BGE 119 Ib 480 | |||
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52. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. Dezember 1993 i.S. B. und Mitbeteiligte gegen L. AG, Gemeinde Schwerzenbach und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Verhältnis von Nutzungsplanung und Massnahmen zur Luftreinhaltung; Art. 11 und 12 USG; Art. 12, 28 und 31 ff. LRV; Art. 21 Abs. 2 RPG. |
Erforderlichkeit einer Änderung des Nutzungsplans, wenn zur Reduktion der Luftbelastung die Bautätigkeit eingeschränkt werden muss (E. 5a-c). Zulässigkeit zonenkonformer Bauten in einem Gebiet mit übermässiger Luftbelastung, soweit von ihnen allein bloss durchschnittliche Emissionen ausgehen (E. 5d und e). |
Erfordernis einer der Umweltschutzgesetzgebung genügenden Erschliessung ("umweltrechtliche Baureife"; E. 6). |
Anordnung von verschärften Emissionsbegrenzungen gestützt auf Art. 11 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 lit. b und c USG. Voraussetzungen hiefür unter den gegebenen Umständen verneint (E. 7). |
Pflicht zur Abgabe einer Emissionserklärung gemäss Art. 12 LRV bzw. zur Erstellung einer Immissionsprognose gemäss Art. 28 LRV (E. 8). | |
Sachverhalt | |
Die L. AG beabsichtigt, auf einer zur Zeit noch mit zwei Fabrikgebäuden überbauten Parzelle in Schwerzenbach ein Bürogebäude zu erstellen. Dieses soll in vier Obergeschossen Büro- und Ausstellungsräume sowie eine Cafeteria enthalten. In den drei geplanten Untergeschossen sind 203 Autoabstellplätze und zahlreiche Lagerräume vorgesehen. Die Bruttogeschossfläche des Bauvorhabens beträgt insgesamt knapp 19'000 m2. Das Baugrundstück befindet sich in der Industriezone auf der dem Bahnhof Schwerzenbach gegenüberliegenden Seite. Es grenzt an die Zielacker- und die Schulstrasse sowie an die Bahngeleise.
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Der Gemeinderat Schwerzenbach erteilte der L. AG am 18. Juni 1990 die Baubewilligung unter zahlreichen Auflagen und Bedingungen. Statt der nachgesuchten 203 bewilligte er lediglich 137 Autoabstellplätze. Die Baubewilligung wurde sowohl von der L. AG als auch von B. und 17 weiteren Nachbarn bzw. Anwohnern von Zufahrtsstrassen zur Bauparzelle bei der Baurekurskommission III des Kantons Zürich angefochten. Diese wies am 21. August 1991 das Rechtsmittel der L. AG ab und hiess jenes der Nachbarn bzw. Anwohner von Zufahrtsstrassen gut. Zugleich hob sie die Baubewilligung vom 18. Juni 1990 auf und wies die Sache zu neuem Entscheid an den Gemeinderat Schwerzenbach zurück. Die L. AG und die Gemeinde Schwerzenbach erhoben gegen den Entscheid der Baurekurskommission Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses hiess am 3. April 1992 die Beschwerde der Bauherrin vollständig und jene der Gemeinde teilweise gut, hob den Entscheid der Baurekurskommission III auf und wies die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
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B. und 13 weitere, am Verfahren beteiligte Nachbarn bzw. Anwohner von Zufahrtsstrassen haben gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 3. April 1992 eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde und eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragen im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Verweigerung der Baubewilligung für das eingereichte Baugesuch der L. AG. Im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde verlangen sie die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht. In der Sache werfen die Beschwerdeführer dem Verwaltungsgericht die Verletzung der bundesrechtlichen Vorschriften über die Luftreinhaltung vor. Sie machen ferner geltend, es sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.
