BGE 80 I 19 | |||
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4. Urteil vom 3. März 1954 i.S. X. A.-G. gegen Kantone Luzern und Zürich. | |
Regeste |
Doppelbesteuerung. | |
Sachverhalt | |
A.- Die X. A.-G., die ihren Sitz im Kanton Luzern hat, ist mit einer Kommandite von Fr. 30'500.-- an der Z. & Cie in Zürich beteiligt. Damit das nach aussen nicht in Erscheinung trete, hat sie die Kommandite der Y. A.-G. in Zürich zu treuhänderischem Besitz und Verwaltung übertragen; im Handelsregister ist die Y. A.-G. als Kommanditärin der Z. & Cie eingetragen.
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In Zürich wurde die X. im Jahre 1953 für die genannte Beteiligung auf Grund ihrer Steuererklärung provisorisch mit Fr. 30'000.-- Vermögen und Fr. 7600.-- Einkommen eingeschätzt. Gestützt hierauf bezahlte sie am 5.5.53 daselbst Fr. 2104.80 Kantons- und Gemeindesteuern mit dem Vermerk: "... behält sich alle Rechte vor betr. Doppelbesteuerung etc.".
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In Luzern reichte die X. am 22.6.53 die Steuererklärung für 1953 ein, wo sie ein Kapital von Fr. 500'000.-- und einen Gewinn von Fr. 17'998.-- deklarierte. Sie wies darauf hin, dass die Kommanditbeteiligung an der Z. & Cie in Zürich mit Fr. 30'000.-- bzw. Fr. 7600.-- versteuert werden müsse. Gestützt hierauf wurde sie am 3.8.53 wie folgt eingeschätzt: Steuerbares Kapital Fr. 500'000.--, Anteil Luzern Fr. 465'000.--; steuerbarer Gewinn Franken 18'000.--; Anteil Luzern Fr. 13'600.--. Der Anteil des Kantons Luzern am Gewinn wurde berechnet auf Grund des Verhältnisses zwischen dem Ertrag aus dem Kanton Luzern und dem Gesamtertrag und eines Praecipuums von 10% für Luzern. Dagegen erhob die X. Einsprache mit dem Begehren, der "Anteil Luzern" am Gewinn sei auf Fr. 10'400.-- herabzusetzen, da von dem steuerbaren Gewinn von Fr. 18'000.-- Fr. 7600.-- auf den Kanton Zürich entfielen. Durch Einspracheentscheid vom 13.11.53 wurde der "Anteil Luzern" am Kapital auf Fr. 500'000.-- und am Gewinn auf Fr. 18'000.-- festgesetzt mit der Begründung, Gewinn und Kapital seien voll im Kanton Luzern zu versteuern.
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B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde auf Grund von Art. 46 Abs. 2 BV beantragt die X. A.-G., sie sei von der doppelten Steuerpflicht für die Kommanditbeteiligung an der Z. & Cie bezüglich Kapital und Gewinn zu befreien; falls die Steuerpflicht im Kanton Zürich ganz oder teilweise verneint werde, sei derselbe zur Rückerstattung der zu viel bezahlten Steuern nebst 4% Zins zu verhalten.
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C.- Der Regierungsrat von Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Kanton Zürich richtet. Er führt aus, nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen sei die X. Kommanditärin der Z. & Cie. Auf Grund des Treuhandvertrages trete allerdings nach aussen nicht sie, sondern die Y. als solche auf. Für die Beurteilung der steuerlichen Verhältnisse seien jedoch, wie das Bundesgericht wiederholt bei der Besteuerung des sog. stillen Gesellschafters festgestellt habe, die unter den Parteien getroffenen Vereinbarungen massgebend. Die Auffassung der luzernischen Steuerbehörden stehe mit diesen Grundsätzen im Widerspruch.
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D.- Im Auftrag des luzernischen Regierungsrates beantragt die Steuerverwaltung des Kantons Luzern Abweisung der Beschwerde gegenüber diesem Kanton, evtl. Gutheissung der in seiner ursprünglichen Einschätzung vom 3.8.53 vorgenommenen Steuerausscheidung. Zur Begründung verweist sie auf die Stellungnahme der Staatssteuerkommission für die juristischen Personen.
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Diese führt aus, laut Handelsregister und Bilanzen sei nicht die X., sondern die Y. Kommanditärin der Z. & Cie. Die X. sei lediglich an der Y. finanziell beteiligt, woraus sich aber kein Recht des Kantons Zürich zu ihrer Besteuerung ergebe. Die obligationenrechtlich vorgeschriebene Eintragung des Kommanditärs im Handelsregister gehe auch steuerrechtlich dem Treuhandvertrag vor; dieser sei nichts anderes als eine Simulation. Eine Besteuerung der X. durch den Kanton Zürich lasse sich nicht begründen.
