BGE 116 Ib 155 | |||
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21. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13. Juli 1990 i.S. A. gegen Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn, Polizeidepartement des Kantons Solothurn und Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Umtausch eines ausländischen Führerausweises. Art. 44 VZV. | |
Sachverhalt | |
A.- A. wohnt seit 1985 in der Schweiz. Er besitzt einen am 20. Juni 1984 in O., Bundesrepublik Deutschland, ausgestellten Führerausweis. Am 11. Dezember 1987 stellte er bei der Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn ein Gesuch um Umtausch des deutschen Führerausweises in einen schweizerischen.
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Am 10. Juni 1988 wurde A. vom Gerichtspräsidenten in Büren an der Aare zu einer Busse von Fr. 400.-- verurteilt. Er hatte am 16. November 1987 Verkehrsregeln grob verletzt, indem er einen Lastwagen mit Anhänger vor einer unübersichtlichen Kurve überholte, ohne dass er die Gewissheit hatte, rechtzeitig und ohne Behinderung des Gegenverkehrs wieder einbiegen zu können; er fuhr dabei links der Sicherheitslinie. Das Urteil ist rechtskräftig.
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Mit Verfügung vom 14. Dezember 1988 verweigerte ihm die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn den Umtausch des ausländischen Führerausweises in einen schweizerischen und aberkannte zugleich den ausländischen Führerausweis auf unbestimmte Zeit; sie verfügte weiter, für den Erwerb eines schweizerischen Führerausweises habe er die Führerprüfung zu bestehen.
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B.- A. erhob am 23. Dezember 1988 gegen die Verfügung Beschwerde beim Polizeidepartement des Kantons Solothurn. Dieses verfügte am 1. Juni 1989:
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"1. Die Beschwerde des A., vertreten durch Fürsprecher B., wird teilweise gutgeheissen.
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2. Herrn A. wird sein ausländischer Führerausweis für die Dauer von 1 Monat (vom 20. Juni bis 20. Juli 1989) aberkannt.
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3. Nach der Rückgabe des ausländischen Führerausweises wird Herrn A. eine Frist von 6 Monaten gegeben, innerhalb welcher er die theoretische, wie die praktische Führerprüfung zu bestehen hat.
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4. Besteht Herr A. die Prüfung in dieser Zeit nicht, wird ihm sein ausländischer Führerausweis für das Gebiet der Schweiz auf unbestimmte Zeit aberkannt.
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5. Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 100.-- festgesetzt."
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C.- Gegen diese Verfügung erhob A. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 15. September 1989 ab.
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D.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 22. Dezember 1989 stellt A. folgendes Begehren:
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"1. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kts. Solothurn vom 15.9.1989 sei, soweit Ziff. 4 + 5 der Verfügung des Polizeidepartementes des Kts. Solothurn vom 1.6.1989 betreffend, aufzuheben und es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer berechtigt ist, den deutschen Führerausweis gegen einen entsprechenden schweizerischen Führerausweis umzutauschen.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Polizeidepartement und die Motorfahrzeugkontrolle verzichten auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Polizeiwesen stellt den Antrag, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen.
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Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und stellt fest, dass der ausländische Führerausweis des Beschwerdeführers ohne Anordnung einer neuen Führerprüfung in einen schweizerischen umzutauschen ist.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Art. 44 Abs. 3 VZV dient der Verkehrssicherheit und steht in einem Zusammenhang mit Art. 14 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1958 über den Strassenverkehr (SVG; SR 741.01) und mit Art. 24 Abs. 1 VZV. Nach Art. 14 Abs. 3 SVG können die Behörden den Fahrzeugführer einer neuen Führerprüfung unterwerfen, wenn Bedenken über dessen Eignung als Führer bestehen, während nach Art. 24 Abs. 1 VZV eine neue Führerprüfung anzuordnen ist, wenn der Fahrzeugführer Widerhandlungen begangen hat, die an seiner Kenntnis der Verkehrsregeln, an ihrer Anwendung in der Praxis oder am fahrtechnischen Können zweifeln lassen. Diese Voraussetzungen müssen auch dann erfüllt sein, wenn nach Art. 44 Abs. 3 VZV eine neue Führerprüfung angeordnet wird. Die zuständige Behörde darf also nicht einzig und allein auf die begangene Verkehrsregelverletzung abstellen, sondern muss weitere Umstände berücksichtigen, beispielsweise Leumund, Fahrleistung und Dauer des Führerausweisbesitzes (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 17. Juni 1987 i.S. S., E. 2c).