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Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein und weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
4. Das Gebiet, in dem die Beschwerdegegnerin das umstrittene Bürohaus errichten will, weist eine übermässige Belastung der Luft mit Schadstoffen auf. Wie praktisch in der ganzen Agglomeration Zürich und in fast allen städtischen Gebieten der Schweiz sind hier die Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) von 30 Mikrogramm/m3 (Jahresmittelwert) und für Ozon (O3) von 100 bzw. 120 Mikrogramm/m3 (1/2-Stunden-Mittelwert bzw. Stundenmittelwert) gemäss Anhang 7 der LRV zur Zeit überschritten (vgl. Umweltbericht für den Kanton Zürich, hrsg. von der Direktion für öffentliche Bauten, 1992, S. 132 f.; vgl. ferner zur Situation in der Schweiz gesamthaft die Schrift "Die Bedeutung der Immissionsgrenzwerte der Luftreinhalte-Verordnung", hrsg. BUWAL, 1992, S. 28 ff.). Der vom Kanton Zürich in Anwendung von Art. 31 LRV (SR 814.318.142.1) erlassene Massnahmenplan zur Reduktion der Luftbelastung, das sog. Luft-Programm vom 25. April 1990, trägt zwar dazu bei, in Zukunft die Situation zu verbessern. Er genügt aber unbestrittenermassen nicht, um die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte innerhalb der vom Bund gesetzten Frist - d.h. bis am 1. März 1994 (Art. 31 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 3 und Art. 43 LRV) - zu gewährleisten (vgl. Umweltbericht für den Kanton Zürich, S. 141).
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Die Verwirklichung des Bauvorhabens der Beschwerdegegnerin verursacht eine zusätzliche Belastung der Luft im umliegenden Gebiet. In Betracht fallen vor allem die Emissionen während der Bauzeit, die Abgase des zu erwartenden motorisierten Pendler- und Zulieferverkehrs sowie die Luftbelastung durch die Heizung des Gebäudes. Aus der Vernehmlassung des BUWAL geht hervor, dass diese Einwirkungen für sich allein genommen unter den Werten liegen, die gemäss Anhang 1 der LRV im Rahmen der vorsorglichen Emissionsbegrenzung einzuhalten sind. Das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin hält somit für sich allein betrachtet die Bestimmungen der Umweltschutzgesetzgebung ein. Überdies ist davon auszugehen, dass es im Einklang mit den Vorschriften der Industriezone steht, in der es gelegen ist.
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Streitgegenstand bildet die Frage, welche Konsequenzen sich aus der Lage der Bauparzelle in einem Gebiet mit übermässiger Luftbelastung für die Beurteilung des Bauprojekts der Beschwerdegegnerin ergeben. Es ist zu prüfen, ob das Bauvorhaben überhaupt bewilligt werden kann (nachstehend E. 5 und 6), ob zusätzliche Massnahmen zur verschärften Emissionsbegrenzung getroffen werden müssen (nachstehend E. 7) und ob weitere Sachverhaltsabklärungen (Emissionserklärung gemäss Art. 12 LRV und Immissionsprognose gemäss Art. 28 LRV) erforderlich sind (nachstehend E. 8).
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a) Das Bundesgericht hat sich in seiner jüngsten Rechtsprechung verschiedentlich mit Anlagen im Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG (SR 814.01) befasst, welche für sich allein oder mit anderen Anlagen zusammen eine übermässige Luftbelastung verursachen (BGE 118 Ib 206 E. 11 S. 222 ff.; BGE 118 Ib 26 E. 5 S. 32 ff.; BGE 117 Ib 425 E. 5 S. 428 ff.; BGE 117 Ib 285 E. 8c S. 306 f.; Urteile des Bundesgerichts vom 20. Januar 1993 in URP 1993 177 ff. E. 5c betr. ein Parkhaus in der Stadt Freiburg und in URP 1993 442 ff. E. 3 betr. die Umfahrungsstrasse von Bramois). Nach der in diesen Entscheiden befolgten Praxis muss eine neue Anlage zunächst die allgemeinen Emissionsbegrenzungen einhalten, und es sind unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung die Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG). Steht eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte gemäss Anhang 7 der LRV fest oder ist eine solche zu erwarten, so sind die Emissionsbegrenzungen zu verschärfen (Art. 11 Abs. 3 USG). Art. 12 USG enthält einen abschliessenden Katalog von Massnahmen, die zu diesem Zweck ergriffen werden können. Andere Instrumente stehen nicht zur Verfügung. Im Gegensatz zu den Lärmimmissionen (vgl. Art. 22 und 25 USG sowie dazu das Urteil des Bundesgerichts vom 20. Januar 1993 in URP 1993 446 ff. E. 3c) enthält das USG für den Bereich der Luftverunreinigungen keine besonderen Bestimmungen über Baubeschränkungen bei Überschreitung der festgesetzten Grenzwerte bzw. über allfällige Ausnahmen.
