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10. Urteil vom 6. April 1955 i.S. Bühler-Meyer & Co. gegen Tierzin G.m.b.H. und Obergerichtspräsidium des Kantons Appenzell A.Rh. | |
Regeste |
1. Staatsrechtliche Beschwerde: Die Verweisung auf Rechtsschriften, die im kantonalen Verfahren eingereicht worden sind, ist keine genügende Begründung (Erw. 1). |
3. Art. 4 BV: Ist es willkürlich, in der am Sitz der Hauptniederlassung des Schuldners in der Schweiz eingeleiteten Betreibung für Ansprüche aus dem Betriebe einer deutschen Zweigniederlassung die Rechtsöffnung gestützt auf ein Urteil des deutschen Richters zu erteilen, das sich der Form nach gegen die Zweigniederlassung richtet? (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Die geschäftlichen Beziehungen auf Grund dieses Vertrages führten zum Prozess. Im Mai 1952 reichte der Verwalter im Konkurs der Tierzin G.m.b.H. beim Landgericht München Klage gegen die "Firma Bühler-Meyer & Co., Lindau/Bds." ein, wobei er sich auf eine Gerichtsstandsvereinbarung ![]() | 2 |
Am 21. November 1952 schrieb ein Herr Hummel, ehemaliger Vertreter der Lmdauer Zweigniederlassung der Beschwerdeführerin, dem Landgericht Lindau, dass dieser Zweigbetrieb erloschen sei. Hievon in Kenntnis gesetzt, erklärte die Klagepartei dem Gericht, dass die Klage gegen die Firma Bühler-Meyer & Co. in Lutzenberg gerichtet werde. Diese verweigerte die Annahme der ihr daraufhin zugestellten gerichtlichen Ladung. Durch Versäumnisurteil vom 17. April 1953 verpflichtete das Landgericht Lindau sie, dem Kläger DM 4187.38 nebst 5% Zins seit Klageerhebung zu zahlen; ferner wurden ihr die Kosten des Rechtsstreites auferlegt. Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, wobei sie die Zuständigkeit des Landgerichts Lindau bestritt und ausserdem bemängelte, dass die Vorladung an sie statt an die Filiale in Lindau gerichtet worden sei. Der Ladung zur Verhandlung über den Einspruch gab sie wiederum keine Folge. Am 10. August 1953 fällte das Landgericht Lindau ein zweites Versäumnisurteil, womit es den Einspruch verwarf und der Beklagten auch die Kosten des Einspruchsverfahrens auferlegte.
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Mit Eingabe vom 16. März 1954 machte die Klagepartei das Landgericht Lindau darauf aufmerksam, dass das erste Versäumnisurteil die Beklagte richtigerweise mit der Adresse Lutzenberg/Schweiz, das zweite dagegen irrtümlich mit der Adresse der früheren Lindauer Niederlassung aufführe; sie beantragte, "der offensichtliche Schreibfehler" sei von Amtes wegen zu berichtigen. Das Gericht ![]() | 4 |
B.- Inzwischen, am 18. Februar 1954, hatte die Klagepartei beim Betreibungsamt Lutzenberg gegen die Beschwerdeführerin gestützt auf die beiden Versäumnisurteile Betreibung eingeleitet. Der Präsident des Bezirksgerichtes Vorderland (Appenzell A.Rh.) erteilte ihr definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 5360.97 nebst Zins und Kosten.
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Auf Appellation der Beschwerdeführerin hin bestätigte der Obergerichtspräsident des Kantons Appenzell A.Rh. diesen Entscheid am 4. Dezember 1954. Er führte aus, das Landgericht Lindau sei nach Art. 2 Ziff. 4 des Abkommens zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2. November 1929 zur Beurteilung der Klage zuständig gewesen, da die Beschwerdeführerin für Ansprüche aus dem Betriebe der dortigen Zweigniederlassung belangt worden sei. Auf den Zeitpunkt der Klageeinleitung komme es nach dem Staatsvertrag nicht an. Dieser sei auch in anderer Beziehung nicht verletzt. Die Zulässigkeit von Klageänderungen in bezug auf Gerichtsstand und Parteiwechsel richte sich ausschliesslich nach deutschem Prozessrecht. Unerheblich sei auch, dass die beiden Versäumnisurteile die Beklagte verschieden anschreiben; es handle sich lediglich um deren Adresse.
