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23. Urteil vom 17. Mai 1955 i.S. Sektion Zürich des Schweizerischen Drogisten-Verbandes und Konsorten gegen Regierungsrat des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Handels- und Gewerbefreiheit, Gewaltentrennung, Unverletzlichkeit des Hausrechts, Eigentumsgarantie. |
1. Zulässigkeit des Verbots, eine Drogerie als "Drugstore" zu bezeichnen (§ 46 VO). |
2. Zulässigkeit von Bestimmungen über die Kontrolle der Arzneimittelbetriebe (Recht der Kontrollorgane, Auskünfte zu verlangen, Geschäftspapiere einzusehen und die Geschäftsräume zu betreten, § 51 VO). |
3. Unzulässigkeit einer Bestimmung über die Beschlagnahme und Verwertung gewisser Einrichtungsgegenstände (§ 56 VO). Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit des polizeilichen Eingriffs. | |
Sachverhalt | |
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§ 46. Jede Drogerie ist als "Drogerie" zu bezeichnen. Auskündungen, die zu Verwechslungen mit Apotheken führen können, wie z.B. "Medizinaldrogerie" oder "Drugstore", sind verboten.
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§ 51. Die Arzneimittelbetriebe haben den Kontrollorganen die verlangten Auskünfte zu geben und Zutritt in alle Geschäfts-, Betriebs-, Lager- und Praxisräume zu gewähren.
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Die Kontrollorgane sind berechtigt, nötigenfalls die Rechnungen, Geschäftsbücher, Lieferscheine und sonstigen Belege einzusehen.
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§ 55. Werden Arzneimittel sowie Bestandteile, Packungen, Behälter oder Anpreisungsmittel von solchen gemäss § 35 f des Medizinalgesetzes beschlagnahmt, ist der Wareninhaber berechtigt, eine Quittung zu verlangen.
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§ 56. Andere Einrichtungsgegenstände, die gefährlich, zweckuntauglich oder unrein sind, können ebenfalls mit Beschlag belegt werden. Bei ihrer Verwertung ist ein allfälliger Erlös dem Berechtigten auszuhändigen. Die strafrechtliche Einziehung bleibt vorbehalten.
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B.- Die Sektion Zürich des Schweizerischen Drogisten-Verbandes und ihre Mitglieder Eugen Graf, Hans Metzger und Theodor Locher, die im Kanton Zürich Drogerien betreiben, führen gegen die VO staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 4 KV), der Garantie der Unverletzlichkeit des Hausrechts (Art. 8 KV), des Grundsatzes der Gewaltentrennung sowie der Art. 4 und 31 BV. Sie beantragen, § 46 VO insoweit aufzuheben, als er die Bezeichnung "Drugstore" verbietet, und die §§ 51 und 56 VO gänzlich aufzuheben, eventuell § 56 teilweise.
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C.- Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Sektion Zürich des Schweizerischen Drogisten Verbandes besitzt als Verein im Sinne der Art. 60 ff. ZGB das Recht der Persönlichkeit; sie bezweckt nach den Statuten "die Wahrung und Förderung der Standesinteressen ![]() | 9 |
2. Die VO nennt im Eingang als gesetzliche Grundlagen die §§ 37 lit. d, 41 Ziff. 2 und 32 Abs. 3 des kantonalen Gesetzes betreffend das Medizinalwesen vom 2. Okt. 1854 mit den seitherigen Abänderungen (MG), Art. 34 BG über die Betäubungsmittel vom 3. Okt. 1951 und die Art. 49 und 55 der eidg. Vollziehungsverordnung zu diesem BG. In der Vernehmlassung stützt der Regierungsrat die angefochtenen Bestimmungen auf die §§ 27, 37 lit. d und 41 Ziff. 2 MG. Als gesetzliche Grundlage für § 46 VO kommt indes nur § 41 Ziff. 2 MG in Frage, wonach der Regierungsrat ermächtigt ist, eine Verordnung betreffend die Einrichtung, den Betrieb