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30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. Juli 1992 i.S. G. AG gegen A., Einwohnergemeinde Kappelen, Baudirektion des Kantons Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde). | |
Regeste |
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Bereich des Umweltschutzrechts. |
Art. 11 und 12 USG; LSV. Betriebseinschränkung zur Begrenzung übermässiger Lärmemissionen. |
Feststellung einer Überschreitung der massgebenden Lärmimmissionsgrenzwerte (E. 2a). |
Betriebseinschränkung als verhältnismässige Massnahme zur Begrenzung übermässiger Lärmemissionen (E. 2b). |
Keine Verletzung von Treu und Glauben durch die angeordnete Betriebseinschränkung (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Bereits nach der Fertigstellung eines Teils der vorgesehenen Bauarbeiten beschwerte sich A. darüber, dass die G. AG übermässige Lärmimmissionen verursache und als zonenwidriger Industriebetrieb betrachtet werden müsse. Der Gemeinderat von Kappelen verfügte am 6. Juni 1991 mit sofortiger Wirkung ein Benützungs- und Betriebsverbot für die Nachtzeit von 19.00 bis 06.00 Uhr. Insbesondere wurden während dieser Zeit der Betrieb der Ventilationsanlagen sowie der Güterumschlag untersagt. Gegen diese Verfügung reichte die G. AG bei der Baudirektion des Kantons Bern eine Beschwerde ein. Diese wies das Rechtsmittel am 31. Oktober 1991 ab, mit der gleichzeitigen Präzisierung, dass von 19.00 bis 06.00 Uhr innerhalb von geschlossenen Räumen gearbeitet werden dürfe, sofern kein Lärm nach aussen dringe. Die G. AG focht den Entscheid der Baudirektion beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern an. Dieses wies ihre Beschwerde am 3. März 1992 ab.
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Auf die gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts erhobene staatsrechtliche Beschwerde der G. AG tritt das Bundesgericht nicht ein. Die gleichzeitig eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist es ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Im vorliegenden Fall macht die Beschwerdeführerin geltend, die angefochtenen Entscheide verletzten das Umweltschutzrecht des Bundes, nämlich Art. 12 Abs. 1 lit. c USG und Art. 8 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41). Diese Rüge kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden, da das Verwaltungsgericht eine Vorinstanz im Sinne von Art. 98 lit. g OG ist und kein Ausschlussgrund nach Art. 99-101 OG vorliegt.
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b) Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind auch auf unselbständiges kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht gestützte Anordnungen zu überprüfen sowie auf übrigem kantonalem Recht beruhende Anordnungen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen. Soweit dagegen dem angefochtenen Entscheid selbständiges kantonales Recht ohne den genannten Sachzusammenhang zum Bundesrecht zugrundeliegt; steht ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (BGE 117 Ib 11, 139; BGE 116 Ib 10; BGE 103 Ib 146 E. 2a).
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Das angefochtene Benützungsverbot stützt sich neben dem Bundesumweltschutzrecht auch auf Art. 46 BauG, der die Massnahmen zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands regelt. Diese Bestimmung steht in engem Zusammenhang mit den Sachnormen, zu deren Durchsetzung sie dient. Das hier zu beurteilende, in Anwendung von Art. 46 BauG erlassene Benützungsverbot bezweckt den Vollzug der Bestimmungen des Lärmschutzrechts des Bundes. Es handelt sich somit um eine Anordnung, die in einem engen Sachzusammenhang zu den Vorschriften des Bundesumweltschutzrechts steht. Die ebenfalls geltend gemachte Verletzung von Art. 46 BauG ist deshalb vorliegend im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu prüfen. Die Kognition richtet sich dabei nach den für die staatsrechtliche Beschwerde geltenden Grundsätzen (BGE 116 Ib 10).