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Falls sie trotzdem als Kommanditärin der Z. & Cie betrachtet würde, stelle sich die Frage der interkantonalen Steuerausscheidung. Es bestehe noch keine bundesgerichtliche Rechtsprechung darüber in Fällen, wo der Kommanditär eine in einem andern Kanton niedergelassene Aktiengesellschaft sei. Eine klare Ausscheidung lasse sich vornehmen, wenn die Kommanditbeteiligung einer Betriebsstätte gleichgestellt werde. Dann sei vom Kanton des Kommanditgesellschaftssitzes derjenige Teil des Kapitals der Aktiengesellschaft zu besteuern, der dem Verhältnis der Kommanditsumme zu ihren übrigen Aktiven entspreche, und vom Gewinn jener Teil, der sich aus dem Verhältnis des Kommanditertrages zu den übrigen Einnahmen ergebe. So sei die Ausscheidung vom Kanton Luzern zuerst vorgenommen worden. Der Kanton Zürich besteuere die X. schlechthin für den Betrag der Kommandite und deren Bruttoertrag. Diese Methode sei nicht nur ungerecht, weil die Verwaltungskosten einer Aktiengesellschaft sich auf deren ganzes Geschäftsgebiet verteilten; sie wäre überhaupt nicht anwendbar in Fällen, wo die Kommanditbeteiligung einer Aktiengesellschaft grösser sei als ihr Aktienkapital bzw. ihr steuerbares Kapital oder der Bruttoertrag der Kommandite grösser als der steuerbare Gewinn.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Nach ständiger, schon in BGE XIV 400 begründeter Praxis des Bundesgerichts befindet sich im interkantonalen Verhältnis, unabhängig vom Besteuerungssystem der betreffenden Kantone, das Steuerdomizil für Vermögen und Einkommen der Kommandit- wie der Kollektivgesellschaft am Gesellschaftssitz. Ein Kanton, welcher - wie Zürich gemäss § 11 StG - die Kollektiv- und Kommanditgesellschaft nicht als solche besteuert, sondern ihr Vermögen und Einkommen den Gesellschaftern zurechnet, kann somit die Gesellschafter hiefür auch dann besteuern, wenn sie in einem andern Kanton wohnen. Das gilt bei der Kommanditgesellschaft auch dann, wenn der Kommanditär - wie das in Art. 594 Abs. 2 OR vorgesehen ist - eine juristische Person ist und diese ihren Sitz in einem anderen Kanton hat.
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Nach dem "Treuhandvertrag" vom 20.10.49 hat die X. die Kommanditbeteiligung an der Z. & Cie der Y. fiduziarisch übertragen, um selber nach aussen nicht in Erscheinung zu treten. Die Y. verpflichtet sich darin, "die Kommandite intern für Rechnung des Treugebers, nach aussen aber in eigenem Namen und für eigene Rechnung zu verwalten und zu besitzen" und "ihre Funktionen jederzeit und auf erstes Verlangen des Treugebers an diesen selbst oder an die vom Genannten gegebene Order zur Verfügung zu stellen". Daraus ergibt sich, dass die Einschaltung der Y. im ausschliesslichen Interesse der X. begründet wurde und diese nach wie vor über alle aus der Kommandite fliessenden Rechte verfügt. Wirtschaftlich ist sie die Kommanditärin der Z. & Cie geblieben, und die im Handelsregister als solche eingetragene Y. ist tatsächlich nur ihr Strohmann. Ob es sich um ein treuhänderisches oder um ein simuliertes Verhältnis handelt (vgl. hierüber BGE 71 II 99, BGE 72 II 279; VON TUHR, OR § 35 III a.E.), ist bedeutungslos, da, wenn Simulation vorliegt, jedenfalls die Kommanditbeteiligung der Y. an der Z. & Cie simuliert ist, nicht diejenige der X. Unter diesen Umständen hat aber die steuerliche Behandlung nicht auf den Eintrag im Handelsregister, sondern auf die wirtschaftliche Sachlage abzustellen. Mit Bezug auf fiduziarisches Eigentum, das im ausschliesslichen Interesse des Treugebers bestellt wurde und diesem die tatsächliche Verfügung beliess, hat das Bundesgericht wiederholt entschieden, dass es vom Treugeber und nicht vom Treuhänder zu versteuern ist - sei es, dass als Steuerobjekt der Gegenstand des fiduziarischen Eigentums selbst betrachtet wird, sei es der an dessen Stelle getretene, in der Verfügungsmacht darüber liegende und gleich hohe Vermögenswert (BGE 72 I 338, nicht veröffentlichte Urteile vom 16.2.42 i.S. Wolfensberger, S. 20 oben, und vom 20.12.51 i.S. Giovannini, E. 2). Aus den gleichen Erwägungen ist auch hier - gleichgültig, ob das Verhältnis als treuhänderisch oder als simuliert zu betrachten ist - nicht die bloss nach aussen als Kommanditärin der Z. & Cie auftretende Y., sondern die tatsächlich die betreffenden Rechte ausübende X. für die Kommandite und den daraus fliessenden Gewinn zu besteuern.
