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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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2. Auszug aus dem Urteil vom 3. Februar 1954 i.S. Bichsel gegen Bern Staat und Verwaltungsgericht. | |
Regeste |
Besteuerung des Einkommens (Bern): |
2. Bemessung des steuerbaren Einkommens einer aus einem andern Kanton in den Kanton Bern zuziehenden erwerbstätigen Person. | |
Sachverhalt | |
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In seiner Steuererklärung für 1951 und 1952 im Kanton Bern deklarierte Bichsel auf Grund des in den Vorjahren 1949 und 1950 erzielten Einkommens ein steuerpflichtiges Einkommen von Fr. 1381.65. Die Veranlagungsbehörde schätzte ihn statt dessen auf Grund des seit dem Zuzug in den Kanton Bern erzielten und auf ein ganzes Jahr ![]() | 2 |
Wäre Bichsel stets im Kanton Bern geblieben, so hätte er nach Art. 30 und 41 StG für die Veranlagungsperiode 1951/52 auf Grund des in den Vorjahren 1949/50 erzielten Einkommens eingeschätzt werden müssen. Da er aber Mitte Oktober 1950 seinen Wohnsitz ausser Kanton verlegt und bis Ende Juni 1951 der Steuerhoheit des Kantons Zürich unterstanden habe, sei er nach seiner Rückkehr in den Kanton Bern daselbst als Zuzüger zu veranlagen. Hiefür gelte nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung der Grundsatz, dass auf ein ausserkantonales Einkommen als Bemessungsgrundlage dann nicht zurückgegriffen werden dürfe, wenn die Steuerquelle sich verändert habe, d.h. wenn seine Einkommensverhältnisse sich grundlegend verändert hätten und das frühere Einkommen sich daher nicht mehr als Massstab für das am neuen Wohnort erzielte eigne. Mit dieser Praxis, wonach das ausserkantonale Einkommen nur bei offensichtlich gleichbleibenden Einkommensverhältnissen zur Bemessung herangezogen werden dürfe, stehe die angefochtene Veranlagung im Einklang. Wohl sei die Stellung Bichsels in Bern gleich wie vorher in Zürich; hier wie dort sei er als Versicherungsmathematiker tätig. Allein sein Einkommen sei nach seiner eigenen Angabe um 23% höher. Dass die Erhöhung zur Hälfte aus Teuerungszulagen bestehe, sei unerheblich; entscheidend sei das Gesamteinkommen. Ebenso sei unerheblich, dass Bichsel nur kurze Zeit in Zürich gewesen sei; er habe immerhin achteinhalb Monate dort Wohnsitz gehabt und daher nach seiner Rückkehr in den Kanton Bern als Zuzüger behandelt werden müssen.
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Das Bundesgericht schützt die Beschwerde
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in Erwägung: | |
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Das bernische Steuerrecht beruht auf dem Prinzip der Postnumerandobemessung des Einkommens: Grundlage der Bemessung bildet in der Regel der Jahresdurchschnitt des Einkommens in der Bemessungsperiode, d.h. in den zwei der Veranlagungsperiode vorausgegangenen Kalenderjahren (Art. 30 und 41 StG). Hatte der Steuerpflichtige während der Bemessungsperiode kein Erwerbseinkommen, wohl aber während der Veranlagungsperiode, so wird auf letzteres abgestellt; hat umgekehrt sein Erwerbseinkommen zu Ende der Bemessungsperiode wegen Einstellung der Erwerbstätigkeit endgültig aufgehört, so ist es nicht mehr zu versteuern (Art. 42 Abs. 2 und 3). Vom Prinzip der Postnumerandobemessung wird also nur abgewichen, wenn der Steuerpflichtige in einer der beiden Perioden gar kein Erwerbseinkommen hatte, nicht aber schon dann, wenn sich sein Einkommen lediglich stark verändert hat. Da der Beschwerdeführer auch während seiner Studienjahre erwerbstätig war, ist er mit Recht für die Jahre 1945/46 auf Grund des Einkommens veranlagt worden, das er in den Jahren 1943/44 als kaufmännischer Angestellter erzielt hatte; er hat denn auch diese Besteuerung nicht angefochten. Anderseits wäre er nach dem kantonalen Steuerrecht, wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid ausdrücklich bestätigt, für die Jahre 1951 /52 nach dem in den Jahren 1949/50 erzielten ![]() | 7 |