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Für die Beurteilung dessen, was als schädlich und lästig gilt und somit zu verschärften Emissionsbegrenzungen führt, ist auf die Grenzwerte abzustellen, die der Bundesrat durch Verordnung festlegt (Art. 13 Abs. 1 USG). Für den Lärm sind die Belastungsgrenzwerte (Planungs-, Immissionsgrenz- und Alarmwerte) der LSV massgebend. Darin wird die zulässige Lärmbelastung nach den Hauptemissionsquellen und vier verschiedenen Empfindlichkeitsstufen differenziert festgelegt.
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Es ist unbestritten und vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid in überzeugender Weise dargelegt worden, welche Belastungswerte für die Geflügelschlächterei der Beschwerdeführerin zur Anwendung gelangen. Es sind dies die Immissionsgrenzwerte der Empfindlichkeitsstufe III für Industrie- und Gewerbelärm (Anhang 6 der LSV). Diese betragen 65 dB(A) für den Tag (07.00-19.00 Uhr) und 55 dB(A) für die Nacht (19.00-07.00 Uhr). Im Sinne einer vorsorglichen Emissionsbegrenzung gemäss Art. 11 Abs. 2 USG wurde für die Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen von einem Belastungsgrenzwert von 45 dB(A) tags und 35 dB(A) nachts ausgegangen. Da - wie nachstehend darzulegen ist - im vorliegenden Fall bereits die Immissionsgrenzwerte überschritten werden, kann offen- bleiben, ob der Betrieb der Beschwerdeführerin ganz oder teilweise als neue Anlage im Sinne von Art. 7 LSV zu betrachten ist, die auch die tieferen Planungswerte einhalten müsste.
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Nach den Messungen des kantonalen Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) überschritten am 13. Mai 1991 die Lärmemissionen des Konfiskatraumes den Grenzwert um 12 dB(A). Der ![]() | 13 |
Demnach ist davon auszugehen, dass der Betrieb der Beschwerdeführerin während der Nachtzeit die massgebenden Immissionsgrenzwerte gemäss Anhang 6 der LSV verletzt.
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b) Art. 12 USG enthält einen abschliessenden Katalog von Massnahmen, die zur Begrenzung übermässiger Emissionen angeordnet werden können. Dazu zählen auch Betriebsvorschriften (vgl. BGE 113 Ib 402).
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Die angefochtene Betriebseinschränkung untersagt der Beschwerdeführerin von 19.00-06.00 Uhr alle Arbeiten ausserhalb der geschlossenen Räume sowie Arbeiten innerhalb derselben, sofern Lärm nach aussen dringt. Sie erstreckt sich damit nicht auf die ganze akustische Nachtzeit, die von 19.00-07.00 Uhr dauert, und ermöglicht trotz Überschreitung der Immissionsgrenzwerte eine um eine Stunde verlängerte Betriebsdauer. Die Beschwerdeführerin macht ![]() | 16 |
Die angefochtene Anordnung erweist sich somit als geeignete und verhältnismässige Massnahme gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. c USG, um die Lärmemissionen aus dem Betrieb der Beschwerdeführerin auf das zulässige Mass zu beschränken.
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Die Beschwerdeführerin ist allerdings der Auffassung, sie habe nach Treu und Glauben davon ausgehen dürfen, dass ihr nicht nachträglich die Betriebszeiten eingeschränkt würden, da solche in den Baubewilligungen nie erwähnt gewesen seien. Die angefochtene Betriebseinschränkung sei daher unzulässig. Diese Rüge ist schwer verständlich, nachdem die Beschwerdeführerin am 30. Oktober 1990 im Formular des KIGA selber die Anlagebetriebsdauer am Tag (07.00-19.00 Uhr) mit 10 und diejenige in der Nacht (19.00-07.00 Uhr) mit einer Stunde angegeben hat. In den jeweils Teil der Baubewilligungen bildenden Berichten des KIGA wurde die Beschwerdeführerin überdies ausdrücklich auf die Möglichkeit ergänzender und verschärfter Emissionsbegrenzungen hingewiesen, wenn in einem späteren Zeitpunkt übermässige Lärmeinwirkungen festgestellt werden sollten. Die angeordnete Betriebseinschränkung ![]() | 19 |
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