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Nach seinem Eventualantrag möchte der Kanton Luzern die Besteuerung der X. durch den Kanton Zürich und die daraus resultierenden Abzüge in Luzern nur zulassen nach Massgabe des Verhältnisses zwischen der Kommanditsumme und den gesamten Aktiven der X. bzw. zwischen dem Gewinnanteil aus der Kommandite und den Gesamteinnahmen der X. Das wäre dann richtig, wenn die X. ein interkantonales Unternehmen im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis betreffend die Doppelbesteuerung wäre, sodass jeder der beiden Kantone sie für einen Anteil am Gesamtunternehmen zu besteuern hätte. Voraussetzung hiefür wäre, dass die X., deren Sitz im Kanton Luzern ist, im Kanton Zürich eine Betriebsstätte hätte, d.h. ständige körperliche Anlagen oder Einrichtungen unterhielte, in denen sich ein qualitativ und quantitativ wesentlicher Teil ihres Betriebes abspielen würde. Das trifft jedoch nicht zu und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. In Zürich befinden sich wohl Anlagen und Einrichtungen der Z. & Cie und spielt sich deren Betrieb ab, nicht aber solche der X., deren Geschäftsbetrieb im Kanton Luzern vor sich geht.
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Die Beschwerdeführerin möchte aber die Beteiligung einer Aktiengesellschaft an einer Kommanditgesellschaft mit Sitz in einem andern Kanton einer Betriebsstätte gleichstellen. (Der Kommentar GRÜNINGER/STUDER zum Basler Steuergesetz, auf den sie sich dafür beruft, vertritt an der zitierten Stelle auf S. 276 unten nicht etwa diese Auffassung, sondern wirft lediglich die Frage auf.) Zu einer solchen Gleichstellung besteht indessen kein Grund. Die Besteuerung des Kommanditärs für die Kommandite und deren Ertrag vertritt eine Besteuerung der Kommanditgesellschaft und findet am Gesellschaftssitze statt, weil sich dort deren massgebende Tätigkeit abspielt. Das ist nicht anders, wenn der Kommanditär eine Aktiengesellschaft ist; massgebend dafür ist nicht Sitz und Tätigkeit der Aktiengesellschaft, sondern der Kommanditgesellschaft, an der jene beteiligt ist. Für die Aktiengesellschaft, gleich wie für einen gewöhnlichen Kommanditär, ist die Kommandite lediglich eine Kapitalanlage. Zu dem Sitzkanton der Kommanditgesellschaft tritt sie nur durch diese, nicht aber durch ihren eigenen Geschäftsbetrieb in Beziehung. Die Argumente des Kantons Luzern sind nicht stichhaltig. Aus der Beteiligung an der Kommanditgesellschaft können der Aktiengesellschaft so wenig wie einem anderen Kommanditär namhafte Verwaltungskosten erwachsen; die Verwaltungskosten der Kommanditgesellschaft werden von dieser getragen und sind in dem von ihr ausgerichteten Reingewinn bereits berücksichtigt. Auch wenn die Aktiengesellschaft keinen anderen Gewinn erzielt als den Ertrag der Kommandite, ja sogar wenn dieser durch sonstige Verluste überwogen wird, kann das kein Grund sein, das Besteuerungsrecht des Sitzkantons der Kommanditgesellschaft, aus dem der Aktiengesellschaft ein Gewinn zufliesst, zu schmälern oder aufzuheben zugunsten des Sitzkantons der Aktiengesellschaft, wo diese keinen Gewinn oder sogar einen Verlust erzielt hat.
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Da der Kanton Zürich die X. für die Kommanditbeteiligung an der Z. & Cie und deren Ertrag in vollem Umfang und nicht nur nach dem Verhältnis derselben zu ihren Gesamtaktiven und Gesamteinnahmen besteuern darf, muss der Kanton Luzern sie in vollem Umfang an dem von ihm besteuerten Kapital und Gewinn der X. abziehen. Soweit er das nicht getan hat, greift nicht nur der Einspracheentscheid vom 13.11.53, sondern auch die ursprüngliche Einschätzung vom 3.8.53 in die Steuerhoheit des Kantons Zürich über und ist deshalb entsprechend abzuändern.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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