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57. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Oktober 1991 i.S. Schweiz. Bankiervereinigung gegen EVD (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 29, 31 und 37 Abs. 1 des BG vom 20. Dezember 1985 über Kartelle und ähnliche Organisationen (KG); Untersuchung über die gesamtschweizerisch wirkenden Vereinbarungen im Bankgewerbe; Aufhebung der Konvention IV betreffend einheitliche Gebührenrechnung für offene Depots. Verfahrensrechtliche Probleme. |
2. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat im Verfahren nach Art. 37 Abs. 1 KG die aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz fliessenden Parteirechte zu gewähren, doch kann es im Rahmen dieses Gesetzes den Besonderheiten des Kartellverfahrens Rechnung tragen (E. 5): Prüfungs- und Begründungspflicht (E. 6). Recht auf Akteneinsicht (E. 7). | |
Sachverhalt | |
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Die Schweizerische Bankiervereinigung, in deren Rahmen das Übereinkommen ausgearbeitet worden war, lehnte am 6. Juli 1989 diese Empfehlung grundsätzlich ab, kündigte aber gewisse Anpassungen der Konvention IV an. Auf den 1. Januar 1990 hob sie die unterschiedliche Tarifierung für In- und Ausländer auf, indem sie den Satz für Inland- auf jenen für Auslanddepots erhöhte. Die Berechnung einer Minimalgebühr pro Posten und Depot wurde in ![]() | 2 |
Am 31. August 1989 stellte die Kartellkommission dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement den Antrag, die Konvention IV aufzulösen. Trotz der (damals erst angekündigten) Änderungen hielt die Kommission an ihrer Ansicht fest, dass die Ausschaltung des Preiswettbewerbes im Depotgeschäft volkswirtschaftlich schädlich und daher aufzuheben sei.
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Das Departement schloss sich dieser Beurteilung an und verfügte am 10. September 1990 die Auflösung der Konvention bis spätestens 31. Dezember 1992.
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Hiergegen reichte die Schweizerische Bankiervereinigung am 11. Oktober 1990 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, soweit sie die Konvention IV und den Kostenpunkt betreffe; eventuell sei die Sache zur Durchführung eines dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) konformen Vorgehens an das Departement zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
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Erwägungen: | |
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"1 Die Kommission ersucht die Personen, die zur Feststellung des Sachverhalts beitragen können, um die erforderlichen Auskünfte und Urkunden. Sie kann Sachverständige beiziehen.
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2 Kann der Sachverhalt auf diesem Weg nicht abgeklärt werden, vernimmt die Kommission die Beteiligten und Dritte als Zeugen und verlangt von ihnen die notwendigen Urkunden. Die Artikel 15-19 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gelten sinngemäss.
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3 Die Kommission erlässt die Beweisanordnung in Form einer Verfügung.
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4 Die Kommission gibt vor Abschluss des Verfahrens den Beteiligten Gelegenheit, zu den tatsächlichen Feststellungen ihres Berichtes Stellung zu nehmen. Die Beteiligten haben den Bericht geheimzuhalten, solange das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement nicht dessen Veröffentlichung ![]() | 11 |
Stellt die Kommission volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen fest, empfiehlt sie den Beteiligten, Kartellbestimmungen oder unter das Gesetz fallende Abreden abzuändern oder aufzuheben, oder bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen (Art. 32 Abs. 1 KG). Die Betroffenen haben binnen der ihnen gesetzten Frist schriftlich zu erklären, ob sie die Empfehlung annehmen (Art. 32 Abs. 2 KG). Ändern sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich, so kann die Kartellkommission von sich aus oder auf Antrag von Beteiligten die Empfehlung widerrufen oder ändern (Art. 32 Abs. 3 KG).
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Art. 33 und 37 KG regeln das Verfahren vor dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement bei Ablehnung der Empfehlung:
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"Art. 33 Bericht an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement
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1 Nach Abschluss des Verfahrens erstattet die Kommission Bericht und Antrag an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement.
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2 Erachtet dieses eine ergänzende Untersuchung als notwendig, beauftragt es die Kommission damit.
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3 Die Berichte der Kommission werden veröffentlicht, sofern das Departement nicht anders entscheidet.
