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61. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. Juni 1989 i.S. B. gegen Sportbetriebe Brünnli AG, Einwohnergemeinde Hasle bei Burgdorf und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 15 USG, Art. 8, 13, 36 und 40 Abs. 3 LSV; Lärmschutz bei Erweiterung einer Kunsteisbahn. |
- Art. 36 LSV verleiht nicht nur einen Anspruch auf rechtliches Gehör, sondern statuiert eine Ermittlungspflicht der Behörden (E. 3a). |
- Grundsätze zur Beurteilung von Lärmimmissionen direkt gestützt auf Art. 15 USG, wenn Belastungsgrenzwerte fehlen (E. 3b). |
- Bei der Abklärung der Sanierungspflicht gemäss Art. 13 Abs. 1 LSV sind keine speziellen Massstäbe anzulegen (E. 3c). |
Kann die Baubewilligung für die Erweiterungsbaute nur erteilt werden, wenn vorgängig die Sanierungspflicht abgeklärt und allenfalls die Sanierung angeordnet worden ist? Frage verneint (E. 4). |
- Sowohl Art. 8 Abs. 2 LSV als auch Art. 15 USG verlangen nur bei wesentlichen, für die Lärmbelastung erheblichen Änderungen von Anlagen eine sofortige Sanierung (E. 4b, c). | |
Sachverhalt | |
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Diesen Entscheid der Baudirektion fochten die Eheleute B. beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern an. Sie machten im wesentlichen ![]() | 2 |
Mit Urteil vom 31. Oktober 1988 wies das bernische Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintrat. Hiegegen haben die Eheleute B. beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und verlangt, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanzen zurückgewiesen werde. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne der Erwägungen ab.
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Erwägungen: | |
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b) Die Beschwerdeführer werden als Nachbarn der Kunsteisbahn und Einsprecher im Baubewilligungsverfahren vom angefochtenen Entscheid berührt, haben ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung und sind daher zur Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt (Art. 103 lit. a OG).
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2. a) Die Beschwerdeführer haben im kantonalen Verfahren und in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht, der Betrieb auf der Eisbahn und auf den Zufahrtsstrassen zur Sportanlage sei bereits heute - unabhängig von der geplanten Erweiterung - mit derart starkem Lärm verbunden, dass Sanierungsmassnahmen angeordnet werden müssten. Die nach Art. 15 USG zulässigen Immissionsgrenzwerte seien bei weitem überschritten. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt offensichtlich unvollständig und teilweise unrichtig festgestellt: Es seien weder Messungen durchgeführt noch Gutachten eingeholt und auch die ![]() | 6 |
b) Das Verwaltungsgericht hat die Sanierungsbedürftigkeit der bestehenden Eisbahn- und Tennisanlage im angefochtenen Entscheid verneint. Hiezu wird ausgeführt, Sanierungsmassnahmen seien nur anzuordnen, falls die Anlage wesentlich zur Überschreitung des Immissionsgrenzwertes beitrage und soweit die Sanierung technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar sei, wobei allerdings die Immissionsgrenzwerte in der Regel nicht überschritten werden sollten (Art. 13 Abs. 1 und 2 LSV). Nun habe zwar der Verordnungsgeber in den Anhängen zur Lärmschutzverordnung die Belastungsgrenzwerte für verschiedene Lärmarten festgelegt, doch gebe es keine Werte für Sport- und Freizeitanlagen. Fehlten Belastungsgrenzwerte, so beurteile die Vollzugsbehörde die Lärmimmissionen nach der Vorschrift von Art. 15 USG, gemäss welcher der Lärm die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich stören dürfe. Da eine Sanierung nach Art. 13 Abs. 1 LSV nur dann angezeigt sei, wenn die bestehende Anlage "wesentlich" zur Überschreitung der Grenzwerte beitrage, dürften an die Erheblichkeit der Störung des Wohlbefindens der Bevölkerung strengere Massstäbe angelegt werden, als wenn es um die Zulässigkeit einer neuen Anlage ginge.
