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9. Urteil vom 22. Februar 1956 i.S. Räber und Fries-Räber gegen Einwohnergemeinde Luzern. | |
Regeste |
Verjährung des Rückforderungsrechtes gemäss Art. 102 EntG. | |
Sachverhalt | |
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Durch eine Vereinbarung vom 5. November 1928/7. Januar 1929 zwischen Bund und Einwohnergemeinde Luzern wurde das im Jahre 1910 enteignete Land auf den 1. Januar 1929 "aus dem Waffenplatzvertragsverhältnis ausgeschieden". In der Folge erstellte die Einwohnergemeinde Luzern darauf, u.a. auf einem Teil der Hummelrüti, Sportplatzanlagen, die sie dem Sportklub Luzern vermietete; der Beschluss wurde in einer Gemeindeabstimmung vom 8. Mai 1932 gefasst, und die Anlagen wurden im Jahre 1934 erstellt. Der Rest der Hummelrüti wurde weiterhin landwirtschaftlich genutzt. Im Jahre 1952 plante die Einwohnergemeinde Luzern, darauf Schulhäuser zu erstellen. Die Erben des früheren Eigentümers H. Räber erhoben hiegegen öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Einsprache, indem sie ein Rückforderungsrecht nach Art. 102 EntG geltend machten. Die öffentlich- rechtliche Einsprache wurde vom Stadtrat Luzern am 3. November 1952 abgewiesen; die privatrechtliche zogen die Einsprecher am 24. Dezember 1952 zurück mit der Erklärung, dass sie am Rückforderungsanspruch grundsätzlich festhielten und im Fall seiner Gutheissung anstelle der Rückübertragung des Bodens eine entsprechende Entschädigung verlangten. Drei von den fünf Kindern des H. Räber traten ihre Ansprüche an ihren Bruder Bernhard Räber ab.
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1) Die Liegenschaft Hummelrüti in einem Ausmasse von noch ca. 40 000 m2 sei zu 4/5 in das Eigentum von Bernhard Räber und zu 1/5 in dasjenige von Marie Fries-Räber zu übertragen und das Grundbuchamt Luzern anzuweisen, die notwendigen Eintragungen vorzunehmen.
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2) Eventuell sei die Einwohnergemeinde Luzern zu verurteilen, an B. Räber Fr. 1'024,000.-- und an M. Fries-Räber Fr. 256'000 nebst 5% Zins seit 13. November 1952 zu bezahlen.
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Die Kläger machten geltend, die Enteignung sei hauptsächlich erfolgt, um auf dem enteigneten Boden Kasernen und Stallungen zu erstellen, und nur zum Teil, um den Truppenübungsraum auszudehnen. Die Hummelrüti sei nicht für den vorgesehenen Zweck verwendet, sondern Bedürfnissen der Einwohnergemeinde Luzern dienstbar gemacht worden. Für Truppenübungen sei sie höchstens in einem Masse beansprucht worden, das sich auch jeder dritte Grundeigentümer gestützt auf Art. 33 MO gefallen lassen müsste. Damit sei das Rückforderungsrecht nach Art. 47 ExprG und Art. 102 EntG entstanden. Das ExprG habe keine Verjährung desselben gekannt; die Verjährung des EntG, insbesondere die 25jährige Frist von Art. 102 lit. b, habe erst mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Januar 1932 zu laufen begonnen.
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Die Einwohnergemeinde Luzern beantragte Nichteintreten auf das Begehren 1 und im übrigen Abweisung der Klage in vollem Umfang. Sie bestritt insbesondere die Entstehung eines Rückforderungsrechtes, da die Hummelrüti in erster Linie für die Erweiterung des Truppenübungsplatzes enteignet und bis 1928 auch intensiv hiefür benützt worden sei. Eventuell wäre ein Rückforderungsrecht längst verjährt, da die Kläger es weder nach der Entlassung der Hummelrüti aus dem Waffenplatzvertrag noch bei deren Verwendung für Sportplatzanlagen oder nach dem Inkrafttreten des EntG geltend gemacht hätten.
