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Informationen zum Dokument  BGE 81 I 5  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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2. Urteil 2. vom Februar 1955 i.S. Basler Freilager AG gegen Baselland, Steuerrekurskommission.
 
 
Regeste
 
Kantonales Steuerrecht; formelle Rechtsverweigerung.  
 
Sachverhalt
 
BGE 81 I, 5 (5)A.- Die Basler Freilager AG betreibt in Münchenstein ein Zollfreilager. Sie hat die dem Betriebe dienenden Gebäulichkeiten auf einer Landparzelle errichtet, die Eigentum der Chr. Merian'schen Stiftung in Basel ist. Diese hatte zugunsten der Einwohnergemeinde der Stadt Basel ein Baurecht bestellt, das in der Folge auf die Basler Freilager AG übertragen worden war.
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Bei der Veranlagung der Basler Freilager AG zur basellandschaftlichen Staatssteuer für 1947 wurden die Gegenstand des Baurechts bildenden Immobilien im Betrage der Katasterschatzung in die Berechnung der Kapitalsteuer einbezogen; die Differenz zwischen diesem Betrage und BGE 81 I, 5 (6)dem niedrigeren Buchwert wurde als stille Reserve betrachtet. Die Steuerpflichtige stellte sich auf den Standpunkt, dass bloss der Buchwert der Besteuerung unterliege, da die Immobilien wegen des vertraglich vorgesehenen Heimfallrechtes für den Betrieb zunehmend an Wert verlören, so dass Abschreibungen notwendig seien. Im Einspracheverfahren bestätigte jedoch die kantonale Steuerverwaltung die Veranlagung, und der Rekurs der Pflichtigen hiegegen wurde von der Steuerrekurskommission Baselland am 11. Juli 1951 abgewiesen.
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B.- Bei den folgenden, gleichzeitig für die Staatssteuern 1948-1952 vorgenommenen Veranlagungen der Basler Freilager AG wurde wiederum die Differenz zwischen Kataster- und jeweiligem Buchwert als stille Reserve für die Kapitalsteuer aufgerechnet. Die Steuerpflichtige erhob gegen den bestätigenden Einspracheentscheid erneut Rekurs. Die Steuerrekurskommission trat darauf mit Entscheid vom 19. Dezember 1953 nicht ein. Sie führte aus, sie habe die Sache bereits im früheren Rekursverfahren beurteilt. Aus den damals und jetzt gestellten Rekursbegehren und ihrer Begründung ergebe sich in der Tat, dass man es mit dem gleichen Steuerstreit zu tun habe. Es sei eine blosse Äusserlichkeit, dass die beiden Rekurse verschiedene Steuerperioden beträfen; der Rekurrentin gehe es heute wie früher um die grundsätzliche Berücksichtigung gewisser Abschreibungen. Die materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung schliesse eine neue Beurteilung aus.
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C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt die Basler Freilager AG, den Rekursentscheid vom 19. Dezember 1953 wegen Verletzung des Art. 4 BV (Rechtsverweigerung, Willkür) aufzuheben. Sie macht geltend, das Objekt des ersten Rekursverfahrens sei nicht identisch mit dem des zweiten; denn jenes Verfahren betreffe die Kapitalsteuer für 1947, dieses die Kapitalsteuern für 1948-1952. Hier wie dort sei nicht allein die grundsätzliche Frage, ob die Katasterschatzung gleichzeitig als Steuerwert BGE 81 I, 5 (7)zu gelten habe, zu entscheiden gewesen. Losgelöst von einer bestimmten Steuerforderung könnte nach dem Steuerrecht des Kantons Baselland, der die Staatssteuer periodisch erhebe, eine solche Streitfrage überhaupt nicht Gegenstand eines Rekursverfahrens sein. Die materielle Rechtskraft des Rekursentscheides vom 11. Juli 1951 gehe nicht über die Steuerforderung für das Jahr 1947 hinaus. Den Motiven eines Entscheides fehle auch im Steuerrecht die Rechtskraft.
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D.- Die Steuerrekurskommission Baselland schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
