) überein, die seit dem 1. Januar 1989 in Kraft ist.
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Schliesslich ist im Teilurteil auch erwähnt, dass das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) am 19. Mai 1987 in Anwendung ![]() | 4 |
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 17. Juni 1987 beantragen die bereits genannten Vereinigungen mit Hinweis auf ihre gegen die fischerei- und naturschutzrechtliche Bewilligung eingereichte Beschwerde vom 17. Februar 1986, es sei auch die vom EDI erteilte Rodungsbewilligung vom 19. Mai 1987 aufzuheben.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
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cb) Aus der am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Änderung und Ergänzung des NHG ergibt sich als erstes die zwingende Notwendigkeit einer Zusammenarbeit der für die Bewilligungserteilung zuständigen Behörden. Aus diesem Grunde drängte die bundesgerichtliche Delegation an der Augenscheinsverhandlung vom 20. November 1986 auf den Entscheid über das von der EKW-AG gestellte Rodungsgesuch. Auch wenn Behörden verschiedener Hoheitsträger - für die fischerei- und naturschutzrechtliche Bewilligung die kantonale Regierung, für die forstrechtliche Rodungsbewilligung aufgrund des hier in Frage stehenden Ausmasses das EDI - zuständig sind, ist die Koordination der Bewilligungen unumgänglich, lässt sich doch erst aufgrund einer gesamthaften Beurteilung entscheiden, ob die Vorschrift des Art. 18 Abs. 1ter NHG beachtet wird. Erst gestützt auf die vom EDI am 19. Mai 1987 erteilte Rodungsbewilligung ist diese Beurteilung möglich.
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cc) Soll der Bestimmung des Art. 18 Abs. 1ter NHG nachgekommen werden, so ist eine genaue Ermittlung der besonders geschützten Waldflächen unumgänglich. Das EDI ist nicht anderer Ansicht, doch ist es der Meinung, es habe im Rahmen des Möglichen ![]() | 9 |
Die Beschwerdeführer möchten im Lichte der neuen Vorschriften der Natur- und Heimatschutzgesetzgebung für Rodungsbewilligungen vier Waldkategorien unterscheiden. Ob sich dies aufdrängt, hat das Bundesgericht nicht zu entscheiden. Es ist Sache der Forstbehörden, eine den gesetzlichen Vorschriften gerecht werdende Praxis zu bilden. Hingegen ist eine genaue Ermittlung der besonders geschützten Waldflächen sowie die Prüfung der Frage zu verlangen, ob für deren Rodung qualitativ in derselben Gegend Realersatz beschafft werden kann. Dabei darf die Forderung nach Realersatz, der "in der Regel durch eine flächengleiche Neuaufforstung in derselben Gegend zu leisten ist" (Art. 26bis Abs. 1 FPolV), nicht in einem räumlich zu engen Sinne verstanden werden. Kann Auenvegetation, die gerodet werden muss, an anderer Stelle des gleichen Flusslaufes ersetzt werden, so wird der Forderung entsprochen, auch wenn zwischen der Rodungsfläche und dem neuen Standort eine mehrere Kilometer umfassende Distanz liegt, wie dies im vorliegenden Fall zwischen dem Standort Pradella und der allenfalls möglichen Ersatzbeschaffung bei Strada zutrifft. Wenn im Regelfall die Ersatzbeschaffung auf das Gebiet der betroffenen Gemeinden zu beschränken ist, steht im Falle eines Werkes, an dem mehrere Gemeinden beteiligt sind, wie dies hier zufolge der Konzessionsgewährung zutrifft, einem Ausgleich der Rodungsflächen innerhalb des Gebietes aller Gemeinden nichts entgegen. Vorausgesetzt werden muss dabei allerdings, dass der Ersatzstandort im nach natürlichen, vorab landschaftlichen Gegebenheiten gleichen Raum gewählt wird, was hier, für den Bereich Strada-San Niclà zutrifft.
