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31. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Mai 1994 i.S. Gemeinde Wangen gegen KIBAG sowie Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Planungspflicht für Abbau- und Deponievorhaben (Art. 2 und 24 RPG), Gemeindeautonomie. |
Bedeutung der kantonalen Richtplanung für die Behandlung von Abbau- und Deponievorhaben in der Nutzungsplanung (E. 4). |
Planungspflicht für Abbau- und Deponievorhaben im Sinne von Art. 2 RPG; Ausschluss des Baubewilligungsverfahrens nach Art. 24 RPG (E. 5). |
Die Ausscheidung von Abbau- und Deponiezonen erfordert die wesentlichen umweltrelevanten Abklärungen, insbesondere auch zur Beschaffenheit des Ablagerungsmaterials (E. 6). | |
Sachverhalt | |
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In einem im November 1990 öffentlich aufgelegten Zonenplanentwurf der Gemeinde Wangen sollten die drei Abbaugebiete der KIBAG neu einer Abbau- und Deponiezone zugewiesen werden. Auf Einsprachen hin teilte der Gemeinderat Wangen im März 1991 die genannten Gebiete dem "Übrigen Gemeindegebiet" zu.
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Gegen diesen Beschluss des Gemeinderates erhob die KIBAG beim Regierungsrat des Kantons Schwyz erfolglos Verwaltungsbeschwerde. Dieser führte im wesentlichen aus, die Einzonung der streitigen Gebiete in eine Abbau- und/oder Deponiezone sei zur Zeit nicht erforderlich; wenn das umfassende Deponiebewilligungsverfahren aufgrund von Art. 24 RPG positiv abgeschlossen werden könne, werde die Gemeinde jedoch den Zonenplan mit den dannzumal bewilligten Abbau- und Deponievorhaben in Übereinstimmung bringen müssen.
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In der Folge gelangte die KIBAG an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde mit Urteil vom 24. Mai 1993 gut und wies die Gemeinde Wangen an, im Sinne der Erwägungen für die streitigen Gebiete eine Abbau-/Deponiezone auszuscheiden. Es bejahte für die Vorhaben eine Planungspflicht. Unter Berücksichtigung der Anliegen des Umweltschutzes gelte es zu bestimmen, welche Materialien abgelagert werden dürfen. Es rechtfertige sich, diese Frage nicht im Rahmen der Nutzungsplanung, sondern im konkreten Bewilligungsverfahren zu behandeln.
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Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichtes erhob die Gemeinde Wangen beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung ihrer Autonomie.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut und hebt den Entscheid des Verwaltungsgerichts auf.
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Aus den Erwägungen: | |
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Der Verwaltungsgerichtsentscheid weist die Gemeinde Wangen an, im Sinne der Erwägungen für die betreffenden Gebiete eine Abbau-/Deponiezone auszuscheiden. Damit wird das Verfahren nicht abgeschlossen, und der angefochtene Entscheid ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 87 OG. Soweit dieser die Gemeinde anhält, im Sinne der Erwägungen bestimmte Vorkehren zu treffen, hat er für sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge und kann von ihr nach der Rechtsprechung wegen Verletzung der Gemeindeautonomie angefochten werden (BGE 116 Ia 221 E. 1d S. 224, mit Hinweisen).
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b) Der Entscheid des Verwaltungsgerichts trifft die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Trägerin hoheitlicher Gewalt. Sie ist daher zur Autonomiebeschwerde legitimiert (BGE 119 Ia 285 E. 4a S. 294, mit Hinweisen).
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c) Die weitern Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen zusätzlichen Erwägungen Anlass. Demnach kann auf die vorliegende Autonomiebeschwerde der Gemeinde Wangen eingetreten werden.
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Nach dem Planungs- und Baugesetz des Kantons Schwyz vom 14. Mai 1987 (PBG) sind die Gemeinden verpflichtet, Zonenpläne und Erschliessungspläne samt ![]() | 13 |
Wird eine Gemeinde durch eine kantonale Anordnung in ihrer Autonomie eingeschränkt, so kann sie sich mit staatsrechtlicher Beschwerde dagegen zur Wehr setzen und insbesondere verlangen, dass die kantonale Behörde in formeller Hinsicht ihre Befugnisse nicht überschreitet und korrekt vorgeht und dass sie in materieller Hinsicht die kantonal- und bundesrechtlichen Vorschriften im autonomen Bereich nicht verletzt. Das Bundesgericht überprüft den Entscheid der kantonalen Behörde auf Willkür hin, soweit Gesetzes- oder Verordnungsrecht in Frage steht (BGE 119 Ia 285 S. 295 f.). In diesem Sinne sind im folgenden die Rügen der Beschwerdeführerin zu behandeln.