In Lehre und Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass Steuerentscheide, die in einem besonders geregelten Verfahren ergehen, an dem der Steuerpflichtige zur Erzielung eines sachlich richtigen Ergebnisses mitzuwirken hat, mit der formellen grundsätzlich auch materielle Rechtskraft erlangen, d.h. für den Steuerpflichtigen wie für das besteuernde Gemeinwesen verbindlich werden und nur ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, revidiert werden können (BGE 71 I 103; BGE 74 I 405; BGE 75 I 63, 309; BGE 76 I 7; BGE 78 I 200, 206). Die materielle Rechtskraft eines früheren Entscheides kann aber in einem neu angehobenen Verfahren nur dann mit Grund angerufen werden, wenn die beiden Verfahren den gleichen Gegenstand betreffen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn hier wie dort dasselbe Forderungsverhältnis vorliegt, namentlich wenn eine Steuer vom nämlichen Steuersubjekt für dasselbe Steuerobjekt, für die gleiche Steuerperiode und aus demselben Rechtsgrunde gefordert wird (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2. Aufl., S. 358).
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Der Steuerrekurskommission Baselland ist zuzugeben, dass die Beschwerdeführerin in beiden in Frage stehenden Rekursverfahren ein und dieselbe grundsätzliche Rechtsfrage, diejenige der Behandlung der im Hinblick auf das Heimfallrecht vorgenommenen Abschreibungen auf Immobilien BGE 81 I, 5 (8)bei der Veranlagung der Kapitalsteuer, zur Entscheidung gestellt hat. Gleichwohl fehlt es aber an der Identität der Streitsache; denn Gegenstand des Streites war im früheren Rekursverfahren die Höhe der Kapitalsteuer für 1947, im späteren dagegen diejenige der Kapitalsteuern für 1948-1952. Die Beurteilung jener Rechtsfrage hatte lediglich die Bedeutung eines Motivs; an der materiellen Rechtskraft der Entscheidung nehmen aber die Motive nicht teil. Die Rechtskraft des Rekursentscheides vom 11. Juli 1951 ist auf das Steuerjahr 1947 beschränkt. Der Standpunkt, sie stehe dem Eintreten auf den Rekurs betreffend die Steuerjahre 1948-1952 entgegen, ist abwegig. Er widerspricht offensichtlich dem System des kantonalen Gesetzes, wonach die für die jeweilige Steuerperiode getroffenen Veranlagungen immer wieder durch Einsprache und Beschwerde angefochten werden können. Indem die Rekurskommission es im angefochtenen Entscheid vom 19. Dezember 1953 abgelehnt hat, auf den neuen Rekurs einzutreten, hat sie der Beschwerdeführerin gegenüber eine formelle Rechtsverweigerung begangen.
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Gewiss gibt es Fälle, wo Steuerentscheide über eine bestimmte Steuerperiode hinaus Rechtskraftwirkung entfalten. So verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bei Aussprüchen der Militärsteuerbehörden über die Frage der Ersatzbefreiung nach Art. 2 lit. b des Militärsteuergesetzes (BGE 71 I 103ff., 110 f.). Das sind aber Entscheide, durch die eine dauernde, von den besondern Verhältnissen des einzelnen Veranlagungsjahres grundsätzlich unabhängige Rechtslage festgestellt wird (BGE 56 I 195; BGE 71 I 104, 106 Erw. 3). Sie können ausserhalb eines Veranlagungsverfahrens getroffen werden, sei es von Amtes wegen, sei es auf Gesuch des betreffenden Wehrmannes hin (BGE 61 I 202; BGE 74 I 479 Erw. 2), und es sind dafür nach den kantonalen Vollziehungsverordnungen auch nicht durchweg die gleichen Behörden wie für die Einschätzung zuständig. Sie haben auch dann selbständige Bedeutung, wenn sie formell mit einer bestimmten Veranlagung BGE 81 I, 5 (9)verbunden sind. Im vorliegenden Fall dagegen handelt es sich um eine Frage der Taxation, die zudem nicht für jede Steuerperiode die gleiche Tragweite haben wird, da es auf die besonderen Verhältnisse in den einzelnen Jahren ankommt. Sie kann denn auch nach dem kantonalen Recht von den Steuerbehörden nicht losgelöst vom Verfahren, in dem die Steuerforderungen für die einzelnen Perioden festgestellt werden, beurteilt werden. Dass sie sich, jedenfalls im Grundsatz, immer wieder stellen kann, ist kein zureichender Grund, dem früheren Rekursentscheid Rechtskraftwirkung über das Steuerjahr 1947 hinaus beizulegen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben.
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