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Die bei einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der LRV anzuordnenden verschärften Massnahmen zur Emissionsbegrenzung müssen koordiniert werden, wenn wie im vorliegenden Fall die übermässige Luftbelastung von einer Vielzahl von Anlagen zusammen verursacht wird. Es sind in diesem Fall weniger isolierte Einzelmassnahmen, sondern viel eher ganze, aufeinander abgestimmte Massnahmenbündel vorzusehen. Aus diesem Grund schreibt Art. 31 Abs. 1 LRV für Gebiete, in denen eine übermässige Luftbelastung auftritt, die Erstellung eines sog. Massnahmenplans vor. Dieser gibt die Quellen der Emissionen an, die für die Entstehung der übermässigen Gesamtbelastung verantwortlich sind, und bezeichnet die Massnahmen zur Verhinderung und Beseitigung der übermässigen Immissionen (Art. 31 Abs. 2 LRV). Der Massnahmenplan stellt damit ein Koordinationsinstrument dar, um in komplexen Situationen aus einer Gesamtbetrachtung heraus die geeigneten und verhältnismässigen Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualität auszuwählen und anzuordnen. Bei der Sanierung mehrerer stationärer Anlagen ermöglicht er es insbesondere, alle Emittenten rechtsgleich zu behandeln und zu einem anteilsmässigen Beitrag zur Verbesserung der Situation anzuhalten (BGE 118 Ib 26 E. 5d S. 34; 117 Ib 425 E. 5c S. 430).
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b) Die Bestimmung des Anteils der Emissionsbeschränkung, den eine neue Anlage zur Verbesserung der Luftqualität zu erbringen hat, stösst auf die Schwierigkeit, dass zwischen jeder neuen Emissionsquelle und der schon bestehenden Umweltbelastung eine Wechselwirkung besteht: Je höhere Emissionen bei einer neuen Anlage zugelassen werden, desto stärkere Einschränkungen müssen den übrigen Emittenten im fraglichen Gebiet auferlegt werden. Die bei einem neuen Projekt anzuordnende verschärfte Emissionsbegrenzung kann nicht allein durch eine arithmetische Operation aus der vorbestehenden Luftbelastung ermittelt werden. Dazu ist vielmehr die Abstimmung mit anderen umweltrechtlich relevanten Entscheidungen erforderlich. Sie hat im Rahmen des Massnahmenplans zu erfolgen. Er gibt an, wie die umweltschutzrechtlichen Ziele erreicht werden sollen. Die dafür nötigen Massnahmen sind auf dem Weg der bestehenden Vorschriften von den zuständigen Instanzen anzuordnen (vgl. Art. 33 und 34 LRV; BGE 118 Ib 26 E. 5d und e S. 34 ff.; Entscheid des Bundesrates vom 16. September 1992 in VPB 57/1993 Nr. 44 S. 362 f.).
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Die Grundsätze der Koordination und Lastengleichheit zeigen, dass die verschärfte Emissionsbegrenzung im Einzelfall stets im Blick darauf festgelegt werden muss, dass auch die übrigen Emittenten ihren anteilmässigen Beitrag zur Verbesserung der bestehenden Gesamtbelastung leisten. Es ist jedenfalls gegenüber zonenkonformen Neuanlagen, von denen bloss durchschnittliche Einwirkungen ausgehen, unzulässig, Verschärfungen der Emissionsbegrenzung anzuordnen, bestehende Anlagen aber davon auszunehmen.
