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22. Urteil vom 4. Mai 1955 i.S. Kuppel gegen Strazzer und Obergericht des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Kantonales Prozessrecht. Rechtsverweigerung, rechtsungleiche Behandlung. | |
Sachverhalt | |
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Am 6. Oktober 1954 teilte die Beschwerdeführerin dem Obergericht auf Befragen mit, dass ihre gegen das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 16. Februar 1954 erhobene Beschwerde von Dr. Heeb verfasst worden sei. Darauf lehnte das Obergericht durch Entscheid vom 26. November 1954 das Eintreten auf die Beschwerde ab, im wesentlichen mit folgender Begründung:
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Nach § 13 des Advokatengesetzes vom 10. Dezember 1833 und § 51 ZPO seien nur solche schriftliche Vorträge bezw. Rechtsvorkehren "statthaft und gesetzlich eingelegt", die entweder von der Partei wirklich und persönlich verfasst oder von einem zugelassenen Anwalt unterschrieben seien. Die vorliegende Beschwerde sei, wie die Beschwerdeführerin zugebe, von Rechtsanwalt Dr. Heeb in Zürich verfasst worden. Dieser besitze aber weder eine allgemeine noch eine besondere Zulassungsbewilligung. Eine solche sei von ihm erst anfangs Mai, also nach Ablauf der Beschwerdefrist, eingeholt und erst am 18. Oktober 1954 verurkundet worden. Da die Beschwerde nicht von der Beschwerdeführerin persönlich verfasst worden sei, hätte sie von Dr. Heeb unterzeichnet sein müssen, und es hätte dieser noch innert der Beschwerdefrist zum mindesten das Gesuch um Erteilung der Zulassungsbewilligung stellen müssen (vgl. VJS 1933 S. 56 Nr. 12). Keine dieser beiden zwingenden Voraussetzungen sei ![]() | 3 |
B.- Gegen diesen Nichteintretensentscheid hat Ida Kuppel rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie beruft sich auf Art. 4 BV und macht geltend:
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a) Zweck des § 13 des Advokatengesetzes (AdvG) sei, zu verhindern, dass, wie die Vertretung, so auch die Abfassung von schriftlichen Vorträgen von Personen vorgenommen werde, die nicht zur Ausübung des Advokatenberufes zugelassen seien. Folglich sei ein von der Prozesspartei selbst unterzeichneter, jedoch von einem zugelassenen Anwalt verfasster schriftlicher Vortrag nicht ungültig.
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b) Obwohl § 13 AdvG nur von schriftlichen Vorträgen spreche, erweitere das Obergericht seinen Anwendungsbereich auf Rechtsvorkehren überhaupt. Das Bundesgericht sei dem schon in BGE 46 I 302 entgegengetreten und habe dort entschieden, dass eine blosse Rechtsmittelerklärung, die keiner Begründung bedürfe, nicht unter § 13 AdvG falle, was genau auf den vorliegenden Fall zutreffe. Das Gegenteil lasse sich auch nicht aus § 51 ZPO ableiten.
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c) Eine Rechtsverweigerung und Willkür läge selbst dann vor, wenn eine blosse Beschwerdeerklärung als "schriftlicher Vortrag" im Sinne von § 13 AdvG bezeichnet werden dürfte. Nach dem angefochtenen Entscheid wäre das Obergericht auf die Beschwerde eingetreten, wenn Dr. Heeb sie unterzeichnet und noch vor Ablauf der Beschwerdefrist um die Zulassungsbewilligung nachgesucht hätte. Wenn aber auf diese Weise der während des Fristenlaufs vorhandene Mangel hätte geheilt werden können, so bestünden keine sachlichen Gründe, es nicht gleich zu halten, wenn die Zulassung zwar erst nach Ablauf der Frist nachgesucht, jedoch vor Behandlung der Beschwerde bewilligt worden sei, wie es vorliegend zutreffe. Darin, dass das Obergericht zwischen den beiden Fällen einen Unterschied mache, liege eine rechtsungleiche Behandlung und überdies ein unverständlicher Formalismus.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1./ 2.- (Prozessuales).