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Der entsprechenden Betrachtungsweise wird Ziff. 2 der Rodungsbewilligung nicht in vollem Umfange gerecht. Dies ist freilich verständlich, da sich erst im Laufe des bundesgerichtlichen Verfahrens im Zusammenhang mit dem Projekt einer Umfahrungsstrasse bei Strada, welche einen weiteren Eingriff in geschützte Auenvegetation zur Folge hat, die Möglichkeit gezeigt hat, allenfalls in jenem Gebiet früher vorhandene Auenvegetation zu revitalisieren. Ob und inwieweit es eine solche Möglichkeit erlaubt, für die bei Pradella nötige Rodung von Auenvegetation Ersatz zu beschaffen, setzt eine genaue Ermittlung der in Betracht kommenden Flächen im Sinne einer Auenwaldbilanz vor und nach den ![]() | 11 |
cd) Aus dem am 4. Juli 1988 eingegangenen Bericht ergibt sich, dass bei Pradella geschützter Auenwald im Ausmass von 35 774 m2 gerodet werden muss. In der Gemeinde Scuol ist bei Chanaröl eine Ersatzbeschaffung von Auenwald im Ausmass von 4183 m2 möglich. Es verbleibt ein Manko an Auenvegetation im Umfange von 31 591 m2.
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Gemäss dem am 15. Juli 1988 von Dr. Peter Voser erstatteten Bericht kann dieses Manko im Gebiet von Strada ersetzt werden. Sofern sich dies aufgrund einer genauen Überprüfung als möglich erweist, so reduzieren sich die vom EDI in der Rodungsbewilligung angeordneten Ersatzaufforstungsflächen um das entsprechende Ausmass. Die bereits bezeichneten Flächen könnten als Ersatz anderer Rodungsflächen dienen, wie sie für die weiteren Projekte, welche nicht Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens bilden, benötigt werden, insbesondere die Umfahrungsstrasse von Strada und die Verlegung des bestehenden Kieswerkes von Strada, welche einen echten Gewinn für die Flusslandschaft des Inns bringen wird, falls sie - wofür gute Aussichten bestehen - realisiert werden kann. Die Regierung des Kantons Graubünden unterstützt daher in ihrer Vernehmlassung eine entsprechende Neufestsetzung der Ersatzaufforstungsflächen.
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ce) Auch das EDI ist bereit, sich der dargelegten gesamthaften Betrachtung anzuschliessen, wie sich aus seiner Vernehmlassung vom 29. August 1988 ergibt. Zutreffend hält es fest, dass in jedem Fall eine solche koordinierte Lösung der Rodungsfrage für verschiedene Projekte eine Änderung der Rodungsbewilligung vom 19. Mai 1987 bedingt, sei es direkt durch einen Entscheid des Bundesgerichts, sei es in einem erneut beschwerdefähigen Departementsentscheid. Die Beschwerdeführer begrüssen ein solches Vorgehen grundsätzlich ebenfalls. Doch melden sie verschiedene Vorbehalte in bezug auf das Ausmass der Ersatzflächen bei Strada sowie hinsichtlich deren Anordnung an. Sie sind in rechtlicher Hinsicht namentlich der Ansicht, die ursprünglich bei Strada gegebene Auenvegetation sei - jedenfalls zum Teil - ohnehin wiederherzustellen. Sie berufen sich hiefür auf die am 1. Februar 1988 in Kraft getretene weitere Änderung des NHG, mit der ein umfassenderer Schutz der Biotope angeordnet wird (Art. 18a-18d NHG in der Fassung des Gesetzes vom 19. Juni 1987).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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"Vorbehalten bleiben für die Beseitigung der Ufervegetation besondere Massnahmen gemäss Art. 18 Abs. 1ter NHG, welche von der Regierung in Abstimmung mit der vom EDI zu erteilenden Rodungsbewilligung angeordnet werden."
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2. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die vom EDI am 19. Mai 1987 erteilte Rodungsbewilligung wird teilweise gutgeheissen, Ziff. 2 der angefochtenen Bewilligung betreffend Rodungsersatz wird aufgehoben und das Departement angewiesen, für den Verlust der Auenvegetation besondere Massnahmen gemäss Art. 18 Abs. 1ter NHG, welche in Abstimmung mit der von der Regierung zu ergänzenden naturschutzrechtlichen Bewilligung zu treffen sind, anzuordnen.
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