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Art. 37
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1 Nehmen die Beteiligten Empfehlungen nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 1 nicht an, kann das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement auf Antrag der Kommission binnen dreier Monate seit Eingang der Ablehnung durch Verfügung die erforderlichen Massnahmen anordnen. Es hört die Beteiligten zuvor an.
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2 Bei Nichtbefolgung angenommener Empfehlungen ordnet das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement auf Antrag der Kommission durch Verfügung die erforderlichen Massnahmen an."
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Über die allgemeine Anwendbarkeit der Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes spricht sich das Kartellgesetz nicht aus. Das Verhältnis zwischen den beiden Gesetzen ist deshalb durch Auslegung zu ermitteln.
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4. a) aa) Im Entscheid vom 10. April 1987 in Sachen E.G. Portland gegen die Kartellkommission befand das Bundesgericht, dass im Rahmen des Untersuchungsverfahrens der Kartellkommission eine Berufung auf die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausgeschlossen erscheine (BGE 113 Ib 95 f. E. d/aa und bb). Zum Verfügungsbegriff nach Art. 5 VwVG gehöre, dass Rechte und Pflichten der Adressaten gestaltet bzw. festgestellt würden. Den Untersuchungen der Kartellkommission komme keine solche Wirkung zu. Erst wenn die Empfehlungen abgelehnt ![]() | 22 |
bb) Dieses Urteil des Bundesgerichtes stiess in der Doktrin zum Teil auf Kritik. Das Untersuchungsverfahren gemäss Art. 31 ff. des Kartellgesetzes führe - sofern es nicht eingestellt oder ohne Empfehlungen abgeschlossen werde - in jedem Fall zu Ergebnissen, welche die rechtliche Stellung der Beteiligten berührten, weil die Kartellkommission anregen könne, Kartellbestimmungen oder unter das Gesetz fallende Abreden abzuändern oder aufzuheben, oder bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen. Nähmen die Beteiligten die Empfehlungen an, so würden diese verbindlich und zöge ihre Nichtbefolgung nach Art. 39 lit. a KG strafrechtliche Sanktionen nach sich. Trotz Zustimmungserfordernis liege in den Empfehlungen eine einseitige hoheitliche Anordnung (Verfügung), die zur Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes bereits im Untersuchungsverfahren führen müsse (ERIC HOMBURGER, in: Schweizerische Aktiengesellschaft (SAG) 60/1988 S. 31 ff.; ERIC HOMBURGER, Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, Zürich 1990, S. 367, Rz. 5 ff. zu Art. 31 KG; KLAUS A. VALLENDER, Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung, Bern 1991, S. 294, N 23; MARKUS GEMPERLE, Das Zusammenspiel zwischen Versicherungsaufsicht und Kartellaufsicht im schweizerischen Recht, Diss. St. Gallen 1990, S. 133, FN 473 und S. 168 f.).
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b) Trotz dieser Kritik ist an der Rechtsprechung in BGE 113 Ib 90 ff. festzuhalten.
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aa) Die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes finden nach Art. 1 Abs. 1 dieses Erlasses nur Anwendung auf Verwaltungssachen, die durch Verfügung von Bundesverwaltungsbehörden in erster Instanz oder auf Beschwerde hin zu erledigen sind. Als Verfügungen gelten behördliche Anordnungen im Einzelfall, durch welche eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung rechtsgestaltend oder feststellend in verbindlicher und erzwingbarer Weise geregelt wird (BGE 104 Ia 29 E. d). Dies ist ![]() | 25 |
bb) Neben diesen mehr formellen sprechen auch materielle Gründe dafür, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz auf das Untersuchungsverfahren der Kartellkommission keine allgemeine Anwendung findet.
