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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Juli 1990 i.S. Regierungsrat des Kantons Aargau gegen St. und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Raumplanung; Ausnahmebewilligung. |
2. Art. 24 Abs. 1 RPG; Bewilligung für ein Stöckli. |
- Wohnraum für Betagte, die ein Leben lang in der Landwirtschaft gearbeitet haben, ist standortgebunden (E. 3a). |
- Im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG ist zu prüfen, ob dieser Wohnraum im bestehenden Wohnhaus geschaffen werden kann. Erst wenn dies zu verneinen ist, kann der Neubau eines Stöcklis bewilligt werden (E. 3b). |
3. Grundsatz der Rechtsgleichheit. |
Das Bundesgericht ist an eine bundesrechtswidrige Praxis der Kantone nicht gebunden, sondern es hat der gesetzeskonformen Rechtsanwendung zum Durchbruch zu verhelfen (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Gegen diese Bauverweigerung erhob St. erfolglos Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Aargau. Das hierauf angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hiess indessen die Beschwerde von St. gut und stellte fest, "dass das Bauvorhaben nicht wegen Fehlens der Voraussetzungen von Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) abgelehnt werden" dürfe.
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Der Regierungsrat führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 1989 sei aufzuheben und die Baubewilligung für das neue Einfamilienhaus (Stöckli) zu verweigern.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
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aus folgenden Erwägungen: | |
2. Bei einem Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen ist nach der Rechtsprechung zunächst zu prüfen, ob es zonenkonform ist und ihm demnach eine ordentliche Bewilligung nach Art. 22 Abs. 2 RPG erteilt werden kann. Trifft dies nicht zu, stellt sich die Frage, ob es als Ausnahme gestützt auf Art. 24 RPG zu bewilligen ist ![]() | 5 |
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a) Die Standortgebundenheit darf nach der bundesgerichtlichen Praxis nur dann bejaht werden, wenn eine Baute aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist. Dabei beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen noch auf die persönliche Zweckmässigkeit oder Bequemlichkeit ankommen. Bauten, die der Landwirtschaft dienen und betrieblich notwendig sind, werden ausserhalb der Bauzonen grundsätzlich als standortgebunden anerkannt, soweit sie nicht in einer Landwirtschaftszone liegen und wegen ihrer Bodenabhängigkeit ohnehin zonenkonform sind. Dabei sind an die Erfordernisse der Standortgebundenheit strenge Anforderungen zu stellen. Der landwirtschaftliche Zweck darf nicht bloss Vorwand sein, um ein Bauvorhaben zu realisieren, das für die Bewirtschaftung des Bodens nicht erforderlich ist (BGE 115 Ib 299 E. a mit Hinweisen). Folglich ist in jedem Fall anhand eindeutiger Kriterien zu prüfen, ob der Gesuchsteller ein objektiv begründetes Bedürfnis, ausserhalb der Bauzone Wohnsitz zu nehmen, nachweisen kann. Es ist zu untersuchen, ob die ständige Anwesenheit des Gesuchstellers im Landwirtschaftsbetrieb notwendig ist. Reine Wohnbauten ausserhalb der Bauzone sind nur zu rechtfertigen, wenn diese im Hinblick auf die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung unentbehrlich erscheinen.
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Beim Hof des privaten Beschwerdegegners handelt es sich unbestrittenermassen um einen existenzsichernden und lebensfähigen Familienbetrieb. Er setzt die Anwesenheit der Bewirtschafter voraus, und der Anspruch auf Wohnraum für die abtretende Generation wird auch vom Regierungsrat nicht bestritten. Der benötigte Wohnraum ist daher als standortgebunden im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG zu betrachten.
