BGE 82 I 138 | |||
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19. Urteil vom 29. März 1956 i.S. Flexo SA gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement. | |
Regeste |
Art. 4 Abs. 1 lit. a UB: Der Besitz der notwendigen Kenntnisse genügt nicht; der Gesuchsteller muss ausserdem in der in Frage stehenden Branche eine ausreichende technische und kaufmännische Tätigkeit ausgeübt haben. |
Art.4 Abs. 2UB: Fehlen besonderer Umstände; überwiegende Interessen der gesamten Uhrenindustrie. | |
Sachverhalt | |
A.- Der Direktor und Hauptaktionär der Beschwerdeführerin, Emil Wolfsberger, geb. 1912, hat den Sattlerberuf erlernt. Er arbeitete in der Sattlerei seines Vaters, der im Jahre 1936 lederne Uhrenarmbänder herzustellen begann. Im Jahre 1942 übernahm der Sohn das Unternehmen, und im Jahre 1946 wandelte er es in eine Aktiengesellschaft um. Er verlegte sich hauptsächlich auf die Herstellung von Uhrenarmbändern aus Leder und plastischen Kunststoffen.
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Am 28. April 1954 stellte die Beschwerdeführerin das Gesuch um Bewilligung der Fabrikation von Uhrengläsern. Sie machte geltend, sie müsse sich umstellen, da heute die meisten Uhren ohne Armband exportiert würden. Da sie in der Verarbeitung plastischer Kunststoffe erfahren sei, habe sie im Laufe der letzten zwei Jahre Versuche zur Fabrikation von Uhrengläsern nach den neuesten Spritzgussverfahren durchgeführt und nun mit Erfolg abgeschlossen. Die nach ihrem Verfahren hergestellten Erzeugnisse seien den gepressten Gläsern qualitativ überlegen und kämen auch billiger zu stehen als diese. Der notwendige Maschinenpark sei vorhanden, so dass die Fabrikation sofort aufgenommen werden könne. Das Gesuch werde von den Uhrenfabriken der Gegend um Langenbruck lebhaft unterstützt.
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In der Folge brachte die Gesuchstellerin noch vor, sie habe gewisse Uhrenglasfabrikanten über ihre Versuche auf dem laufenden gehalten in der Annahme, ihnen dann ohne Bewilligung liefern zu können. Zwei Firmen hätten sich die von ihr gesammelten Erfahrungen zunutze gemacht und selber nach dem neuen Verfahren zu produzieren begonnen. Es sei recht und billig, dass die Gesuchstellerin ihrerseits aus ihren kostspieligen Bemühungen Nutzen ziehen könne. Es sei ihr nun gelungen, auch farbige Gläser anzufertigen und die Formen (Matrizen und Stempel), die für die Fabrikation der Gläser im Spritzgussverfahren benötigt werden, auf dem Wege der Elektrolyse viel einfacher und billiger herzustellen, als dies bisher möglich gewesen sei.
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Das eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD) liess den Fall durch die Herren Samuel Guye, Direktor der Uhrmacherschule des Technikums in La Chaux-de-Fonds, und Hans Gschwend von der Ebauches SA begutachten. Mit Entscheid vom 11. Oktober 1955 wies es das Gesuch ab.
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B.- Die Flexo SA erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, diesen Entscheid aufzuheben und die nachgesuchte Bewilligung zu erteilen. Sie führt aus, die in Art. 4 Abs. 1 lit. b UB umschriebenen Voraussetzungen der Bewilligung seien gegeben. Die von ihr entwickelten Verfahren zur Herstellung von Uhrengläsern seien neu, und aus der Auswertung der Neuerungen ergebe sich für die Uhrenindustrie ein wesentlicher Fortschritt. Das EVD berufe sich für seinen abweichenden Standpunkt zu Unrecht auf den Bericht der Experten. Das Gesuch werde vom Verband schweizerischer Roskopfuhren-Industrieller nachdrücklich befürwortet. Auch die in Art. 4 Abs. 1 lit. a UB gestellten Anforderungen seien erfüllt. Die Experten hätten ausdrücklich festgestellt, dass die Flexo SA auf Grund ihrer Erfahrungen in der Herstellung von Kunststoffartikeln besser als manche Uhrengläserfabrikanten imstande sei, Gläser im Spritzgussverfahren zu fabrizieren. Eventuell müsste die verlangte Bewilligung gestützt auf Art. 4 Abs. 2 lit. a UB erteilt werden.
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C.- Das EVD schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Der Direktor und Hauptaktionär der Beschwerdeführerin besässe offenbar die Kenntnisse, die für die Leitung des zu eröffnenden Betriebes erforderlich sind. Art. 4 Abs. 1 lit. a UB verlangt aber vom Gesuchsteller ausserdem den Nachweis, dass er in der in Frage stehenden Branche eine ausreichende technische und kaufmännische Tätigkeit ausgeübt hat. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Der Leiter der Flexo SA war nie in einem Unternehmen der in Betracht fallenden oder auch nur einer anderen Branche der Uhrenindustrie beschäftigt. Art. 4 Abs. 1 lit. a UB ist daher nicht anwendbar.