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c) Soweit zur Reduktion der Luftbelastung eine Einschränkung der Bautätigkeit als nötig erscheint, ist die Bau- und Zonenordnung in dem dafür vorgesehenen Verfahren entsprechend anzupassen. Nach Art. 21 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700) ist eine Revision der Nutzungspläne zulässig, wenn sich die Verhältnisse erheblich verändert haben. Der Erlass eines Massnahmenplans bzw. die Überarbeitung eines ungenügenden Massnahmenplans zur Reduktion einer übermässigen Luftbelastung kann eine Planänderung gemäss Art. 21 Abs. 2 RPG rechtfertigen, wenn sie zur Emissionsbegrenzung als zweckmässig erscheint (vgl. ROBERT WOLF, Führt übermässige Luftverschmutzung zu Baubeschränkungen und Auszonungen?, URP 1991 94 f.).
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Demgegenüber hat die übermässige Luftbelastung in einem Gebiet grundsätzlich nicht zur Folge, dass die dortige Zonenplanung nachträglich im Baubewilligungsverfahren in Frage gestellt werden könnte. Nach der Rechtsprechung ist die sog. akzessorische Überprüfung von Nutzungsplänen nur zulässig, wenn sich der Betroffene bei Planerlass noch nicht über die ihm auferlegten Beschränkungen Rechenschaft geben konnte und er im damaligen Zeitpunkt keine Möglichkeit hatte, seine Interessen zu verteidigen (BGE 116 Ia 207 E. 3b S. 211; 111 Ia 129 E. 3d S. 131; 106 Ia 383 E. 3c S. 387). Die Auswirkungen einer einzelnen Zonenplanfestsetzung - etwa der Zuweisung eines Grundstücks in die Industriezone - sind bezüglich der Schadstoffemissionen regelmässig bereits bei der Planfestsetzung in den wesentlichen Zügen bekannt und rechtfertigen eine nachträgliche akzessorische Planüberprüfung grundsätzlich nicht. Anderseits ist das Auftreten einer übermässigen Luftbelastung in einem ganzen, eine Vielzahl von Grundstücken umfassenden Gebiet nicht allein auf die Festlegungen der Nutzungsplanung zurückzuführen und bildet daher ebenfalls keinen Grund für eine akzessorische Planüberprüfung. Die Nutzungspläne vermögen die ihnen vom Gesetzgeber zugedachte Funktion (vgl. Art. 14 und 21 RPG) nur zu erfüllen, wenn ihnen Verbindlichkeit und Beständigkeit zukommt und sie nur bei Vorliegen besonderer Umstände bzw. erheblich veränderter Verhältnisse in Frage gestellt bzw. revidiert werden können (BGE 114 Ia 32 E. 6 S. 33; 113 Ia 444 E. 5b S. 455; 109 Ia 113 E. 3 S. 114 f.).
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Im vorliegenden Fall war die Bauparzelle im Zeitpunkt des Erlasses des neuen Zonenplans der Gemeinde Schwerzenbach im Jahre 1986 bereits mit Fabrikgebäuden überbaut. Dass mit der Festsetzung einer Industriezone gewisse Luftbelastungen verbunden sind, musste den Beschwerdeführern schon damals bekannt sein. Im übrigen trägt die Zuweisung der Bauparzelle zur Industriezone zur Überlastungssituation - wie noch darzustellen sein wird (E. 5e) - nur geringfügig bei. Ein Anlass zu einer akzessorischen Überprüfung der Zonenplanfestsetzung aus dem Jahre 1986 besteht daher entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht.