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b) Damit das Bauvorhaben des Beschwerdegegners bewilligt werden kann, dürfen ihm keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG). Dies ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen, in die sowohl öffentliche als auch private Interessen einzubeziehen sind (BGE 114 Ib 130; 112 Ib 120). Alle sich widerstreitenden Interessen müssen vollständig berücksichtigt und deren Gewichtung mit sachgerechten Erwägungen begründet werden (BGE 113 Ib 154; BGE 112 Ib 428). Lenkender Massstab der Interessenabwägung bilden hauptsächlich die Planungsziele und Planungsgrundsätze des Raumplanungsgesetzes (Art. 1 und 3 RPG; BGE 114 Ib 272 E. 3b mit Hinweisen). Diese bezwecken unter anderem, das Kulturland und das Siedlungsgebiet zu trennen, den Siedlungsraum zu beschränken und das Land ausserhalb des baulichen Bereichs grundsätzlich von ![]() | 10 |
Das Verwaltungsgericht prüfte in seinem Entscheid zwei Varianten, mit welchen der für die abtretende Generation benötigte Wohnraum geschaffen werden könnte. Zur Diskussion standen ein Umbau des bestehenden Wohnhauses (Variante Giessen) und ein Neubau eines Stöcklis. Das Gericht stellte dabei fest, dass der Umbau technisch problemlos machbar sei. Trotzdem kam es zum Schluss, der vom Beschwerdegegner geplante Neubau eines Stöcklis könne bewilligt werden, da es der Kosten- und Finanzierungsfrage ein erhebliches Gewicht beigemessen hat. Es ging davon aus, dass bei der Umbauvariante ein Betrag von rund Fr. 450'000.-- durch Fremdfinanzierung aufgebracht werden müsste, während das kostengünstigere Projekt einer freistehenden Stöcklibaute mit einer Fremdfinanzierung von Fr. 200'000.-- bis Fr. 250'000.-- für den Beschwerdegegner finanziell tragbarer sei, wobei sich hier namentlich auch die Eigenleistungsmöglichkeiten eher besser darstellten als bei einem Umbau und keine Umquartierungskosten ![]() | 11 |
Unbestritten ist, dass der benötigte Wohnraum für die abtretende Generation durch Umbau des bestehenden Wohnhauses des Beschwerdegegners geschaffen werden könnte. Wie erwähnt, hat das Verwaltungsgericht trotzdem den geplanten Neubau eines Stöcklis als zulässig erklärt. Es fragt sich daher, ob es mit den dargelegten öffentlichen Interessen vereinbar sei, diesen Neubau aus den vom Verwaltungsgericht angeführten privaten, finanziellen Interessen zu bewilligen, obwohl der fragliche Wohnraum im bestehenden Gebäude integriert werden könnte. Diese Frage ist zu verneinen, da die finanziellen Interessen bei der Interessenabwägung nach Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG nicht ausschlaggebend sein können. Wie das Bundesgericht schon wiederholt im Zusammenhang mit kommunalen Nutzungsplanungen festgehalten hat, müssen solche Interessen in der Regel hinter die öffentlichen Interessen zurücktreten, ansonsten die Ziele der Raumplanung nicht verwirklicht werden könnten (BGE 114 Ia 369 mit Hinweisen). Dieser Grundsatz gilt auch in Fällen wie dem vorliegenden. Dass der verfassungsrechtliche Schutz der Landwirtschaft gemäss Art. 31bis Abs. 3 lit. b und c BV ebenfalls Raumplanungsrecht bildet (EJPD/BRP, Erläuterungen zum RPG, Einleitung, N. 16), steht dazu nicht im Widerspruch. Vielmehr wäre eine Zulassung neuer Bauten aus finanziellen Gründen mit den öffentlichen Interessen an der Schonung der Landschaft, der Freihaltung des Nichtsiedlungsgebietes und der Erhaltung der Landwirtschaftszone als Produktionsfläche nicht vereinbar. Zudem ist hier wie in der Bauzone in Kauf zu nehmen, dass den Wohnbedürfnissen nicht in jedem Fall ideal entsprochen werden kann. Auch Wohnungen in Obergeschossen und gewisse andere Unannehmlichkeiten schliessen deshalb den Einbau einer Alterswohnung ins bestehende Wohnhaus nicht aus. Kann aber der benötigte Wohnraum im ![]() | 12 |
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die privaten finanziellen Interessen, die für den Neubau eines Stöcklis sprechen und die durchaus verständlich sind, hinter die gewichtigen öffentlichen Interessen zurückzutreten haben. Dies gilt hier um so mehr, als der Wohnraum im bestehenden Wohnhaus integriert werden könnte, womit die raumplanerischen Interessen weniger stark beeinträchtigt würden. Das Bauvorhaben kann daher gestützt auf Art. 24 Abs. 1 RPG nicht bewilligt werden, weshalb die Beschwerde in diesem Punkt gutzuheissen ist.
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4. Das Verwaltungsgericht und der Beschwerdegegner nennen verschiedene Fälle, in denen offenbar Neubauten ausserhalb der Bauzonen bewilligt worden sein sollen. Sie vertreten die Auffassung, dass eine Verweigerung der vorliegenden Ausnahmebewilligung im Vergleich zu diesen Fällen einen Verstoss gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit bedeuten würde. Die erwähnten Vergleichsobjekte werden indessen bis auf den Fall Lüscher ohne Bezeichnung der entscheidrelevanten Tatsachenelemente angeführt, so dass in dieser Hinsicht auf die Rüge der Ungleichbehandlung mangels Begründung nicht eingetreten werden kann. Den Fall Lüscher hat der Regierungsrat schon beim seinerzeitigen Entscheid als Grenzfall bezeichnet, und es besteht kein Anlass zur Annahme, dass der Regierungsrat inskünftig eine von den ![]() | 14 |
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