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Das Kartellgesetz sieht für das verwaltungsrechtliche Verfahren einen zweistufigen Ablauf vor, dessen erste Etappe auf dem Prinzip einer konsensorientierten Zusammenarbeit zwischen Kartellkommission und privater Wirtschaft beruht (vgl. CARL BAUDENBACHER, Funktionszuwachs des Staates als wirtschaftsrechtliches Problem, in: SAG 57/1985 S. 57 ff.; insbesondere S. 66 ff.; PAUL RICHLI, Zu den Gründen, Möglichkeiten und Grenzen für Verhandlungselemente im öffentlichen Recht, in: ZBl 92/1991 S. 381 ff.). Es ist Ausdruck dieses partnerschaftlichen Modelles, dass die Kommission nach Art. 31 Abs. 1 KG die Personen, die ![]() | 27 |
Hätte der Gesetzgeber im Untersuchungsverfahren vor der Kartellkommission generell das Verwaltungsverfahrensgesetz als anwendbar erklären wollen, so hätte er dies zum Ausdruck gebracht. Damit regelt das Kartellgesetz aber die im Untersuchungsverfahren einzuräumenden Rechte abschliessend dahin gehend, dass die Kommission vor Beendigung des Verfahrens den Beteiligten nur Gelegenheit zu bieten hat, zu den tatsächlichen Feststellungen ihres Berichtes Stellung zu nehmen. Falls die Abklärung des Sachverhaltes nicht einverständlich erfolgen kann und damit ein hoheitliches Auftreten des Staates erforderlich wird, hat die Kommission sinngemäss die Art. 15-19 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zur Anwendung zu bringen (vgl. ANDRÉ GRISEL, Avis de droit pour la Commission des cartels, in: VKKP 1987/1 S. 107 ff., insbesondere S. 109; LEO SCHÜRMANN/WALTER R. SCHLUEP, a.a.O., S. 701, FN 3).
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5. Wenn die Kartellkommission in ihren Bemühungen scheitert, durch Empfehlungen an die Beteiligten zu einer Lösung zu finden, sieht das Gesetz vor, dass das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement auf Antrag binnen dreier Monate seit Eingang der Ablehnung die erforderlichen Massnahmen durch Verfügung anordnen kann (Art. 37 Abs. 1 KG). Es stellt sich die Frage, ob das Verwaltungsverfahrensgesetz in diesem Verfahrensabschnitt ![]() | 29 |
a) aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist im Rechtsstaat von grundsätzlicher Bedeutung. Er dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt er ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, der in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift (BGE 116 Ia 99 E. b; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 128 ff.). Sein Umfang bestimmt sich bei Verfahren in Verwaltungssachen, die durch Verfügung von Bundesverwaltungsbehörden in erster Instanz oder auf Beschwerde hin zu erledigen sind, grundsätzlich nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (Art. 1 Abs. 1 VwVG; GEORG MÜLLER, in: Kommentar BV, Art. 4, Rz. 99; vgl. auch PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel 1979, S. 139, 16.23). Mit dessen Inkrafttreten sind vorbehältlich ergänzender Erlasse im Sinne von Art. 4 VwVG mit der neuen Regelung im Widerspruch stehende Bestimmungen des Bundesrechtes aufgehoben worden. Abweichende Verfahrensbestimmungen in Spezialgesetzen schliesst Art. 4 VwVG dagegen nicht aus, doch sind sie "VwVG-konform" zu interpretieren (PETER SALADIN, a.a.O., S. 41, 8.2).
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bb) Aus den Materialien zum Kartellgesetz ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber für das ganze verwaltungsrechtliche Verfahren eine eigenständige Regelung treffen und auf die im Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehenen Parteirechte verzichten wollte (vgl. PAUL RICHLI, Begutachtung, a.a.O., S. 91 ff.).