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d) Aus der Feststellung, dass eine zur Reduktion der Luftbelastung allenfalls erforderliche Einschränkung des Baugebiets auf dem Weg der Zonenplanrevision zu geschehen hat, folgt gleichzeitig, dass vor dieser Planänderung zonenkonforme Bauprojekte, von denen für sich allein genommen bloss durchschnittliche Emissionen ausgehen, grundsätzlich nicht unter Hinweis auf eine übermässige Gesamtbelastung der Luft abgelehnt werden können. Um in Betracht zu ziehende Änderungen der Zonenpläne zu sichern, steht das Instrument der Planungszone (Art. 27 RPG) bzw. einer Bausperre nach kantonalem Recht zur Verfügung (vgl. für den Kanton Zürich § 234 des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 (PBG); für den Kanton Bern Art. 37 des Baugesetzes vom 9. Juni 1985).
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e) Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, bei einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der LRV eine vorhandene, aber unzureichende Massnahmenplanung zu ergänzen und die hiefür nötigen Schritte einzuleiten. Sind von einer einzelnen Anlage allerdings so erhebliche Emissionen zu erwarten, dass dadurch eine erforderliche Ergänzung der Massnahmenplanung präjudiziert würde, so lassen sich die Koordination und die Lastengleichheit bei der Reduktion einer übermässigen Gesamtbelastung in der Regel nur sicherstellen, wenn bei der Erteilung der Baubewilligung für die neue Anlage die bestehenden Belastungen und die vorgesehenen Massnahmen zur Emissionsbegrenzung bekannt sind. Das gilt vor allem dann, wenn von einer einzelnen geplanten Anlage allein schon übermässige Immissionen ausgehen werden. Das Bundesgericht hat deshalb entschieden, dass beim Bau eines Nationalstrassenstücks bzw. eines grossen Parkhauses der Massnahmenplan grundsätzlich im Zeitpunkt des Plangenehmigungsentscheids vorliegen müsse (BGE 118 Ib 206 E. 11f S. 225 ff.; Urteil des Bundesgerichts vom 20. Januar 1993 in URP 1993 178; vgl. auch 118 Ib 26 E. 5f S. 37 f.).
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Für das Bürohaus der Beschwerdegegnerin hat der Gemeinderat Schwerzenbach 137 Parkplätze bewilligt. Das Verwaltungsgericht hat gestützt auf seine Kenntnisse aus Umweltverträglichkeitsberichten für grössere Bauvorhaben ausgeführt, dass sich bei einem Dienstleistungsgebäude mit 150 bis 200 Parkplätzen die NO2-Belastung im strassennahen Bereich der Umgebung um weniger als 1 Mikrogramm/m3, meistens sogar um weniger als 0,5 Mikrogramm/m3 erhöhe. Diese Zahlen stehen in Übereinstimmung mit den dem Bundesgericht aus anderen Verfahren bekannten Werten (vgl. Urteil vom 20. Januar 1993 in URP 1993 178 E. 5c/bb). Die Beschwerdeführer legen nicht dar, inwiefern die erwähnte Annahme des Verwaltungsgerichts im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG offensichtlich unrichtig sein sollte. Auch das BUWAL hat sie in seiner Vernehmlassung nicht in Zweifel gezogen. Im Vergleich zum Immissionsgrenzwert von 30 Mikrogramm/m3 erscheint die durch das Bauprojekt voraussichtlich bewirkte Zunahme von in der Regel weit weniger als 1 Mikrogramm/m3 als geringfügig. Auch aus den von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang angeführten Berichten des Amtes für technische Anlagen und Lufthygiene des Kantons Zürich geht nichts anderes hervor. Das Verwaltungsgericht konnte auf die vorstehend genannten, allgemein bekannten Werte abstellen, ohne die Beschwerdeführer dazu vorher noch ausdrücklich anhören zu müssen.
