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29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. September 1956 i.S. Vereinigte Carborundum- und Elektritwerke, Nationalunternehmen, gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum. | |
Regeste |
Zwischenstaatliche Zuständigkeit zur Enteignung. | |
Sachverhalt | |
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Unter Berufung auf eine Erklärung des Volksgerichtshofes in Zivilsachen in Prag vom 9. November 1954, wonach die Unternehmung dieser Gesellschaft nationalisiert und ihre "Eigentumsmasse" in das Nationalunternehmen Vereinigte Carborundum- und Elektritwerke in Nové Benátky eingegliedert worden sei, ersuchte die letzterwähnte Firma (Nationalunternehmen) das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum am 15. Dezember 1954, die Marke zu erneuern und auf ihren Namen zu übertragen. Das Amt antwortete ihr am 25. Januar 1955, die Nationalisierung eines privaten Betriebes könne als öffentlichrechtliche ![]() | 2 |
B.- Die Gesuchstellerin führt gegen diesen Entscheid gemäss Art. 97 ff. OG Beschwerde mit den Anträgen, er sei aufzuheben und das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum anzuweisen, dem Gesuch um Erneuerung und Übertragung der Marke zu entsprechen.
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Das Amt beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach schweizerischer Auffassung, die für den schweizerischen Richter massgebend ist (BGE 79 II 95), enthalten diese Erlasse öffentliches Recht, da sie den Übergang des Vermögens auf den Staat bzw. die Beschwerdeführerin kraft staatlicher Hoheit verfügen. Solches Recht aber gilt nach einem allgemein anerkannten Satze des Völkerrechts grundsätzlich nur in jenem Staate, der es erlässt (Territorialitätsprinzip). Daher kann ausländisches öffentliches Recht in der Schweiz nicht angewendet oder ![]() | 6 |
Die Enteignung des Vermögens der Aktiengesellschaft Vereinigte Carborundum- und Elektritwerke bildet keinen solchen Ausnahmefall. Es besteht keine schweizerische Norm, insbesondere keine staatsvertragliche Bestimmung, welche die Schweiz verpflichten würde, die tschechoslovakischen Enteignungserlasse auf Vermögen anzuwenden, das in der Schweiz liegt, und es kann auch keine Rede davon sein, dass diese Erlasse dem Schutze des Privatrechts oder privater Rechtsverhältnisse dienten. Die Enteignung von Vermögen, das ausserhalb des Gebietes des enteignenden Staates liegt, gilt denn auch in der Lehre als unzulässig (NEUMEYER, Internationales Verwaltungsrecht 4 101, 256, 436; SCHINDLER, in Schweiz. Jahrb. f. internat. Recht 3, 1946, 65 ff.; BINDSCHEDLER, Verstaatlichungsmassnahmen und Entschädigungspflicht nach Völkerrecht, 1950, 86; SCHAUMANN, in Schweiz. Jahrb. f. internat. Recht 10, 1953, 168 f.; RAAPE, Internationales Privatrecht, 4. Aufl., 1955, 614 ff.). Ob sie im vorliegenden Falle gegen Entschädigung erfolgte oder nicht, ist unerheblich. Zwar wird in neuerer Zeit vereinzelt gelehrt, der Staat sei berechtigt, auch ausserhalb seines Gebietes liegendes Vermögen gegen angemessene Entschädigung zu enteignen, wenn dieser Eingriff nicht gegen die "public policy", d.h. gegen das Interesse des Staates, in dessen Gebiet das Vermögen liegt, verstosse (WOLFF, Private international law, 1945, S. 536 ff.; DICEY, Conflict of laws, 6. Aufl., 1949, S. 155/7; vgl. dazu SEIDL-HOHENVELDERN, Internationales Konfiskations- und Enteignungsrecht,1952, ![]() | 7 |
Übrigens ist nicht daran zu zweifeln, dass hier nicht eine Enteignung gegen angemessene Entschädigung, sondern eine entschädigungslose Aneignung (Konfiskation) vorliegt. Zwar sieht das Dekret Nr. 100 vom 24. Oktober 1945 in §§ 7 ff. vor, dass die Enteignung in gewissen Fällen - nicht in allen - gegen Entschädigung erfolge. Aber die Verfügung des Industrieministers vom 7. März 1946 enthält kein Wort über eine Entschädigung der Enteigneten. Auch beschränkt die Beschwerdeführerin sich darauf, auf die Dekretsbestimmungen hinzuweisen. Über Einzelheiten, welche die Entschädigungen des vorliegenden Falles beträfen, insbesondere über die Namen der entschädigten Aktionäre, Höhe, Art und Zeitpunkt der Entschädigungen, schweigt sie sich aus, obschon das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum schon im Schreiben vom 25. Januar 1955 der Entschädigungsfrage Bedeutung beigelegt und den Entscheid vom 7. Mai 1955 damit begründet hat, dass über eine allfällige Entschädigung der früheren privaten Geschäftsinhaber keine näheren Angaben gemacht worden seien.