und die Kontrolle der öffentlichen und der Privatapotheken sowie der Drogerien und die Prüfung der Drogisten zu erlassen. Da diese Delegationsnorm selber nicht angefochten wird, ist die beanstandete Bestimmung in § 46 VO als rechtsgültig zu betrachten, wenn sie sich im Rahmen jener Norm und des durch sie verfolgten Zwecks hält. Sofern dies der Fall ist, erweisen sich die Rügen, sie verletze Art. 4 und 31 BV und den Grundsatz der Gewaltentrennung - der in der zürcherischen KV zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, sich aber aus der darin vorgenommenen Verteilung der Gewalten ergibt (BGE 79 I 131Erw. 4)-, als unbegründet. Es fehlt dann weder an einer gesetzlichen Grundlage noch an einem sachlichen, polizeilichen Zweck, noch hat der Regierungsrat ohne Befugnis neues Recht geschaffen. Die Handels- und Gewerbefreiheit ist nur im ![]() | 10 |
Die Bezeichnung "Drugstore" richtet sich, wie nicht bestritten ist, nicht an die einheimische Bevölkerung, sondern an Ausländer englischer Sprache, denen der Ausdruck "Drogerie" nicht geläufig ist. Die Beschwerdeführer können sich daher nicht darauf berufen, dass jene Bezeichnung nicht für sich allein, sondern nur neben der obligatorischen Bezeichnung "Drogerie" verwendet werden soll. Wird eine fremdsprachige Nebenbezeichnung gewählt - was nach § 46 VO nicht verboten ist -, so kommt es nicht darauf an, ob die Hauptbezeichnung "Drogerie" beim einheimischen Publikum die Verwechslung mit Apotheken ausschliesst, sondern darauf, ob die Nebenbezeichnung Fremden, deren Muttersprache sie angehört, zu solcher Verwechslung Anlass geben kann. Wenn dies der Fall ist, hält sich das angefochtene Verbot im Rahmen der Delegationsnorm in § 41 Ziff. 2 MG und des damit verfolgten polizeilichen Zwecks und greift nicht, wie behauptet wird, in verfassungsmässige Rechte ein. Insbesondere ist dann der aus Art. 31 BV abzuleitende Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Massnahme (BGE 80 I 353) nicht verletzt, weil der Verwechslungsgefahr nur durch ein gänzliches Verbot der irreführenden Bezeichnung vorgebeugt werden kann.
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Dem vom Kantonsapotheker beigezogenen Bericht des ![]() ![]() | 12 |
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a) Die Beschwerdeführer beanstanden, dass die Auskunftspflicht, die § 51 Abs. 1 VO den Arzneimittelbetrieben auferlegt, nicht auf sachbezügliche Auskünfte beschränkt ![]() | 14 |
Unbegründet ist auch der Einwand, dass jener Auskunftspflicht keine Schweigepflicht der Kontrollbeamten gegenüberstehe. Die VO selber schreibt eine solche allerdings nicht vor. Das ist aber auch nicht notwendig, weil die Kontrollorgane ohnedies, nach § 11 der zürcherischen Verordnung über die Amtsstellung und Besoldung der Beamten und Angestellten der Verwaltung und der Rechtspflege vom 15. März 1948, zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und sich durch Verletzung dieser Pflicht nach Art. 320 StGB strafbar machen. Freilich sind sie unter Umständen gehalten, den Steuerbehörden Auskünfte zu geben (§ 81 des zürcherischen Steuergesetzes, Art. 90 Abs. 1 WStB, Art. 280 BStP). Diese Beschränkung der Geheimhaltungspflicht gilt indessen nicht nur für sie, sondern auch für viele andere Beamte. Sie hat nicht zur Folge, dass Privaten Geschäftsgeheimnisse oder andere grundsätzlich geheimzuhaltende Tatsachen geoffenbart werden dürften, sondern bezweckt nur, dass die Steuerbehörde ![]() | 15 |