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§ 26 PGB sieht die Anfechtung von Einspracheentscheiden des Gemeinderates betreffend Nutzungspläne nach der Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege (VRP) vor. Die Verwaltungsrechtspflegeverordnung gilt nach deren § 1 sowohl für Verwaltungsbehörden wie auch für das Verwaltungsgericht. Gemäss § 43 VRP hebt die Rechtsmittelinstanz den angefochtenen Entscheid im Falle der Gutheissung auf und entscheidet selbst über die Sache; ebenso kann sie die Sache mit den erforderlichen Weisungen zum Erlass einer neuen Entscheidung zurückweisen.
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In Anbetracht dieser Vorschriften kann dem Verwaltungsgericht nicht vorgeworfen werden, in willkürlicher Anwendung von § 43 VRP den Regierungsratsentscheid aufgehoben und die Sache mit verbindlichen Weisungen an die Gemeinde zurückgewiesen zu haben. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist daher davon auszugehen, dass nicht nur der Regierungsrat, sondern ebensosehr das Verwaltungsgericht entsprechende ![]() | 17 |
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Der Richtplan des Kantons Schwyz enthält für die streitigen Gebiete verschiedene Anordnungen. Im Sinne einer Festsetzung werden eine regionale Aushubdeponie Bachtellen-Wangen (Blatt Nr. 12.7), eine Multikomponentendeponie Buebental-Nuolen (Blatt Nr. 13.2) und Materialabbau Bachtellen und Rütihof (Blatt Nr. 16.2) aufgeführt. Lediglich als Zwischenergebnis ist eine in Bearbeitung stehende Multikomponentendeponie Rütihof-Nuolen (Blatt Nr. 13.3) erwähnt. Die Verbindlichkeit dieser Angaben mit den Kategorien "Festsetzung" und "Zwischenergebnis" ergibt sich aus der Einleitung zum Richtplan bzw. aus der eidgenössischen Verordnung über die Raumplanung (RPV, SR 700.1, vgl. insbes. Art. 5). Es wird von der beschwerdeführenden Gemeinde nicht in Frage gestellt, dass diese Richtplanvorgaben teils dem heutigen Zustand entsprechen und teils in Bearbeitung stehen. Sie macht insbesondere nicht geltend, dass sie von diesen Vorgaben abweichen möchte oder sich gegen die entsprechenden Vorhaben wenden würde.
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Bei dieser Sachlage braucht nicht im einzelnen entschieden zu werden, inwiefern der Richtplan als solcher für die Realisierung der Richtplanvorgaben die Gemeinde Wangen zu einer bestimmten Planung verpflichtet oder inwiefern der Richtplan die Realisierung auch über Ausnahmebewilligungen zulässt. Es kann im vorliegenden Fall auch offengelassen werden, welches das Ausmass der Bindung der Gemeinde an die ![]() | 20 |
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Die Raumplanung bildet mit der Richt- und Nutzungsplanung sowie nachfolgenden Baubewilligungs- und allfälligem Ausnahmebewilligungsverfahren ein Ganzes, in dem jeder Teil eine spezifische Funktion erfüllt. Baubewilligungen und auch Ausnahmebewilligungen haben den planerischen Stufenbau zu beachten. Für Bauten und Anlagen, die ihrer Natur nach nur in einem Planungsverfahren angemessen erfasst werden können, dürfen keine Ausnahmebewilligungen erteilt werden. Zieht ein nicht zonenkonformes Vorhaben durch seine Ausmasse oder seine Natur bedeutende Auswirkungen auf die bestehende Nutzungsordnung nach sich, so darf es nicht nach Art. 24 RPG, sondern erst nach einer entsprechenden Änderung des Zonenplanes bewilligt werden. Wann ein nicht zonenkonformes Vorhaben so gewichtig ist, dass es der Planungspflicht nach Art. 2 RPG untersteht, ergibt sich aus den Planungsgrundsätzen und -zielen (Art. 1 und 3 RPG), dem kantonalen Richtplan und der Bedeutung des Projekts im Lichte der im Raumplanungsgesetz festgelegten Verfahrensordnung (Art. 4 und 33 RPG; vgl. zum Ganzen BGE 119 Ib 174 E. 4 S. 178, BGE 117 Ia 352 E. 6a S. 359, BGE 116 Ib 50 E. 3a S. 53, BGE 116 Ib 131 E. 4a S. 139, BGE 115 Ib 508 E. 6 S. 513, BGE 114 Ib 312 E. 3a S. 315, mit Hinweisen). - In Nachachtung dieser Grundsätze hat das Bundesgericht in neuerer Zeit eine Planungspflicht für grössere Abbau- und Deponievorhaben bejaht und die Möglichkeit, solche Projekte mit einer Ausnahmebewilligung zu realisieren, - anders als noch im Entscheid Chrüzlen aus intertemporalrechtlichen Gründen (BGE 116 Ib 50 E. 6 S. 62) - verneint (BGE 119 Ib 174 E. 4 S. 178, BGE 116 Ib 50 E. 3b S. 54). In gleicher Weise hat das Bundesgericht für die Errichtung von Golfplätzen entschieden (BGE 114 Ib 312 E. 3b S. 316).
