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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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1. Auszug aus dem Urteil vom 6. März 1957 i.S. Erben Hirschi gegen Meliorationsgenossenschaft Schwerzenbach-Volketswil und Regierungsrat des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 4 BV: Voraussetzungen der Nichtigkeit von Verwaltungsakten. | |
Sachverhalt | |
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A.- Die Erben Hirschi gehören zu den am Meliorationsunternehmen in den Gemeinden Schwerzenbach und Volketswil beteiligten Grundeigentümern und sind als solche Mitglied der am 6. Februar 1943 gegründeten Meliorationsgenossenschaft Schwerzenbach-Volketswil, die gemäss § 139 des zürch. Gesetzes betreffend die Förderung der Landwirtschaft vom 24. September 1911 (LG) eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Nach den Statuten dieser ![]() | 2 |
B.- Am 4. Mai 1956 erhoben die Erben Hirschi eine Aufsichtsbeschwerde, mit der sie u.a. verlangten, es seien sämtliche Beschlüsse, Verfügungen und anderen Massnahmen der Ausführungskommission sowie der Bonitierungskommission, die sie nach Ablauf ihrer Amtszeit erlassen haben, als nichtig zu erklären.
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Dieses Begehren wurde sowohl vom Bezirksrat Uster als auch vom Regierungsrat des Kantons Zürich abgewiesen, von letzterem mit Entscheid vom 29. November 1956 aus folgenden Gründen:
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Dem Begehren um Nichtigerklärung der Massnahmen der Bonitierungskommission könne schon deshalb nicht entsprochen werden, weil weder das LG noch die Statuten für diese Kommission eine befristete Amtsdauer bzw. Erneuerungswahlen vorschreiben und eine derartige Bestimmung sachlich auch nicht begründet wäre, weil die Bonitierungskommission ihre Aufgabe im allgemeinen in verhältnismässig kurzer Zeit erfüllen könne und sich ihre Tätigkeit nur ausnahmsweise auf mehrere Jahre erstrecke. Was die von der Ausführungskommission nach Ablauf ihrer Amtsdauer getroffenen Massnahmen betreffe, sei davon auszugehen, dass die Nichtigerklärung von Verwaltungsakten grundsätzlich nur bei den gröbsten Verstössen gegen das Gesetz in Betracht komme. Die Begrenzung der Amtsdauer ![]() | 5 |
C.- Die Erben Hirschi haben diesen Entscheid rechtzeitig mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten.
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D.- Der Regierungsrat sowie die Ausführungs- und Bonitierungskommission der Meliorationsgenossenschaft Schwerzenbach-Volketswil beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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3. Auch der Regierungsrat geht davon aus, dass nach § 5 der Statuten die Ausführungskommission jeweils nach Ablauf der vierjährigen Amtsdauer wieder neu hätte gewählt werden müssen. Es ist unbestritten, dass die letzte Erneuerungswahl am 28. September 1947 stattgefunden hat, dass aber in den Jahren 1951 und 1955 keine Erneuerungswahlen ![]() | 10 |
In einem früheren Verfahren machte der Rechtsvorgänger (Erblasser) der heutigen Beschwerdeführer geltend, dass die vor der Ausführungskommission durchgeführte Einigungsverhandlung vom 23. Juni 1947 und die Überweisung der Sache an das Schiedsgericht (vgl. §§ 113 und 142 LG) ungültig seien, weil der Kommission in der Zeit zwischen dem Ablauf ihrer Amtsdauer am 6. Februar 1947 und der Neuwahl vom 28. September 1947 keine Amtsbefugnis zugestanden habe. Das zürcherische Obergericht lehnte diesen Standpunkt unter Berufung auf eigene frühere Entscheide und solche des Kassationsgerichts mit ausführlicher Begründung ab (ZR 1950 S. 20 f.). Es führte namentlich aus, dass die statutarische Begrenzung der Amtsdauer der Kommission eine blosse Ordnungsvorschrift, eine Anweisung an die zuständigen Genossenschaftsorgane zur rechtzeitigen Anordnung der Neuwahl sei und dass, sofern diese Vorschrift aus irgend einem Grunde unbeachtet bleibe, die Befugnisse der Kommission nicht dahinfallen, diese vielmehr gleich wie ein Organ einer privatrechtlichen Verbandsperson weiterhin die Geschäfte zu führen und die Interessen der Genossenschaft wahrzunehmen habe. Das gelte jedenfalls, soweit die Kommission Aufgaben erfülle, die ihr durch das LG selber zugewiesen werden (vgl. §§ 108 ff. und 142 LG), sie also nicht bloss als Genossenschaftsorgan handle, denn in allen Fällen der Güterzusammenlegung beruhe die Bildung der Ausführungskommission auf dem Gesetz (§ 107 LG) und der Zusammenschluss der beteiligten Grundeigentümer zu einer Genossenschaft sei in § 139 LG nicht zwingend vorgeschrieben. Das LG kenne aber keine Beschränkung der Amtsdauer dieser Kommission. Obschon ![]() | 11 |
Dazu kommt, dass in der neueren Verwaltungsrechtslehre die Auffassung vertreten wird, dass nicht jeder mangelhafte Verwaltungsakt nichtig sei, sondern dass eine wertende Lösung der Frage Platz greifen müsse durch Abwägen der für und der gegen die praktische Folge der Unwirksamkeit sprechenden Interessen (IMBODEN, Der nichtige Staatsakt, S. 68 ff.; BGE 71 I 198 Erw. 1). Nach dieser Lehrmeinung hat die Nichtigkeitssanktion erst dann einzutreten, wenn die Verletzung der in Frage stehenden Vorschrift schwerer wiegt als die sich aus der Unwirksamkeit der Anordnung ergebende Beeinträchtigung der Rechtssicherheit und des handlungsökonomischen staatlichen Interesses (IMBODEN, S. 81). Es besteht also eine Ähnlichkeit mit der beim Problem der materiellen Rechtskraft von Verwaltungsakten vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. BGE 78 I 406, BGE 79 I 6; IMBODEN, S. 92). Deshalb bedingt nach dieser Auffassung nicht jede, sondern nur eine qualifizierte Unzuständigkeit die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes, so namentlich dann, wenn ein positiver Kompetenzkonflikt vorliegt und daher die Möglichkeit zweier gegensätzlicher Entscheide besteht oder wenn die Möglichkeit einer sachlich richtigen Entscheidung und eines gesetzmässigen Verfahrens zufolge des Handelns einer fremden Instanz in Frage gestellt ist (IMBODEN, S. 104 f.). Diese Betrachtungsweise lässt sich mit vernünftigen Gründen vertreten und kann zumindest nicht als willkürlich bezeichnet werden.
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Die danach erforderlichen Voraussetzungen für die Nichtigerklärung der Massnahmen der Ausführungskommission liegen aber offensichtlich nicht vor. Kein anderes Organ, sondern nur die Ausführungskommission ist zum ![]() | 13 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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