b) Die Beschwerdeführer erblicken eine Verletzung dieses Grundsatzes auch darin, dass das in § 51 Abs. 2 VO den Kontrollorganen eingeräumte Recht, Rechnungen, Geschäftsbücher, Lieferscheine und sonstige Belege einzusehen, sachlich und zeitlich nicht begrenzt sei. Nach ihrer Auffassung sollte es auf Fälle beschränkt sein, wo der erhebliche Verdacht einer Widerhandlung vorliegt-Nun gewährt aber § 51 Abs. 2 VO das Einsichtsrecht nicht schlechthin, sondern nur "nötigenfalls". Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass ein besonderer Anlass, ein gewisser Verdacht einer Übertretung bestehen muss. Der Einwand der Beschwerdeführer, der vollziehende Beamte könnte die Notwendigkeit der Einsichtnahme jederzeit bejahen, ist nicht stichhaltig; denn dasselbe liesse sich sagen, wenn ein "erheblicher" Verdacht Voraussetzung des Einblicksrechts wäre. § 51 Abs. 2 VO verstösst an sich so wenig gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wie die Bestimmung des Abs. 1 über die Auskunftspflicht (lit. a hiervor). Es kommt wiederum darauf an, wie die Vorschrift im einzelnen Fall angewendet wird. Der Regierungsrat erklärt übrigens in der Vernehmlassung, die Direktion des Gesundheitswesens werde durch eine Dienstanweisung dafür sorgen, dass vom Einsichtsrecht schonend, im Sinne des Wortes "nötigenfalls", Gebrauch gemacht werde. Dabei ist er zu behaften. Was die Schweigepflicht anbelangt, wird ebenfalls auf lit. a hiervor verwiesen. In diesem Punkte unterscheidet sich der ![]() | 16 |
c) Art. 8 KV erklärt in Abs. 1 das Hausrecht als unverletzlich und bestimmt in Abs. 2: "Zu Hausdurchsuchungen bedarf es entweder der Einwilligung des Wohnungsinhabers oder der Ermächtigung durch einen zuständigen Beamten, welche den Zweck und die Ausdehnung dieser Massregel genau bezeichnen soll. Ausnahmen von dieser Regel sind gestattet, wenn Gefahr im Verzuge ist." Die Beschwerde vermisst in der angefochtenen Ordnung des Zutrittsrechts der Kontrollorgane (§ 51 Abs. 1 VO) Einschränkungen, wie sie in dieser Verfassungsvorschrift und in §§ 88 ff. der zürcherischen StPO vorgesehen sind.
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Der Regierungsrat hält dafür, dass die im Jahre 1951 erlassenen §§ 27 und 41 Ziff. 2 MG als neuere Spezialbestimmungen dem aus dem Jahre 1869 stammenden Art. 8 KV selbst dann vorgehen, wenn angenommen werde, diese Bestimmung wäre an sich auch auf die Kontrolle der Drogerien anwendbar. Er führt aus, nach zürcherischem Recht stehe das Gesetz den Verfassungsbestimmungen an Geltungskraft gleich, da es in demselben Verfahren wie sie zustandekomme. Dazu ist zunächst zu bemerken, dass das kantonale Medizinalgesetz wohl die Drogerien der behördlichen Kontrolle unterstellt (§ 27), deren nähere Ausgestaltung aber der Regelung auf dem Verordnungswege überlässt (§ 41 Ziff. 2). Der Regierungsrat behauptet indessen mit Recht selber nicht, dass im ![]() | 18 |
§ 51 Abs. 1 VO beschränkt das Zutrittsrecht der Kontrollorgane auf Geschäftsräume; von Wohnräumen ist in der Bestimmung nicht die Rede. Das Hausrecht, das in Art. 8 KV unter Schutz gestellt ist, erstreckt sich indessen grundsätzlich auch auf Geschäftsräume. Wenn aber die beanstandete Regelung des Zutrittsrechts der Kontrollorgane mit Art. 31 BV - insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit des polizeilichen Eingriffs - vereinbar ist, so verstösst sie auch nicht gegen Art. 8 KV. Wer die in den §§ 31 ff. MG den Drogerien zuerkannten Befugnisse ausüben will, bedarf nach § 24 desselben Gesetzes einer Bewilligung der Direktion des Gesundheitswesens. Durch die Erteilung der Bewilligung wird ein besonderes Gewaltverhältnis zwischen dem Inhaber und der Verwaltungsbehörde ![]() ![]() | 19 |
Die Rüge der Verfassungswidrigkeit des § 51 VO hält somit in keiner Beziehung stand.