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Die Einwohnergemeinde Luzern beantragt die Abweisung der Beschwerde sowie der darin gestellten Anträge auf Aktenergänzung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Es rechtfertigt sich, zuerst die Frage der Verjährung zu prüfen; denn wenn diese eingetreten ist, erübrigt sich die materielle Beurteilung samt den dafür beantragten Weiterungen.
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Über die Verjährung des Rückforderungsrechtes enthielt das alte Gesetz keine Bestimmung; unter ihm galt jenes somit als unverjährbar, da nach damaliger Auffassung die Verjährung nur auf Grund einer ausdrücklichen Vorschrift eintreten konnte. Diese Auffassung kommt noch in der Botschaft des Bundesrates vom 21. Juni 1926 zum EntG zum Ausdruck, welche davon ausgeht, dass die Rückforderung als öffentlichrechtliche Klage den allgemeinen Verjährungsbestimmungen nicht unterstehe, weshalb das EntG eine solche aufstellen müsse (BBl 1926 II S. 104). Sie wird auch geteilt von HESS, Kommentar zum EntG, N. 1 zu Art. 105: "Im Unterschied zum bisherigen Recht, das keine Verjährung des Rückforderungsrechtes kannte,. .." Die Verjährung wurde durch Art. 105 EntG neu eingeführt. Sie ist aber nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen und nach Art. 122 Abs. 3 EntG auch anwendbar auf die schon vor dessen Inkrafttreten erledigten Enteignungen. Das muss selbst dann gelten, wenn das Rückforderungsrecht schon auf Grund des alten Rechtes entstanden war, obwohl es danach keiner Verjährung ![]() | 15 |
4. Unter diesem Vorbehalt begann die Verjährungsfrist für ein allfälliges Rückforderungsrecht in dem Zeitpunkt zu laufen, der in Art. 105 EntG, je nach der Art der Entstehung dieses Rechtes, festgesetzt ist. Für die Fälle von Art. 102 lit. a und b ist das der Zeitpunkt des Ablaufes der dort genannten Fristen von fünf Jahren ohne Verwendung des enteigneten Rechtes für das geplante Werk bzw. von 25 Jahren für die Erweiterung des bereits bestehenden. Diese Fristen selbst sind keine Verjährungsfristen; ihr unbenützter Ablauf ist vielmehr eine Voraussetzung für die Entstehung des Rückforderungsrechtes. Daher bestimmen sie sich gemäss Art. 122 Abs. 3 EntG nach dem neuen Rechte, auch mit Bezug auf schon früher erledigte Enteignungen; auch für solche beträgt nunmehr die Frist fünf bzw. 25 Jahre, nicht mehr bloss zwei wie nach Art. 47 ExprG. Sie beginnt aber nach wie vor mit dem Erwerb des enteigneten Rechtes durch den Enteigner ![]() | 16 |
Im seinerzeitigen Enteignungsverfahren betreffend die Hummelrüti wurde gemäss Feststellung im Urteilsantrag der Instruktionskommission des Bundesgerichtes vom 16. August 1910, der am 4. November 1910 als in Rechtskraft erwachsen erklärt wurde, der Übergang der Rechte an die Einwohnergemeinde Luzern auf den 1. April 1910 festgesetzt. Von diesem Tage an sind die Fristen von fünf bzw. 25 Jahren gemäss Art. 102 lit. a bzw. b EntG zu berechnen. Sofern seine Voraussetzungen erfüllt sind, entstand also das Rückforderungsrecht nach Art. 102 lit. a am 1. April 1915, dasjenige nach lit. b am 1. April 1935. Gleichzeitig begann nach Art. 105 Abs. 1 die einjährige Verjährungsfrist zu laufen. Weil dies aber, wie ausgeführt, erst vom Inkrafttreten des EntG an möglich war, begann sie für das Rückforderungsrecht aus Art. 102 lit. a erst am 1. Januar 1932 und lief am 31. Dezember 1932 ab. Für den Fall von lit. b spielt jener Vorbehalt keine Rolle; hier begann die Verjährung am 1. April 1935 und lief am 1. April 1936 ab. In beiden Fällen war das Rückforderungsrecht - seine Entstehung vorausgesetzt - längst verjährt, als es mit der Klage vom 14. Oktober 1953 geltend gemacht wurde.