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Im vorliegenden Fall sei, wie das Verwaltungsgericht weiter darlegt, keine solche wesentliche Störung des Wohlbefindens der Anwohner anzunehmen. Die Sportbetriebe Brünnli AG habe sich verpflichtet, die Sportanlage um 22 Uhr und den Parkplatz ab 22.30 Uhr zu schliessen. Musik über Lautsprecher ertöne nur am Mittwoch, Samstag und Sonntag von 14-16 Uhr. Der bestehende Kiosk werde in den Aufenthaltsraum verlegt und bleibe nur bis 20 Uhr offen, sofern keine Hockeyspiele stattfänden. Durch diese Betriebsbeschränkungen werde ein emissionsarmer Betrieb gewährleistet und bleibe insbesondere die Nachtruhe gewahrt. Auch aus dem Umstand, dass nur die Einsprache der Beschwerdeführer gegen die Erweiterungsbaute aufrechterhalten worden sei, ergebe sich, dass der Betrieb von den Anwohnern im allgemeinen akzeptiert werde und die Immissionen sie in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich störten. Im übrigen fiele als wirksame Sanierungsmassnahme vor allem eine Überdeckung der gesamten Anlage in Betracht und solle später einmal eine solche vorgenommen werden. Es wäre indessen unverhältnismässig, eine derart kostspielige ![]() | 8 |
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a) Zur Ermittlungspflicht hat das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Begehren der Beschwerdeführer um zusätzliche Beweiserhebungen ausgeführt, die Vorschrift von Art. 36 LSV gewährleiste lediglich den Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie verpflichte die Behörde oder das Gericht, die form- und fristgerecht angebotenen, sich auf wesentliche Tatsachen beziehenden Beweise abzunehmen oder solche von Amtes wegen zu erheben, verbiete es indessen nicht, das Beweisverfahren zu schliessen, wenn aufgrund der Lage der Akten, der eigenen Kenntnis oder der bereits abgenommenen Beweise der rechtlich erhebliche Sachverhalt für genügend geklärt erachtet werde. Bei der antizipierten Beweiswürdigung stehe den Behörden und Gerichten ebenso wie bei der Würdigung von bereits erhobenen Beweisen ein weiter Spielraum des Ermessens zu.
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Im angefochtenen Entscheid wird die Ermittlungspflicht im Sinne von Art. 36 LSV für den vorliegenden Fall weder ausdrücklich bejaht noch verneint. Da sich das Verwaltungsgericht jedoch selbst in Anwendung von Art. 40 Abs. 3 LSV gestützt auf Art. 15 USG mit der Lärmsituation auseinandergesetzt hat, ist anzunehmen, dass es an sich vom Bestehen der Ermittlungspflicht ausging. In der Tat kann wohl nicht ausgeschlossen werden, dass die Aussenlärmimmissionen einer ungedeckten Eisbahn, die in den Wintermonaten täglich bis 22 Uhr in Betrieb ist und auf der rund 80 Meisterschaftsspiele stattfinden, die für Wohnzonen massgebenden Immissionsgrenzwerte erreichen oder überschreiten.