Die abweichende Behandlung des Beschwerdeführers wird vom Verwaltungsgericht - wie schon von den Vorinstanzen - ausschliesslich damit begründet, dass die Anwendung der Art. 30 und 41 StG gegen die bundesrechtlichen Regeln über die Doppelbesteuerung verstossen würde. Diese Regeln betreffen die Abgrenzung der Steuerhoheit zwischen verschiedenen Kantonen und kommen nur im interkantonalen Verhältnis in Betracht; für die Postnumerandobemessung sind sie nur von Bedeutung, wenn das Einkommen der Bemessungsjahre in einem anderen Kanton erzielt wurde als dasjenige der Veranlagungsjahre. Das traf beim Beschwerdeführer wenigstens teilweise zu bezüglich der Steuerjahre 1951/52, da er vom 15.10.50-30.6.51 in Zürich wohnte und verdiente und am 1.7.51 in den Kanton Bern übersiedelte, nicht aber bezüglich der Steuerjahre 1945/46, da er im Frühling 1945 wohl seine bisherige kaufmännische Stelle mit dem Studium und nur noch in den Ferien betriebener Berufstätigkeit vertauschte, aber nach wie vor im Kanton Bern wohnen blieb. Auf diesem Unterschied der tatsächlichen Verhältnisse beruht seine verschiedene rechtliche Behandlung in den beiden genannten Veranlagungsperioden; sie ist deshalb nicht willkürlich, obwohl sie sich beidemal zum Nachteil des Beschwerdeführers auswirkte.
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Wenn und soweit die Anwendung des kantonalen Steuerrechtes die bundesrechtlichen Regeln über die Doppelbesteuerung verletzen würde, hat sie ihnen zu weichen. Sofern nach jenen Regeln die Heranziehung des in den Vorjahren erzielten Einkommens durch den Kanton ![]() | 9 |
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Das in Art. 46 Abs. 2 BV vorgesehene Bundesgesetz gegen Doppelbesteuerung ist bis heute nicht erlassen worden. In Ermangelung desselben hat das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung eine Anzahl von Regeln aufgestellt, um das in jener Verfassungsbestimmung enthaltene Verbot interkantonaler Doppelbesteuerung zu gewährleisten, d.h. zu verhindern, dass ein Steuerpflichtiger infolge seiner steuerrechtlichen Zugehörigkeit zu zwei oder mehr Kantonen unbegründeterweise stärker belastet wird, ![]() | 11 |
Hieraus folgt, dass jene Regeln der Postnumerandobemessung des Einkommens nur dann im Wege stehen können, wenn ihr eine höhere, nicht aber, wenn daraus eine geringere Besteuerung resultiert. M. a. W., das während der Vorjahre in einem anderen Kanton erzielte Einkommen darf nicht herangezogen werden, wenn es höher war als das während der Veranlagungsperiode im Kanton selbst erzielte; wohl aber darf darauf abgestellt werden, wenn es niedriger war als das letztere. Diese einseitige Wirkung der bundesrechtlichen Regeln zugunsten der Steuerpflichtigen ergibt sich aus ihrem Wesen als Kollisionsnormen zur Verhinderung der Doppelbesteuerung. Eine solche und ein Übergreifen in die Steuerhoheit ![]() | 12 |
Der angefochtene Entscheid stützt sich somit zu Unrecht auf die bundesrechtlichen Regeln über die Doppelbesteuerung: Weder berechtigen diese den Kanton Bern direkt zur Besteuerung des Beschwerdeführers auf Grund seines Einkommens während der Veranlagungsjahre, noch verbieten sie ihm die Anwendung der Art. 30 und 41 StG, wonach der Bemessung das Einkommen während der zwei vorausgegangenen Jahre zugrunde zu legen ist. Ob in der zu Unrecht erfolgten Anrufung jener Regeln eine Verletzung derselben zu erblicken und der darauf gegründete Entscheid deshalb aufzuheben ist, erscheint als fraglich; auf jeden Fall hat Bern damit nicht in eine fremde Steuerhoheit eingegriffen, liegt keine interkantonale Doppelbesteuerung vor. Die Frage kann offen gelassen werden, da der Entscheid ohnehin wegen Willkür aufgehoben werden muss; denn da die Nichtanwendung der Art. 30 und 41 StG und die Besteuerung des Beschwerdeführers nach seinem Einkommen in der Veranlagungsperiode einzig auf jene Regeln gestützt wurde, erweist sie sich mit dem Wegfall dieser Begründung als gänzlich unhaltbar, willkürlich.
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