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Im Gegensatz zur soeben erwähnten NO2-Belastung ist zur Zeit nicht erwiesen, dass die zeitweise ebenfalls übermässige Ozonbelastung im fraglichen Baugebiet sich durch einen Verzicht auf das Bauprojekt überhaupt reduzieren liesse. Der Bundesrat hält in einem neueren Entscheid fest, dass einzelne punktuelle Massnahmen - etwa eine örtliche Einschränkung des Fahrzeugverkehrs - untauglich seien, um die Ozonbelastung zu senken (Entscheid vom 16. September 1992 in VPB 57/1993 Nr. 44 S. 364 f.).
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Das Projekt der Beschwerdegegnerin trägt im Blick auf die im Baugebiet bestehende Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für NO2 und Ozon wenn überhaupt, so jedenfalls nur geringfügig zur Verstärkung der Luftbelastung bei. Auf jeden Fall ist die dadurch bewirkte Mehrbelastung nicht derart gross, dass im Sinne der oben erwähnten Rechtsprechung eine Präjudizierung der künftigen zürcherischen Massnahmenplanung anzunehmen wäre.
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f) Bei dieser Sachlage kann dem Bauprojekt der Beschwerdegegnerin die Bewilligungsfähigkeit nicht deshalb abgesprochen werden, weil die Luftbelastung im Baugebiet übermässig ist.
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a) Das Bundesgericht hat in einem neueren Entscheid, auf den sich die Beschwerdeführer beziehen, erklärt, die Erschliessung eines Baugrundstücks sei ungenügend, wenn im Bereich der dazu benötigten Strasse die Vorschriften der Umweltschutzgesetzgebung verletzt würden. Könne man zu unüberbauten Parzellen in einem Industriegebiet nur über eine Strasse gelangen, in deren Bereich im fraglichen Zeitpunkt der Planungswert bezüglich Lärmimmissionen bereits erreicht sei, so fehle es diesen an der erforderlichen Erschliessung, bis eine andere Erschliessungsstrasse zur Verfügung stehe (BGE 116 Ib 159 E. 6b S. 166 f.).
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b) Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid darlegt, bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass die Immissionsgrenzwerte für NO2 bereits infolge des Verkehrs allein auf den zur Erschliessung der Bauparzelle benötigten Strassen überschritten würden. Wie schon erwähnt wurde (E. 4), ist die NO2-Belastung in den städtischen Gebieten der Schweiz grossflächig und nicht allein an einzelnen Punkten überschritten. Die von den Beschwerdeführern genannten Überschreitungen auf einzelnen Strassen Schwerzenbachs sind deshalb nicht schlüssig, weil sie die gesamte Belastungssituation widerspiegeln und sie nicht allein auf die auf diesen Strassen verkehrenden Fahrzeuge zurückzuführen sind. Die von den Beschwerdeführern gerügte Gesamtbelastung ist wie erwähnt (vgl. E. 5a und b) mit dem Mittel der Massnahmenplanung anzugehen. Dem Bauprojekt der Beschwerdegegnerin kann deshalb eine genügende strassenmässige Erschliessung aus Gründen der Luftreinhaltung nicht abgesprochen werden.
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a) Zusätzliche Auflagen bezüglich der Erschliessung und Nutzung von Grundstücken, wie sie die Beschwerdeführer zur Reduktion der Luftbelastung verlangen, sind - ebenso wie allfällige erforderliche Bauverbote (vgl. E. 5e) - grundsätzlich mit den Mitteln der Nutzungsplanung und des Baurechts festzulegen. Die Koordination und Gewährleistung der Lastengleichheit bedürfen eines ganzheitlichen Ansatzes, wie ihn nur die von Art. 31 ff. LRV zu diesem Zweck vorgesehene Massnahmenplanung bieten kann. Es wäre nicht sinnvoll, neben allfälligen Anpassungen der Nutzungsplanung und des Baurechts gewisse zur allgemeinen Emissionsbegrenzung an sich geeignete Vorkehren aus der Massnahmenplanung herauszulösen und in unkoordinierter Weise punktuell im Baubewilligungsverfahren festzusetzen. Das liefe nicht nur der die Massnahmenplanung charakterisierenden Gesamtsicht, sondern auch der damit angestrebten Lastengleichheit zuwider. Ferner bestünde die Gefahr, dass einzelfallweise Emissionsbegrenzungen teilweise im Ergebnis auf eine Änderung der Nutzungsplanung hinausliefen, ohne dass dabei der vom Raumplanungsgesetz vorgezeichnete Weg eingehalten würde.