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Der Expertenentwurf vom 25. September 1978 sah in Art. 42 vor, dass die Kartellkommission, wenn die Beteiligten die Empfehlungen im Sinne von Art. 32 Abs. 1 ablehnen sollten, die erforderlichen Massnahmen binnen drei Monaten seit Eingang der Ablehnung verfügen könne (vgl. Materialien 1978 zur Revision des Schweizerischen Kartellgesetzes, veröffentlicht in: Wirtschaft und Recht (WuR) 31/1979 S. 77 ff.; S. 97). Der Bundesrat räumte die Verfügungsbefugnis in seiner Vorlage dagegen dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement ein. Er wollte dadurch eine zu grosse Machtkonzentration bei der Kartellkommission verhindern und dem Departement Gelegenheit bieten, die Wettbewerbspolitik ![]() | 32 |
cc) Der Bestimmung, wonach das Departement die Beteiligten vor seiner Verfügung anhört (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 KG), kommt unter diesen Umständen nicht die Bedeutung zu, dass über die Anhörung hinausgehende, im Verwaltungsverfahrensgesetz verankerte Parteirechte grundsätzlich beschnitten werden sollten. Die entsprechende Regelung hat entweder keine eigenständige Bedeutung (BBl 1981 II 1364; ERIC HOMBURGER, Kommentar, a.a.O., S. 397, Rz. 3 zu Art. 37 KG), oder sie verankert sogar ein absolutes Anhörungsrecht in dem Sinn, dass Gründe, die nach Art. 30 Abs. 2 VwVG zum Verzicht auf eine Anhörung führen können, im Rahmen des Verfahrens nach Art. 37 Abs. 1 KG unerheblich sind (PAUL RICHLI, Begutachtung, a.a.O., S. 92). Die Frage, welche dieser beiden Auslegungen zutrifft, braucht hier nicht entschieden zu werden; es genügt festzustellen, dass dem zwingenden Charakter der nach dem Scheitern der Empfehlungen der Kartellkommission zu erlassenden Verfügung entsprechend das Verwaltungsverfahrensgesetz auf das Verfahren nach Art. 37 Abs. 1 KG grundsätzlich Anwendung findet (LEO SCHÜRMANN/WALTER R. SCHLUEP, a.a.O., S. 732; ERIC HOMBURGER, Kommentar, a.a.O., S. 396 ff.; MARKUS GEMPERLE, a.a.O., S. 133; PAUL RICHLI, Verfahrensfragen, in: ROGER ZÄCH (Hrsg.), Kartellrecht auf neuer Grundlage, Bern, Stuttgart 1989, S. 221; ROGER ZÄCH, Begutachtung, a.a.O., S. 91 ff.; André Grisel, a.a.O., S. 116 f.).
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b) In der Doktrin wird kritisiert, die im Gesetz vorgesehene Frist von drei Monaten, innert welcher das Departement seine Verfügung zu erlassen habe, verunmögliche praktisch die Durchführung ![]() | 34 |
Er wird einerseits aber dadurch relativiert, dass bereits die Kartellkommission - ohne dass das Verwaltungsverfahrensgesetz Anwendung findet - ihr Verfahren so ausrichten kann, dass dem Departement ein möglichst geringer Aufwand erwächst. Der Kommission steht es beispielsweise frei, im Moment der Fristansetzung zur Stellungnahme nach Art. 32 Abs. 2 KG eine gewisse Akteneinsicht zu gewähren (vgl. PAUL RICHLI, Begutachtung, a.a.O., S. 84/85; PAUL RICHLI, Verfahrensfragen, a.a.O., S. 223/224; dagegen ANDRÉ GRISEL, a.a.O., S. 113), was zudem die Akzeptanzbereitschaft der Beteiligten erhöhen könnte.
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Andererseits schliesst die grundsätzliche Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes vor dem Departement - wie zu zeigen sein wird (vgl. nachstehend E. 6) - die Berücksichtigung kartellrechtlicher Besonderheiten nicht schlechterdings aus. Das Verfahrensrecht verfolgt keinen Selbstzweck, sondern dient der Verwirklichung des materiellen Rechtes (vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, S. 17 ff.). Das Verfahren vor der Kartellkommission, zu dem die Beteiligten unter verschiedenen Gesichtspunkten beitragen (vgl. Art. 31 Abs. 1 und Abs. 4 KG), kann nicht ohne Einfluss auf dasjenige vor dem Departement bleiben. Das verwaltungsrechtliche Kartellverfahren als Ganzes soll rechtsstaatlichen Minimalgarantien genügen, ohne dass seine Zweiteilung in ein kooperativ orientiertes Empfehlungs- sowie ein hoheitliches Verfügungsverfahren es verunmöglicht, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und ähnlichen Organisationen (vgl. Art. 31bis Abs. 3 lit. d BV) rasch und zweckmässig zu sanktionieren (Art. 37 Abs. 1 KG).
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Unter diesen Umständen dürfte es dem Departement möglich sein, auch ohne formelle Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes schon vor der Kartellkommission, zumindest im Dispositiv fristgerecht zu verfügen (ANDRÉ GRISEL, a.a.O., S. 117).