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b) Dass der Verordnungsgeber für Sport- und Freizeitanlagen keine Belastungsgrenzwerte und keine Grundsätze zur Bemessung des Beurteilungspegels festgesetzt, sondern auf Art. 15 USG verwiesen hat, bedeutet nicht, dass über die Störwirkung einer solchen Anlage nur aufgrund des subjektiven Empfindens der Behörde oder einzelner Personen entschieden werden könne. Zwar sind nach Art. 15 USG die Immissionsgrenzwerte für Lärm so festzulegen, dass die sie nicht erreichenden Immissionen nach dem Stand der Wissenschaft "oder nach der Erfahrung" das Wohlbefinden der Bevölkerung nicht erheblich stören. Da jedoch auf das Wohlbefinden der Bevölkerung abzustellen ist, wobei gemäss Art. 13 Abs. 2 USG auch auf Personengruppen mit erhöhter Empfindlichkeit Rücksicht zu nehmen ist, können nur allgemeine Erfahrungswerte und nicht bloss Meinungen einzelner als Massstab beigezogen werden. Das heisst, dass auch bei der Beurteilung von Lärmimmissionen direkt gestützt auf Art. 15 USG objektivierte Kriterien anzuwenden sind (vgl. Entscheid vom 17. Mai 1988 E. 3c, publ. in ZBl 90/1989 S. 226). Zwar kann der Behörde nicht zugemutet werden, in jedem Einzelfall - ähnlich wie bei der Festlegung ![]() | 13 |
Im Hinblick auf diese Grundsätze erscheinen die Sachverhaltsfeststellungen, die das Verwaltungsgericht seinem Entscheid über die Sanierungsbedürftigkeit der Eisbahn zugrunde gelegt hat, als ungenügend. Es sind weder Messungen noch Befragungen vorgenommen, noch ist auf Untersuchungen bei anderen Sportanlagen abgestellt worden. Das vom Verwaltungsgericht mitberücksichtigte Parteigutachten sagt nichts über die heutige Lärmsituation aus. Dass einzig die Beschwerdeführer Einsprache gegen die Erweiterungsbaute erhoben haben, erlaubt für sich allein den Schluss noch nicht, die übrigen Anwohner fühlten sich durch den von der Eisbahn ausgehenden Lärm nicht gestört. Ebenso bedeutet der Umstand, dass die Nachtruhe gewahrt bleibt, nicht unbedingt, dass die Belästigung tagsüber nicht zu einer erheblichen Störung des Wohlbefindens führen könnte. Wenn schliesslich das Verwaltungsgericht von unverhältnismässig hohen Kosten einer Überdeckung der Eisbahn oder der Ersetzung der Banden spricht, so ist dies eine Frage, die nicht bei der Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit, sondern nach deren Feststellung bei der Auswahl der geeigneten Sanierungsmassnahmen abzuklären ist. Die im angefochtenen Urteil angestellten Überlegungen lassen jedenfalls einen Entscheid darüber, ob die Immissionsgrenzwerte überschritten werden, nicht zu.
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d) Erweist sich somit, dass die Frage der Sanierungsbedürftigkeit der bestehenden Sportanlage im Sinne von Art. 13 LSV nur ungenügend abgeklärt worden ist, so steht den Beschwerdeführern weiterhin das Recht zu, Sanierungsmassnahmen zu verlangen, und wird die Vollzugsbehörde die entsprechenden notwendigen Ermittlungen vornehmen müssen.
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Ergeben diese Ermittlungen, dass der massgebende Immissionsgrenzwert nicht überschritten wird, so darf daraus noch nicht geschlossen werden, dass nichts gegen den Lärm zu unternehmen sei. Wie das Bundesgericht in BGE 113 Ib 400 E. 3 hervorgehoben hat, sind Schutzmassnahmen nicht erst zu ergreifen, wenn die Umweltbelastung schädlich oder lästig wird, sondern sollen auch die bloss unnötigen Emissionen vermieden werden. Unabhängig ![]() | 17 |
Stellt sich dagegen nach weiteren Abklärungen heraus, dass die Lärmbelastung den Immissionsgrenzwert übersteigt, sind Sanierungsmassnahmen im Sinne von Art. 13 ff. LSV anzuordnen. Je nach Dringlichkeit werden diese sofort oder erst später, spätestens aber vor Ablauf von 15 Jahren nach Inkrafttreten der Lärmschutzverordnung durchgeführt werden müssen (Art. 17 LSV).