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Solange allerdings die Massnahmenplanung anerkannterweise unzureichend ist, sind die für den Vollzug des Umweltschutzgesetzes zuständigen Behörden grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, in ihrem Zuständigkeitsbereich gegenüber emittierenden Anlagen verschärfte Emissionsbegrenzungen festzulegen. Sie haben sich dabei für Anordnungen in einem konkreten Bewilligungsfall an die Vorschriften von Art. 12 USG zu halten. Generell abstrakte oder planerische Massnahmen durch Gemeinden erfordern eine entsprechende Regelungskompetenz. Durchwegs gilt, dass auch verschärfte Emissionsbegrenzungen festgelegt werden können, die der Massnahmenplan nicht vorsieht.
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Wie weit grundsätzlich für verschärfte Emissionsbegrenzungen, die einzelfallweise in einem Baubewilligungsverfahren direkt auf Art. 11 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 lit. b und c USG abgestützt werden, Raum bleibt, braucht hier nicht näher untersucht zu werden. Aus den nachstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die von den Beschwerdeführern verlangten Anordnungen bezüglich der Erschliessung und Nutzung des Grundstücks der Beschwerdegegnerin zum vornherein nicht in Betracht fallen.
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b) Der zürcherische Massnahmenplan fordert die Gemeinden auf, zur Reduktion der Luftbelastung durch den Fahrzeugverkehr Parkplatzbeschränkungen vorzusehen. Die Gemeinde Schwerzenbach hat in Ausführung dieses Auftrags am 30. November 1990 gestützt auf § 242 PBG die Verordnung über Fahrzeugabstellplätze erlassen. In Anwendung dieser Verordnung bewilligte der Gemeinderat Schwerzenbach der Beschwerdegegnerin lediglich 137 statt der von ihr vorgesehenen 203 Parkplätze. Eine noch weitergehende Reduktion der Parkplatzzahl erscheint auch nach Auffassung der Beschwerdeführer nicht sinnvoll. Sie verlangen hingegen die Anordnung flankierender Massnahmen, damit der Zweck des reduzierten Parkplatzangebots nicht durch die Benützung öffentlicher Abstellplätze unterlaufen werden könne.
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Um die Wirksamkeit der Parkplatzbeschränkungen zu gewährleisten, sieht der zürcherische Massnahmenplan Vorkehrungen gegen illegales Parkieren sowie die Einführung der Anwohnerbevorzugung beim Parkieren auf öffentlichem Grund unter gleichzeitiger Aufhebung von öffentlichen Parkplätzen vor. Die zuständigen Behörden haben bisher keine Vorschriften zur Ausführung dieser Massnahmen erlassen. Sie werden jedoch in Zukunft auch dazu schreiten müssen, solange die Luftbelastung im fraglichen Gebiet übermässig ist und die Luftqualität dadurch voraussichtlich verbessert werden kann. Eine Anordnung im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens direkt gestützt auf Art. 12 lit. c USG kommt dagegen vorliegend nicht in Betracht. Wie das Verwaltungsgericht mit Recht festhält, können dem Bauwilligen nicht Emissionsbegrenzungen auferlegt werden, die gar nicht sein Verhalten, sondern die Aufgaben der Behörden zum Gegenstand haben, und denen er nicht in eigenen Rechten nachkommen kann (vgl. ANDRÉ SCHRADE, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 1987, Art. 12, N. 25).