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C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt die Firma Bühler-Meyer & Co. in Lutzenberg, der Entscheid des Obergerichtspräsidenten sei aufzuheben und die definitive Rechtsöffnung für die in Frage stehende Forderung zu verweigern. Sie macht geltend, das Landgericht Lindau habe sich auf das allen prozessualen Regeln widersprechende Begehren der Gegenpartei eingelassen, die ursprünglich ![]() | 7 |
D.- Der Obergerichtspräsident hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Der Verwalter im Konkurs der Tierzin G.m.b.H. beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG sind die Gründe, auf die eine staatsrechtliche Beschwerde gestützt wird, in der Beschwerdeschrift selbst anzuführen. Es genügt nicht, in dieser Eingabe auf Rechtsschriften zu verweisen, die im kantonalen Verfahren eingereicht worden sind. Nach der Rechtsprechung gilt dies jedenfalls dann, wenn die Kognition des Bundesgerichts nicht dieselbe ist wie diejenige der kantonalen Behörde (BGE 71 I 377). Indes besteht ![]() | 9 |
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Hier kommt Art. 2 Ziff. 4 des Staatsvertrages in Betracht, wonach in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die Entscheidung gefällt wurde, begründet ist, wenn der Beklagte am Orte seiner geschäftlichen Niederlassung oder Zweigniederlassung für Ansprüche aus dem Betriebe dieser Niederlassung belangt worden ist. Sofern die Voraussetzungen dieser Bestimmung - die unter Berücksichtigung des Art. 59 BV und der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellt ![]() | 11 |
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, in Lindau eine Zweigniederlassung im Sinne des Staatsvertrages - und der bundesgerichtlichen Praxis zu Art. 59 BV (BGE 77 I 123) - unterhalten zu haben. Ebensowenig behauptet sie, die Klage betreffe nicht Ansprüche aus dem Betriebe dieser Niederlassung. Dagegen rügt sie, dass das Landgericht Lindau die Abänderung der ursprünglich gegen die "Firma Bühler-Meyer & Co. in Lindau" gerichteten Klage in eine solche gegen die "Firma Bühler-Meyer & Co. in Lutzenberg" zugelassen habe, nachdem das Erlöschen der Zweigniederlassung gemeldet worden sei. Sie macht indes nicht geltend, dass die Klage erst nach dieser Mitteilung in Lindau eingereicht worden sei. Mit Recht nicht. Die Zweigniederlassung in Lindau bestand noch, als das Landgericht München die bei ihm eingereichte Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit dem Landgericht Lindau zuwies. Im Zeitpunkt, wo der Rechtsstreit dergestalt beim Landgericht Lindau hängig gemacht wurde, war daher der staatsvertragliche Gerichtsstand der Zweigniederlassung für die Belangung der Beschwerdeführerin begründet. Er blieb bestehen, auch nachdem die Zweigniederlassung aufgegeben ![]() | 12 |
3. Richtig ist, dass das Landgericht Lindau als Sitz der beklagten Firma Bühler-Meyer & Co. im ersten Versäumnisurteil Lutzenberg, im zweiten, auf Einspruch der Beschwerdeführerin erlassenen dagegen Lindau aufgeführt hat. Ob diese Änderung zulässig war, beurteilt sich wiederum nach deutschem Prozessrecht und kann daher vom Bundesgericht nicht nachgeprüft werden, auch nicht auf Willkür. Sie ist hinzunehmen, da sie vom zuständigen Gericht vorgenommen wurde. Dass in der gegen die Beschwerdeführerin eingeleiteten Betreibung gestützt auf ein ![]() | 13 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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