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a) Für die Änderung bestehender lärmerzeugender Anlagen wird in Art. 8 Abs. 1 LSV in erster Linie vorausgesetzt, dass die Lärmemissionen der neuen oder geänderten Anlageteile so weit begrenzt werden, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist. Unter diesem Gesichtswinkel steht, was auch die Beschwerdeführer nicht bestreiten, dem Bauvorhaben nichts entgegen. Das neue Betriebsgebäude erzeugt selbst keinen Lärm; es wird sogar die von der Eisbahn ausgehenden Emissionen in geringem Masse abzuschirmen vermögen. Die Benutzer werden sich vor allem im Innern des neuen Gebäudes aufhalten und keinen zusätzlichen Aussenlärm verursachen. Etwas anderes gälte, wenn - wie ursprünglich vorgesehen - das Dach des Neubaus ebenfalls als Tribüne ausgestaltet würde. Nachdem aber auf dieses Vorhaben verzichtet worden ist, sind aufgrund von Art. 8 Abs. 1 LSV keine weiteren vorsorglichen Lärmschutzmassnahmen erforderlich.
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b) Wird eine ortsfeste Anlage wesentlich geändert, so müssen nach Art. 8 Abs. 2 LSV die Lärmemissionen der gesamten Anlage mindestens so weit begrenzt werden, dass die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden. Änderungen gelten als wesentlich, wenn zu erwarten ist, dass durch die Anlage selbst oder durch die Mehrbeanspruchung bestehender Verkehrsanlagen ![]() | 21 |
Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass die Eisbahn selbst nicht vergrössert wird und sie schon heute weitgehend ausgelastet ist. Auf die Zusicherungen des Gemeinderates von Hasle, dass der Spielbetrieb nach dem Bau des zusätzlichen Gebäudes nicht intensiviert werde, durfte abgestellt werden. Die Annahme des Gerichtes, dass der Grund für eine allfällige Zunahme der Benützer- und Zuschauerzahl nicht in den durch die zusätzlichen Garderoben und den Aufenthaltsraum gebotenen Annehmlichkeiten zu finden, sondern auf die steigende Beliebtheit der noch relativ neuen Sportanlage und des örtlichen Eishockey- Clubs zurückzuführen sei, vermag zu überzeugen. Demnach kann mit dem Verwaltungsgericht davon ausgegangen werden, dass die Änderung der Sportanlage nicht zu wahrnehmbar stärkeren Lärmimmissionen führen wird - sei es durch die Anlage selbst oder durch eine Mehrbeanspruchung der Zufahrtsstrassen (Art. 8 Abs. 3 LSV) - und daher nicht als wesentlich im Sinne von Art. 8 LSV gilt. Damit entfällt die Pflicht, eine eventuell erforderliche Sanierung schon heute, gleichzeitig mit der Projektierung und Erstellung des zusätzlichen Betriebsgebäudes, durchzuführen.
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c) Dieses Ergebnis hält entgegen der Meinung der Beschwerdeführer auch vor Art. 18 USG stand. Wohl könnte aus dem Wortlaut von Art. 18 USG geschlossen werden, dass sanierungsbedürftige Anlagen bei jedem Umbau und jeglicher Erweiterung gleichzeitig saniert werden müssten, doch wird nach dem klaren Sinn und Zweck dieser Vorschrift eine sofortige Sanierung nur bei wesentlichen, für die Lärmbelastung erheblichen Änderungen verlangt (Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 31. Oktober 1979, BBl 1979 III S. 798; ANDRE SCHRADE, Kommentar zu Art. 18 USG N 14 ff.). Da hier das ![]() | 23 |
5. Müssen nach dem Gesagten die zusätzlichen Ermittlungen und allfälligen Lärmschutzmassnahmen nicht schon im Rahmen der Erweiterung der Sportanlage getroffen werden, so ist die sich gegen die Baubewilligung richtende Beschwerde abzuweisen. Dementsprechend sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den Beschwerdeführern aufzuerlegen und sind diese zu verpflichten, den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).
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