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Aus der vorstehenden Erwägung ergibt sich, dass die streitigen Vorhaben nur gestützt auf eine entsprechende Nutzungsplanung realisiert werden können. Im Rahmen einer solchen Planung ist eine umfassende Beurteilung sämtlicher raum- und umweltschutzrelevanter Gesichtspunkte vorzunehmen. Im Planungsentscheid über Abbau- und Deponiestandorte sind vorsorglich auch die Anliegen des Umweltschutzes mitzuberücksichtigen (BGE 116 Ib 50 S. 55). Dabei ist der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Koordinationspflicht in geeigneter Weise Rechnung zu tragen (vgl. BGE 119 Ib 174 E. 4 S. 178, BGE 116 Ib 50 E. 4a S. 56). Wird zur Verwirklichung eines UVP-pflichtigen Projektes eine Änderung oder Ergänzung der Nutzungsplanung vorgenommen, so ![]() | 25 |
Mit diesen Anforderungen lässt sich der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts nicht vereinbaren. Es kann von der Beschwerdeführerin in der Tat nicht verlangt werden, in den streitigen Gebieten Abbau- und Deponiezonen festzusetzen, ohne die entsprechenden umweltschutzrelevanten Sachverhaltsabklärungen vorzunehmen. Es ist zwar nicht zu übersehen, dass die Beschwerdeführerin sich mit dieser Argumentation widersprüchlich verhält, da sie selbst im Zonenplanentwurf im Jahre 1990 entsprechende Abbau- und Deponiezonen vorgesehen hatte. Dieser Umstand ändert indessen nichts an der Forderung, im Hinblick auf die Ausscheidung von Abbau- und Deponiezonen die umweltrelevanten Abklärungen bereits im Rahmen der Nutzungsplanung vorzunehmen und nicht erst im Baubewilligungsverfahren. Der angefochtene Entscheid erweist sich in dieser Hinsicht als willkürlich und verletzt damit die Autonomie der Beschwerdeführerin.
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Darüber hinaus erweist sich der Entscheid des Verwaltungsgerichts auch in anderer Hinsicht als unhaltbar. Es hat die Beschwerdeführerin angewiesen, Abbau- und Deponiezonen ohne Präjudizierung der Frage der Auffüllung auszuscheiden. Eine solche weitgehend inhaltsleere Nutzungsplanungsmassnahme dient weder den Interessen der privaten Beschwerdegegnerin noch dem Anliegen der Rechtssicherheit. Vielmehr ist gerade der Inhalt der vom Verwaltungsgericht selbst in Aussicht genommenen Nutzungsplanungsvorschriften im Zuge der zur Diskussion stehenden Ortsplanungsrevision möglichst präzis festzulegen, sofern sich nach den erwähnten notwendigen Abklärungen ergibt, dass namentlich das in Aussicht genommene Projekt der Multikomponentendeponie Rütihof im Lichte der zu beachtenden Rechtsvorschriften verwirklicht werden kann. Die private Beschwerdegegnerin hat nicht zuletzt angesichts der ihr bereits erteilten Abbau- und Deponiebewilligungen einen Anspruch darauf, im Rahmen der zur Diskussion stehenden Ortsplanungsrevision eine umfassende Antwort darauf zu erhalten, ob ihr Projekt verwirklicht werden kann und damit die von ihr verlangten Massnahmen der Nutzungsplanung festzusetzen sind oder nicht. Gesamthaft gesehen ist es nicht haltbar, von der Gemeinde definitiv zu verlangen, sie habe in den drei umstrittenen Gebieten Abbau- und Deponiezonen mit weitgehend unbestimmtem materiellen Inhalt festzusetzen. Wenn sich die Gemeinde entschieden hat, die Festsetzung solcher Zonen von einem positiven Ergebnis weiterer umfassender Abklärungen abhängig zu ![]() | 27 |
Zusammenfassend ergibt sich demnach, dass die Anordnung des Verwaltungsgerichts an die Gemeinde Wangen nicht haltbar und demnach in Gutheissung der vorliegenden Beschwerde aufzuheben ist. Das Verwaltungsgericht wird daher einen neuen Entscheid zu treffen und darin den vorstehenden Erwägungen Rechnung zu tragen haben. Insbesondere wird von der Planungspflicht für die verschiedenen Abbau- und Deponievorhaben auszugehen und zu berücksichtigen sein, dass hierfür die notwendigen umwelt- und raumplanungsrelevanten Abklärungen vorgenommen werden müssen. Die Gemeinde Wangen hat eine hinreichend bestimmte Nutzungsplanung an die Hand zu nehmen, welche den Interessen der Rechtssicherheit und den Bedürfnissen der Beschwerdegegnerin Rechnung trägt. Es können gleichzeitig die Absichten für die Erstellung eines Golfplatzes mitberücksichtigt werden. Um die neue Zonenordnung bis zur Abklärung aller relevanter Umstände nicht allzu stark zu blockieren, kann es angezeigt sein, lediglich die Neuordnung der streitigen Gebiete zurückzustellen.
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