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5. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. Mai 1956 i.S. Scheller gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. | |
Regeste |
Wahl der Vornamen. |
Darf ein Vorname zurückgewiesen werden, weil er in einem andern Landesteil auf das entgegengesetzte Geschlecht bezogen wird? ("Andrea" als Mädchenname in der deutschen Schweiz). | |
Sachverhalt | |
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Gemäss Art. 275 Abs. 3 ZGB, der altem Herkommen entspricht, geben die Eltern dem Kinde den Personennamen. Art. 69 Abs. 2 der Verordnung über das Zivilstandswesen vom 1. Juni 1953 (ZStV) erlaubt den Registerbehörden, Vornamen zurückzuweisen, "die die Interessen des Kindes oder Dritter offensichtlich verletzen, insbesondere anstössige oder widersinnige sowie Vornamen, die allein oder zusammen mit andern das Geschlecht des Kindes nicht eindeutig erkennen lassen". Von dieser Beschränkung abgesehen, sind die Eltern in der Namensgebung frei und dürfen sich die Behörden ihren Wünschen nicht widersetzen, auch wenn ihnen die von den Eltern gewählten Namen missfallen (BGE 69 I 62f.). Es handelt sich hier, wie das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement ![]() | 2 |
Bei Prüfung eines Vornamens unter dem Gesichtspunkte von Art. 69 Abs. 2 ZStV ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht dessen "sprachwissenschaftliche Bedeutung" entscheidend, sondern es kommt darauf an, wie er im Volke aufgefasst wird. Ob ein Vorname die nach dieser Bestimmung beachtlichen Interessen verletze, zeigt sich im Verkehr mit den Mitmenschen, den das Alltagsleben mit sich bringt, und nicht bei einer Untersuchung seiner Bedeutung nach den Methoden der Sprachwissenschaft, die ja die Sprache und ihre Regeln nicht schafft, sondern als zulässig und richtig anerkennen muss, was sich im Sprachgebrauch durchgesetzt hat.
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Es trifft nun ohne Zweifel zu, dass der Name "Andrea" im italienischen und rätoromanischen Sprachgebiet als männlicher Vorname gilt (wie deutsch "Andreas"). Das ist jedoch im vorliegenden Falle nicht entscheidend, weil man es hier nicht mit einem Kinde aus einer im italienischen oder romanischen Sprachgebiet beheimateten oder wohnhaften Familie zu tun hat, sondern mit einem Kinde deutschschweizerischer Herkunft, das mit seinen Eltern in der deutschen Schweiz wohnt. In einem solchen Falle ist auf den Sprachgebrauch in diesem Landesteil abzustellen. Die Rücksicht auf das Bestehen mehrerer Nationalsprachen kann nicht so weit getrieben werden, dass im einen Landesteil ein Name schon deshalb verboten wird, weil er in einem andern auf das entgegengesetzte Geschlecht bezogen wird.
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Im deutschen Sprachgebiet wird der Vorname "Andrea" gemeinhin als weiblich empfunden. Er bildet hier das weibliche Gegenstück zum männlichen Vornamen "Andreas", ähnlich wie im Französischen "Andrée" das Gegenstück zu "André" bildet. Dies gilt vorab für Deutschland ![]() | 5 |
Es lässt sich aber auch nicht im Ernste behaupten, dass der Vorname "Andrea" die Interessen der Tochter des Beschwerdeführers oder die Interessen Dritter in anderer Weise verletze, insbesondere dass er anstössig oder widersinnig sei. Die Ansicht des Regierungsrates, dass "Andrea" im Grunde genommen der männliche Vorname schlechthin sei und, auf ein Mädchen bezogen, nur mit "Mannweib" übersetzt werden könnte, ist gänzlich verfehlt. Der volkstümliche Sprachgebrauch, auf den es hier ankommt, kümmert sich nicht um die sprachliche Abstammung eines ![]() | 6 |
Der angefochtene Entscheid verstösst also offensichtlich gegen Art. 275 Abs. 3 ZGB und Art. 69 Abs. 2 ZStV.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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