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4. Nach § 35 f MG kann die Direktion des Gesundheitswesens "vorschriftswidrige, fehlerhaft hergestellte, verdorbene, unrechtmässig angepriesene oder zur unrechtmässigen Abgabe bestimmte Mittel sowie Bestandteile, Packungen, Behälter und Anpreisungsmittel von solchen" einziehen. Hierauf bezieht sich § 55 VO, der nicht Gegenstand der Beschwerde ist. Der angefochtene § 56 VO ![]() | 21 |
Die Gegenüberstellung des Wortlautes der §§ 55 und 56 VO zeigt, dass mit den "andern Einrichtungsgegenständen", von denen die zweite Bestimmung spricht, nicht Arzneimittel oder Gifte gemeint sind, sondern Einrichtungen und Geräte im Sinne des § 16 VO, wo von den Anforderungen die Rede ist, die aus gesundheitspolizeilichen Gründen, auch zum Schutze des Personals (Abs. 3), an die Einrichtung und den Betrieb von Arzneimittelgeschäften gestellt werden. Die Befugnis des Regierungsrates, über "andere Einrichtungsgegenstände" eine Verordnung zu erlassen, kann daher nicht aus § 37 lit. d MG abgeleitet werden; denn diese Bestimmung bezieht sich ausschliesslich auf Heilmittel und Gifte. Als gesetzliche Grundlage kommt von den Bestimmungen des MG einzig § 41 Ziff. 2 in Betracht, wonach der Regierungsrat ermächtigt ist, eine Verordnung betreffend die Einrichtung, den Betrieb und die Kontrolle der Apotheken und der Drogerien aufzustellen. Diese Vorschrift steht aber im Gegensatz zu § 37 im IV. Titel des Gesetzes, der die Bezeichnung "Vollziehung" trägt. Sie gibt dem Regierungsrat nicht die Kompetenz, in Ergänzung des Gesetzes, das die Einziehung auf bestimmte Mittel und Gegenstände beschränkt (§ 35 f MG), die Beschlagnahme und Verwertung anderer Gegenstände vorzusehen. Der Regierungsrat leitet die Befugnis hiezu nicht etwa aus Art. 21 KV her (vgl.BGE 79 I 132), noch beruft er sich auf den Grundsatz, dass die Abwehr ernsthafter Gefahren, die der öffentlichen Ordnung und Wohlfahrt unmittelbar drohen, eine elementare ![]() | 22 |
Auf jeden Fall aber sind die Sätze 1 und 2 dieser Verordnungsbestimmung aus einem andern Grunde zu beanstanden, so dass jene Frage offen bleiben kann. Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit des polizeilichen Eingriffs darf die Verwaltungsbehörde kein stärkeres Zwangsmittel zur Anwendung bringen, als zur Erreichung des beabsichtigten Erfolges erforderlich ist. Die polizeiliche Zwangsvollstreckung darf erst stattfinden, nachdem der Versuch, den polizeiwidrigen Zustand durch weniger einschneidende Massnahmen zu beseitigen, erfolglos geblieben ist (OTTO MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd., 3. Aufl., S. 287; FLEINER, a.a.O., S. 217). § 56 VO schreibt zwar die Beschlagnahme und Verwertung nicht zwingend vor, sondern überlässt sie dem Ermessen der Verwaltungsbehörde ("können"). Anderseits verpflichtet er diese aber auch nicht, zunächst zu versuchen, mit weniger weitgehenden Mitteln zum Ziele zu kommen, sei es mit einem Verwaltungsbefehl oder durch Bestrafung mit Busse (vgl. § 42 MG und § 57 VO) oder durch Androhung der Beschlagnahme. Ausserdem fehlen für den Fall der Meinungsverschiedenheit darüber, ob die Einrichtungsgegenstände, die mit Beschlag belegt werden sollen, gefährlich, zweckuntauglich oder unrein seien, Rechtsschutzbestimmungen zugunsten des Betriebsinhabers, wie sie z.B. das eidg. Lebensmittelgesetz in Art. 16-24 enthält. Es mag vorkommen, dass nur durch sofortige Beschlagnahme und ![]() | 23 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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