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Die von der Interkantonalen Kommission für den Strassenverkehr herausgegebenen Richtlinien über die Administrativmassnahmen im Strassenverkehr vom 5. November 1981 (im folgenden: Richtlinien) umschreiben die Voraussetzungen einer neuen Führerprüfung näher. Diese Richtlinien stellen zwar keine Rechtssätze dar, doch können sie insofern berücksichtigt werden, als sie Grundsätze enthalten, die die Ansicht von Sachverständigen über die Gesetzesauslegung wiedergeben und den mit der Gesetzesanwendung betrauten Behörden dazu dienen sollen, die einschlägigen Bestimmungen rechtsgleich und anhand sachgemässer Kriterien anzuwenden (BGE 106 Ib 254; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 27. März 1990 i.S. Z., E. 2c).
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Ziff. 2.1.1 der Richtlinien nennt namentlich einige Umstände, die Bedenken hinsichtlich der Kenntnisse der Verkehrsvorschriften oder der sicheren Führung eines Fahrzeuges begründen. Ziff. 2.1.4 der Richtlinien erklärt die gleichen Grundsätze für anwendbar, wenn gegenüber Inhabern ausländischer Führerausweise eine neue Führerprüfung angeordnet werden soll.
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Demnach darf nach Art. 44 Abs. 3 VZV eine neue Führerprüfung nur dann angeordnet werden, wenn sie auch nach Art. 14 Abs. 3 SVG vom Inhaber eines schweizerischen Führerausweises verlangt werden dürfte. Vorausgesetzt ist in beiden Fällen, dass die neue Führerprüfung im Interesse der Verkehrssicherheit notwendig ist; sie darf insbesondere keine Strafe sein (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 9. Januar 1989 i.S. R., E. 3b).
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c) Der Beschwerdeführer wurde bestraft, weil er in einer unübersichtlichen Kurve einen Lastenzug überholt hatte. Damit hatte der Beschwerdeführer eine verkehrsgefährdende Verletzung von Verkehrsvorschriften begangen. Indessen begründet nicht jede verkehrsgefährdende Verletzung von Verkehrsregeln Zweifel daran, ob der Fahrzeugführer die Verkehrsregeln kennt und richtig anwenden kann oder ob er sein Fahrzeug fachgerecht zu bedienen versteht. Eine neue Führerprüfung rechtfertigt sich vielmehr erst dann, wenn - neben der verkehrsgefährdenden Verletzung von Verkehrsvorschriften - die Zweifel an den Fähigkeiten des Fahrzeugführers besonders begründet werden können und darüber hinaus die Verkehrssicherheit ohne neue Führerprüfung nicht mehr gewährleistet wäre.
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Um seinen deutschen Führerausweis zu erwerben, musste der Beschwerdeführer ebenso hohe Anforderungen erfüllen, wie sie an einer schweizerischen Führerprüfung gestellt werden. Er führte mit seinem ausländischen Führerausweis rund drei Jahre lang in der Schweiz offenbar anstandslos ein Motorfahrzeug. Der ihm vorgeworfene Verkehrsunfall vermag deshalb für sich allein genommen keine so erheblichen Zweifel an seiner Kenntnis der Verkehrsregeln und seinen Fähigkeiten als Fahrzeugführer zu begründen, dass eine neue Führerprüfung angeordnet werden müsste. Ausserdem liegt die von ihm begangene Verkehrsregelverletzung heute zweieinhalb Jahre zurück. Nach so langer Zeit seit der verkehrsgefährdenden Tat liegt eine neue Führerprüfung nicht mehr im Interesse der Verkehrssicherheit. Der ausländische Führerausweis des Beschwerdeführers ist deshalb in einen schweizerischen umzutauschen, ohne dass eine neue Führerprüfung angeordnet wird. Damit braucht nicht geprüft zu werden, ob der angefochtene Entscheid die Bundesverfassung verletzt.
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