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"Die Gerichtsbehörden werden darüber wachen, dass keine schriftlichen Vorträge angenommen werden, welche entweder nicht selbst von einer Partei wirklich und persönlich verfasst oder von einem zugelassenen Anwalte unterschrieben sind."
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Das Bundesgericht hat schon mehrfach entschieden, dass diese Bestimmung an sich nicht gegen Art. 4 BV verstösst (BGE 46 I 302 Erw. 1 und dort erwähntes Urteil vom 9. Februar 1917 i.S. Koch). Es hat indessen angenommen, dass unter "Vortrag" im Sinne dieser Bestimmung nur die schriftliche Begründung eines Rechtsbegehrens, nicht aber auch dieses selbst verstanden werden könne (BGE 46 I 303 Erw. 3, nicht veröffentl. Urteil vom 18. September 1931 i.S. Wirth). Da die vorliegende Eingabe der Beschwerdeführerin einzig in einem Beschwerdebegehren ohne Begründung bestand (und unbestrittenermassen auch keiner Begründung bedurfte), durfte somit das Eintreten auf das Begehren nicht gestützt auf § 13 AdvG abgelehnt werden.
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Nun stützt sich der angefochtene Entscheid jedoch auch auf § 51 ZPO, der, obwohl seit 1902 in Kraft, in den früher dem Bundesgericht unterbreiteten Fällen von keiner Seite angerufen, sondern vom Obergericht erstmals im Urteil, in dem es sich zufolge Aufhebung seines Nichteintretensentscheids materiell mit der Streitsache Wirth befasste, herangezogen wurde (Vierteljahrsschrift für aarg. Rechtsprechung 1932 S. 94/5). Nach dieser Bestimmung sind, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen,
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"nur patentierte Anwälte befugt, im Prozesse für die Partei mündliche Vorträge zu halten und schriftliche Rechtsvorkehren zu erstatten." ![]() | 14 |
4. Wenn die §§ 13 AdvG und 51 ZPO im eben genannten Sinn streng ausgelegt werden, ist die von einem Anwalt verfasste Rechtsmittelerklärung nur gültig, wenn dieser zur Zeit ihrer Abfassung allgemein oder für den Einzelfall zum Handeln vor aargauischen Gerichten zugelassen war. Ob diese Auslegung, die den Beizug eines bisher im Kanton Aargau nicht zugelassenen Anwalts für die Erhebung eines kurzbefristeten Rechtsmittels erheblich erschwert, wenn nicht verunmöglicht, vor Art. 4 BV Bestand hätte, kann dahingestellt bleiben. Das Obergericht selber nimmt diesen Standpunkt nicht ein; vielmehr lässt es eine nachträgliche Heilung des Mangels zu, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Gesuch um Erteilung der fehlenden Zulassungsbewilligung noch innert der Rechtsmittelfrist gestellt wird. Für diese Beschränkung wird jedoch weder im angefochtenen Entscheid noch in den dort erwähnten Präjudizien (VJS 1921 S. 164, 1933 S. 56) ein Grund angegeben. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Bestimmungen wie § 13 AdvG und § 51 ZPO haben, so hat das Bundesgericht bereits im Urteil vom 9. Februar 1917 i.S. Koch (VJS 1917 S. 140 ff.) ausgeführt, zum Zweck, die Ausübung des Anwaltsberufes den hiezu vermöge ihrer Kenntnisse und ihres Charakters geeigneten Personen vorzubehalten und Winkeladvokaten und dergl. auszuschliessen. Dieser Zweck erfordert keineswegs, dass der Anwalt, der eine Beschwerdeerklärung für eine Partei verfasst, schon innert der Beschwerdefrist um die Zulassung zum Handeln vor aargauischen Gerichten ![]() | 15 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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