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Unter diesen Gesichtspunkten "liegt" somit die schweizerische Marke Nr. 85'313 in der Schweiz. Ohne Mitwirkung der schweizerischen Behörden ist ihre Erneuerung und Übertragung auch gar nicht möglich (Art. 8, 16 MSchG). Anders entscheiden, hiesse den Grundsatz missachten, dass kein Staat gehalten ist, öffentlichrechtliche Erlasse eines anderen Staates anzuwenden oder zu vollziehen, wenn er sich nicht hiezu verpflichtet hat. Es liefe in der Tat auf die Anwendung und Vollstreckung der tschechoslovakischen Enteignungsbestimmungen und -verfügungen durch schweizerische Behörden hinaus, wenn angenommen ![]() | 11 |
b) Die Natur des Rechtes an der Marke führt zu keinem anderen Schlusse.
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Dass dieses Recht, wie z.B. das Eigentum, ein absolutes, gegenüber jedermann durchsetzbares ist, bedeutet nicht, es liege am Wohnsitze des Berechtigten, wie gewisse Autoren annehmen, auf welche die Beschwerdeführerin sich beruft (so TROLLER, Das internationale Privat- und Zivilprozessrecht im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht 52 Anm. 5; TROLLER, Internationale Zwangsverwertung und Expropriation von Immaterialgütern 43 ff.; TRÜEB, Das Belegensein des Markenrechtes, in Schweiz. Mitteilungen über gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht 1953 134 ff.). Das Recht an einer Marke lässt sich, was die Zuständigkeit zur Enteignung betrifft, nicht dem Eigentum gleichsetzen, da es nicht wie dieses eine körperliche Sache zum Gegenstande hat. Aus dem Vergleiche mit dem Eigentum kann aber auch schon deshalb nichts für obige Lehrmeinung abgeleitet werden, weil auch eine körperliche Sache sich nicht notwendigerweise am Wohnsitze des Eigentümers befindet.
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Unerheblich ist, dass die Marke dem Berechtigten einen Nutzen abwirft, den er vorwiegend - nicht notwendigerweise immer - am Sitze seines Unternehmens zieht. Dieser Nutzen ist nicht Gegenstand, sondern nur Folge des Schutzes der Marke. Er wird ermöglicht, weil der Inhaber im Staate der Hinterlegung zum Gebrauch der Marke berechtigt ist und gegen den, der sein Recht verletzt, Klage einreichen kann. Gegenstand der Übertragung oder Enteignung ist das Recht auf Gebrauch und Schutz, nicht der zusätzliche Ertrag ("Umsatznutzen"; vgl. TROLLER, Gewerblicher Rechtsschutz 21; TRÜEB a.a.O.), den der Berechtigte dank des Markenschutzes durch Herstellung oder Verkauf der Ware erzielt.
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Es ist denn auch herrschende Lehre und Rechtsprechung, ![]() | 15 |
Diese Auffassung lässt sich nicht mit der Begründung widerlegen, der Schutz der Marke im Auslande sei vom Schutze im Ursprungslande abhängig. Die Abhängigkeit erschöpft sich darin, dass die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums, revidiert in London am 2. Juni 1934, keinen Verbandsstaat verpflichtet, die Hinterlegung von Marken zuzulassen, die nicht im Ursprungslande eingetragen sind (Art. 6 lit. A). Ist die Marke im Ursprungslande und nachher in einem oder mehreren anderen Verbandsländern hinterlegt worden, so gilt, wie Art. 6 lit. D ausdrücklich bestimmt, jede dieser nationalen Marken, sofern sie der innern Gesetzgebung des Einfuhrlandes entspricht, vom Tage ihrer Eintragung an als unabhängig von der Marke im Ursprungsland (vgl. auchBGE 39 II 650f.).
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Auch die Bindung an den Gewerbebetrieb des Berechtigten hindert nicht, dass das Recht an der Marke in jedem Lande seinen eigenen Weg gehe. Diese Bindung bedeutet nur, dass eine Marke lediglich mit dem Geschäfte übertragen werden kann, dessen Erzeugnisse sie zur Unterscheidung dient (Art. 11 Abs. 1 MSchG), nicht auch, dass die Übertragung (Enteignung) des Geschäftes notwendigerweise den Übergang des Rechts an der Marke zur Folge habe oder dass jedenfalls die Befugnis zur Enteignung des Geschäftes das Recht zur Enteignung der Marke in sich ![]() | 17 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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