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6. a) Der Kartellkommission kommt als verwaltungsunabhängiger Fachkommission bei der Realisierung des verwaltungsrechtlichen ![]() | 38 |
b) aa) Dem Departement obliegt aber, auf der Grundlage des Berichtes der Kartellkommission und der Vorbringen der Beteiligten (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 KG), nach Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 VwVG eine eigenständige Prüfungs- und Begründungspflicht. Nach Art. 37 Abs. 1 KG kann es, falls die Beteiligten die Empfehlungen nicht annehmen, auf Antrag der Kommission durch Verfügung die erforderlichen Massnahmen anordnen. Damit liegt die Verantwortung für den behördlichen Entscheid, welcher die strittige Rechtsbeziehung in verbindlicher und erzwingbarer Weise regelt, beim Departement. Der Gesetzgeber wollte - wie erwähnt - mit dieser Übertragung der Verfügungsbefugnis eine ![]() | 39 |
bb) Kehrseite der Prüfungspflicht bildet die Begründungspflicht (Art. 35 VwVG; MARK E. VILLIGER, Die Pflicht zur Begründung von Verfügungen, in: ZBl 90/1989 S. 137 ff.; insbesondere S. 160). Ob die Behörde ihrer Prüfungspflicht nachgekommen ist, ergibt sich in erster Linie aus der Begründung der Verfügung oder des Entscheides (ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 147). Die Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene sie gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihre Verfügung stützt (BGE 112 Ia 110 mit Hinweisen). Die Begründung braucht nicht in der Verfügung selbst enthalten zu sein (BGE 113 II 205 E. 2), noch ist nötig, dass sich die Behörde mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken.
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c) Die angefochtene Verfügung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 10. September 1990 wird weder der Prüfungs- (Art. 32 VwVG) noch der Begründungspflicht (Art. 35 VwVG) gerecht.
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aa) Sie hält lediglich standardisiert fest, "dass in casu der von der Kartellkommission ermittelte Sachverhalt, wie er aus dem Bericht Bankengewerbe hervorgeht, als erstellt gelten muss und von den Beteiligten heute auch nicht grundlegend bestritten ist, wobei den zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen gebührend Rechnung zu tragen ist, diese laut Kartellkommission aber ![]() | 42 |
bb) Das Departement setzt sich damit in seiner Verfügung mit den zum Bericht gemachten Ausführungen der Beteiligten nicht auseinander (vgl. MARK E. VILLIGER, a.a.O., S. 153 Ziff. 24). Es ist ihr nicht zu entnehmen, weshalb die Vorinstanz diese Vorbringen als irrelevant bewertet und weshalb den beantragten Beweismitteln im Zusammenhang mit der Auflösung der Konvention IV keine Bedeutung zukommt. Ebensowenig setzt sich das Departement mit der Frage auseinander, weshalb trotz des bestehenden - und nach Angaben der Beschwerdeführerin durch die Anpassung vom 1. Januar 1990 erhöhten - Restwettbewerbs die Konvention IV volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen zeitigt. Wenn das Departement in diesem Punkt auch der der Beschwerdeführerin bekannten Auffassung der Kommission folgt und deshalb an die Begründungspflicht weniger hohe Anforderungen zu stellen sind, hat es sich dennoch zumindest kurz mit den entsprechenden Parteivorbringen auseinanderzusetzen.
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Die Ansicht, es könne nicht darum gehen, die Saldo- anderen Beurteilungsmethoden gegenüberzustellen, überzeugt ebenfalls nicht. Der Gesetzgeber hat in Art. 29 Abs. 2 KG nach intensiver Beratung einen Kriterienkatalog erstellt, den die Kartellkommission bei der Prüfung der volkswirtschaftlichen oder sozialen Schädlichkeit eines Kartelles oder einer ähnlichen Organisation berücksichtigen muss (vgl. ERIC HOMBURGER, Kommentar, a.a.O., S. 311 ff.; LEO SCHÜRMANN/WALTER R. SCHLUEP, a.a.O., S. 657 ff.). Soweit die Beteiligten im Verfahren vor dem Departement eine falsche Anwendung von Art. 29 KG durch die Kartellkommission geltend machen, hat sich das Departement mit der Auslegung dieser Bestimmung zu beschäftigen und kann sich nicht damit begnügen, auf die Ansicht der Kartellkommission zu verweisen.