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5. Anders ist die Verjährung geordnet für das Rückforderungsrecht ![]() | 18 |
Die Einwohnergemeinde Luzern hat die Hummelrüti zwar nicht veräussert, wohl aber für Zwecke verwendet, für welche die Enteignung nicht bewilligt worden war. Die Änderung des Verwendungszweckes trat ein, als auf den 1. Januar 1929 die seinerzeit enteigneten Liegenschaften aus dem Waffenplatzvertrag entlassen wurden. Wenn auch damals über die Art und Weise ihrer neuen Verwendung noch nicht entschieden wurde, so stand doch fest, dass sie nicht mehr für den Zweck verwendet wurden, für den sie enteignet worden waren. Damit entstand - falls auch die weitere Voraussetzung von Art. 102 lit. c EntG erfüllt war, d.h. die enteigneten Liegenschaften nicht zu einem öffentlichen Zwecke verwendet worden waren - das Rückforderungsrecht; massgebend hiefür ist nicht erst die tatsächliche Verwendung, sondern schon die Änderung der Zweckbestimmung, wie sich aus den Worten "verwendet werden soll" eindeutig ergibt.
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Da die Einwohnergemeinde Luzern keine Anzeige nach Art. 104 EntG machte, kann der Beginn der einjährigen Verjährungsfrist nicht durch Anzeige, sondern nur dadurch ausgelöst worden sein, dass die andere Verwendung der Hummelrüti den Klägern sonst bekannt wurde. Sie bestreiten, von der Entlassung der enteigneten Liegenschaften ![]() ![]() | 20 |
6. Abgesehen davon wäre die Klage wegen absoluter Verjährung gemäss Art. 105 Abs. 2 i.f. EntG verspätet. Diese Vorschrift hat, ähnlich wie andere Verjährungsbestimmungen (z.B. Art. 60 und 67 OR und Art. 137 ZGB), neben der einjährigen Verjährungsfrist seit der Kenntnis des Anspruches seitens des Berechtigten noch eine fünfjährige absolute Verjährungsfrist aufgestellt, die von jener Kenntnis unabhängig ist und mit "der Veräusserung oder anderweitigen Verwendung" zu laufen beginnt. Ihr Sinn und Zweck wird deutlich umschrieben in der Botschaft des Bundesrates zum EntG (S. 105): "Da ihm (sc. dem Berechtigten) eine Erkundigungspflicht nicht obliegt, so kann die Verjährung erst mit der tatsächlichen Kenntnis beginnen. Daneben erweist sich aber auch noch eine weitere Abgrenzung als notwendig, um nach Ablauf einer bestimmten Zeit eine Infragestellung von konsolidierten Verhältnissen auszuschliessen, wie dies für eine ähnliche Sachlage auch in den Art. 60 und 67 OR angeordnet worden ist. Daher lässt der Entwurf diese Ansprüche auf alle Fälle, ohne Rücksicht darauf, ob der Berechtigte Kenntnis von ihr hatte oder nicht, mit dem Ablauf von fünf Jahren seit der Handlung, die das Rückforderungsrecht begründet hatte, verjähren." Die Ausführungen in einem Gutachten von Prof. Liver, wonach die Verjährung für den Berechtigten erst beginnen könne, wenn er einen genügenden Anhaltspunkt für die Entstehung des Rückforderungsrechtes habe, können sich nur auf die einjährige Frist beziehen, nicht aber auf die absolute Verjährung, welche keine Kenntnis des Anspruches voraussetzt. Die absolute Verjährungsfrist beginnt ihrer Natur nach mit der Entstehung des Anspruches zu laufen, mit "der Handlung, ![]() ![]() | 21 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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