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Schon seit langem werden Artikel aus Plexiglas im Spritzgussverfahren hergestellt. Wie die Experten ausführen, konnte dieses Verfahren freilich bei der Fabrikation von Uhrengläsern aus solchem Material solange nicht angewandt werden, als der aus dem Ausland eingeführte Rohstoff für diesen Zweck nicht rein genug war. Diese Unzukömmlichkeit besteht jedoch schon seit einiger Zeit nicht mehr. Nach dem Bericht der Experten können nun Uhrengläser aus plastischem Kunststoff, jedenfalls für nicht wasserdichte Uhren, ohne besondere Schwierigkeit im Spritzgussverfahren angefertigt werden. Die Experten haben am 17. August 1954 festgestellt, dass dieses Verfahren in der Uhrenbranche nicht mehr im Versuchsstadium sei; "il est appliqué avec succès depuis environ trois ans au moins, suivant les cas, par six fabriques conventionnelles". Im Frühling 1954, als die Beschwerdeführerin ihr Gesuch einreichte, war also das Spritzgussverfahren bei der Herstellung von Uhrengläsern bereits seit längerer Zeit eingeführt. Wie sich aus dem Expertenbericht einerseits und dem Gesuch vom 28. April 1954 anderseits ergibt, sind die Versuche zur Anpassung des Verfahrens an die besonderen Bedürfnisse der Uhrenindustrie ungefähr gleichzeitig von der Beschwerdeführerin und anderen Unternehmungen begonnen und durchgeführt worden. Es ist möglich, dass der eine oder andere der in Frage stehenden Uhrenglasfabrikanten sich die Entwicklungsarbeiten der Beschwerdeführerin mehr oder weniger zunutze gemacht hat. Die Beschwerdeführerin nennt indessen nur zwei Firmen, die so vorgegangen sein sollen. In mehreren, wenn nicht in den meisten Fällen hat es sich anders verhalten; ist doch im Expertenbericht von sechs konventionellen Firmen die Rede. Jene Anpassung erforderte auch keine eigentliche schöpferische Leistung. Sie lag nahe, nachdem es einmal gelungen war, Plexiglas in der für die Zwecke der Uhrenindustrie erforderlichen Qualität herzustellen. Es konnte nicht ausbleiben, dass sie verschiedenen Firmen, die sich alle für die normale Entwicklung der Fabrikation des Uhrenglases interessierten und entsprechend ausgerüstet waren, ungefähr gleichzeitig gelang. Unter diesen Umständen kann nicht von einer Neuheit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. b UB gesprochen werden.
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Nach dem Bericht der Experten ist die Anfertigung von Spritzgussformen durch Elektrolyse offenbar auch nichts Neues. Auf jeden Fall würde sich aus der Auswertung dieses Verfahrens für die Uhrenindustrie kein wesentlicher Fortschritt ergeben. Weder würde die Qualität der Produkte verbessert noch würden die Gestehungskosten gesenkt. Die Beschwerde bringt gegen die dahingehenden Feststellungen der Experten nichts Triftiges vor.
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Die Beschwerdeführerin hat daher auch keinen Anspruch auf eine Betriebsbewilligung nach Art. 4 Abs. 1 lit. b UB.
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Die Tatsache, dass das Spritzgussverfahren eine Herabsetzung der Preise der Uhrengläser ermöglicht, kann nicht als solcher Umstand anerkannt werden. Dieses Verfahren ist in der Branche der Uhrenglasfabrikation schon seit längerer Zeit eingeführt, und der Tarif für Uhrengläser ist denn auch, was nicht bestritten ist, bereits wiederholt gesenkt worden. Anderseits stellt die Association des fabricants de verres de montres fantaisie et incassables de toutes formes fest, dass diese Branche seit mehreren Jahren mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, weil ihr Produktionsapparat schon viel zu gross ist. Die Gutheissung des Gesuches würde zu einer weiteren Aufblähung dieses Apparates führen. Sie wäre mit der Gefahr verbunden, dass schliesslich ein Preiszerfall mit allen seinen nachteiligen Folgen einträte. Der Erteilung der nachgesuchten Bewilligung stehen überwiegende Interessen der gesamten Uhrenindustrie entgegen (Art. 4 Abs. 2 UB, Ingress).
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Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin sich bemüht hat, ein für die Uhrenindustrie nützliches Fabrikationsverfahren zu vervollkommnen, kann unter dem Gesichtspunkte von Art. 4 Abs. 2 UB so wenig berücksichtigt werden wie unter dem des Abs. 1. Die Beschwerdeführerin ist bei ihren Versuchen offenbar von der - unzutreffenden - Voraussetzung ausgegangen, dass sie die Uhrenglasfabrikanten ohne Bewilligung werde beliefern können. Sie hätte sich indessen darüber Rechenschaft geben sollen, dass mindestens einige dieser Fabrikanten in der Lage waren, zu gleicher Zeit und unabhängig von ihr die gleichen Versuche vorzunehmen und mit Erfolg zum Abschluss zu bringen.
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Auch die schwierige Lage, in der sich die Beschwerdeführerin infolge Rückgangs des Absatzes der Uhrenarmbänder befindet, ist kein Grund zur Erteilung der Bewilligung nach Art. 4 Abs. 2 UB. Die Flexo SA ist nicht eine Unternehmung der Uhrenindustrie und hat daher keinen Anspruch darauf, eine Bewilligung zu erhalten, durch welche die Interessen einer den Schutz des Uhrenstatuts geniessenden Branche dieser Industrie wesentlich beeinträchtigt würden. Übrigens ist nicht dargetan, dass die Beschwerdeführerin ausserstande ist, sich zu erholen, wenn ihr nicht gestattet wird, einen Betrieb der Uhrenindustrie zu eröffnen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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