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7. Die Beschwerdeführerin verlangt weiter eine umfassende Akteneinsicht, d.h. im vorliegenden Fall die Möglichkeit, die schriftlichen (38 Schriftsätze) und mündlichen Befragungen ![]() | 45 |
a) Ist das Verwaltungsverfahrensgesetz auf das Verfahren vor dem Departement anwendbar, so besteht grundsätzlich in diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Akteneinsicht (Art. 26 ff. VwVG). Dabei ist aber auch hier dem besonderen zweistufigen Charakter des verwaltungsrechtlichen Kartellverfahrens - und damit dem Bericht der Kartellkommission, dem in der Regel bereits alle wesentlichen tatbestandsmässigen und rechtlichen Elemente entnommen werden können - Rechnung zu tragen.
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aa) Nach Art. 26 Abs. 1 VwVG besteht ein Akteneinsichtsrecht in Eingaben von Parteien und Vernehmlassungen von Behörden (lit. a), in alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke (lit. b) und in die Niederschriften eröffneter Verfügungen (lit. c). Die Gewährung der Akteneinsicht ist der Grundsatz, deren Verweigerung die Ausnahme (vgl. die Randtitel zu Art. 26 f. VwVG). Nach Art. 27 Abs. 1 lit. a und b VwVG darf die Akteneinsicht zum Schutz "wesentlicher" öffentlicher und privater Interessen verweigert werden. Im Falle der Verweigerung der Einsichtnahme in ein Aktenstück darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen (Art. 28 VwVG; BGE 115 V 300 E. 2c). Der Begriff des "wesentlichen Interesses" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der den Behörden einen weiten Beurteilungsspielraum einräumt. Welches Interesse als wesentlich zu gelten hat, bestimmt sich nicht generell, sondern im konkreten Einzelfall (PETER SALADIN, a.a.O., S. 140, 16.231). Dabei kann dem Gebot der Anonymität von Zeugen, Informanten oder Experten, aber auch dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen beteiligter Unternehmungen Rechnung getragen werden (vgl. BGE 100 Ia 102 E. 5b; VPB 1983, Nr. 15; WILLY HUBER, Das Recht des Bürgers auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren, Diss. St. Gallen 1980, S. 176-195).
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bb) Die Anerkennung eines Akteneinsichtsrechts im Rahmen der Art. 26 ff. VwVG führt nicht dazu, dass das Departement sämtliche beantragten Unterlagen, die dem Bericht der Kartellkommission zugrunde liegen, auch einer Beurteilung nach Art. 27 VwVG zu unterziehen hätte. Die Akten der Kommission sind im Verfahren vor dem Departement nur insoweit beweisrelevant, als die Ausführungen und Würdigungen im Bericht selbst nicht ![]() | 48 |
b) Im vorliegenden Fall besteht ein Anspruch auf Akteneinsicht nur noch in - im Zusammenhang mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin oder im Rahmen der eigenständigen Prüfung des Departementes - relevant werdende Akten der Kartellkommission, welche die Konvention IV betreffen. Um welche Akten es sich konkret handelt und unter welchen Auflagen in diese Einsicht gewährt werden kann, hat das Departement bei seinem neuen Entscheid über den Antrag um Aufhebung der Konvention IV zu beurteilen. Dabei kann es der Tatsache Rechnung tragen, dass der Sachverhalt, wie ihn die Kartellkommission ihrer Würdigung zugrunde gelegt hat, von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme an die Kommission am 30. August 1988 weitgehend anerkannt worden ist, wenn sie dort festhält, dass "im wesentlichen und in den meisten Einzelheiten" die Ausführungen auch aus ihrer Sicht zutreffen, und sie bezüglich der Konvention IV keine weiteren Bemerkungen anbringt; somit heute vor allem noch Fragen der rechtlichen Würdigung zur Diskussion stehen.
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8. a) Die verschiedenen im vorliegenden Fall festgestellten Verletzungen des rechtlichen Gehörs könnten nach der Rechtsprechung nur geheilt werden, wenn dem Bundesgericht die gleiche Überprüfungsbefugnis wie dem Departement zustünde (BGE 114 Ia 314 E. 4a). Dies ist nicht der Fall, weil das Bundesgericht die Angemessenheit der Verfügung des Departementes nicht überprüfen kann (Art. 104 lit. c OG), diesem Entschliessungsermessen zusteht und es dem Gericht ohne rechtsgenügende Begründung der Verfügung überdies nicht möglich ist, die Frage einer Überschreitung oder eines Missbrauchs des Ermessens nach Art. 104 lit. a OG zu beurteilen. Unter diesen Umständen ist die Verfügung des ![]() | 50 |
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