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c) Nach Auffassung der Beschwerdeführer sind im vorliegenden Fall im Interesse der Emissionsbegrenzung ferner direkt gestützt auf Art. 12 Abs. 1 lit. c USG Nutzungsbeschränkungen anzuordnen. Die Beschwerdegegnerin sei in der Baubewilligung auf ein bestimmtes Nutzungskonzept zu verpflichten, indem die Nutzung des Gebäudes nur sog. back-office-Betrieben gestattet würde. In den Mietverträgen habe die Beschwerdegegnerin den Unternehmen sodann die Pflicht aufzuerlegen, von den Mitarbeitern für die Benützung der Autoabstellplätze eine Gebühr zu verlangen bzw. ihren Mitarbeitern die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel ganz oder teilweise zu ersetzen.
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Art. 12 Abs. 1 lit. c USG sieht zur Emissionsbegrenzung unter anderem Betriebsvorschriften vor. Darunter fallen etwa zeitliche Betriebseinschränkungen (vgl. BGE 118 Ib 590 E. 3c S. 597; BGE 118 Ib 234 E. 2b S. 239 f.), Anordnungen über den Betriebsablauf oder über den Ort von Fahrzeugabstell- und Lagerplätzen (BGE 113 Ib 393 E. 6b S. 402). Die von den Beschwerdeführern ins Auge gefassten Massnahmen (Beschränkung auf sog. back-office-Betriebe, Verpflichtung zur Einführung einer Mitarbeiter-Parkplatzgebühr und Kostenbeteiligung des Unternehmens bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel durch die Mitarbeiter) zielen nicht auf eine Beeinflussung des Betriebsablaufs. Sie können daher nicht als Betriebsvorschriften gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. c USG angesehen werden. Ebensowenig kommt ihre Qualifikation als Bauvorschriften im Sinne von Art. 12 lit. b USG in Betracht, da darunter lediglich konstruktive bzw. in engem Zusammenhang mit der technischen Beschaffenheit stehende Anforderungen, nicht aber Nutzungsvorschriften zu verstehen sind (SCHRADE, a.a.O., Art. 12, N. 18 ff.). Die Wirkung der von den Beschwerdeführern verlangten Massnahmen wäre zudem nicht leicht zu beurteilen, und sie bedürften möglicherweise der Ergänzung durch weitere geeignete Vorkehrungen. Die vorgeschlagenen Massnahmen stehen schliesslich nur in einem relativ weiten Zusammenhang mit dem "Betrieb" der fraglichen Baute und können demzufolge nicht als Emissionsbegrenzung "bei der Quelle" gelten, wie dies in Art. 11 Abs. 1 USG vorausgesetzt wird (SCHRADE, a.a.O., Art. 12, N. 30).
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d) Aus diesen Erwägungen steht der Verzicht, in die Baubewilligung weitere Auflagen zur Emissionsbegrenzung aufzunehmen, nicht im Widerspruch zu den Vorschriften des Umweltschutzrechts des Bundes.
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8. Die Beschwerdeführer machen schliesslich geltend, für eine Beurteilung der zu erwartenden Umweltbelastungen sei im vorliegenden Fall eine Emissionserklärung der Baugesuchstellerin sowie eine Immissionsprognose erforderlich, wovon die kantonalen Instanzen zu Unrecht abgesehen hätten. Auch diese Rüge ist unbegründet. Aus den vorliegenden Baugesuchsunterlagen geht hervor, dass vom Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin selber nur geringfügige Emissionen zu erwarten sind. Die Beschwerdeführer verlangen verschärfte Emissionsbegrenzungen in erster Linie wegen der im Baugebiet bestehenden übermässigen Vorbelastung der Luft. Die sich im Blick darauf ergebenden Rechtsfragen können wie gezeigt (vgl. E. 4-7) ohne weitere Sachverhaltsabklärungen beurteilt werden. Zur Anordnung einer Emissionserklärung gemäss Art. 12 LRV und einer Immissionsprognose gemäss Art. 28 LRV besteht unter diesen Umständen kein Anlass (vgl. auch BGE 118 Ib 26 E. 5g S. 38; Urteil des Bundesgerichts vom 20. Januar 1993 in URP 1993 445 f.).
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