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12. Urteil vom 20. Februar 1957 i.S. Cottoferm AG gegen Schweiz. Bundesbahnen. | |
Regeste |
Enteignung. |
Die Schätzungskommission darf nicht die Vergütung für den Verkehrswert der enteigneten Liegenschaft (Art. 19 lit. a) vorweg festsetzen, den Entscheid über die weitern Nachteile (Art. 19 lit. c) auf später verschieben und anordnen, dass gegen Zahlung der Verkehrswertentschädiädigung das Eigentum an der enteigneten Liegenschaft auf den Enteigner übergehe. | |
Sachverhalt | |
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B.- Neben der Vergütung des vollen Verkehrswertes der enteigneten Liegenschaft (Art. 19 lit. a EntG), dessen Hauptposten (Wert der Liegenschaft ohne besondere Einrichtungen wie Leitungen nsw.) von der Enteigneten auf Fr. 1'035,549.--, von den SBB dagegen nur auf Fr. 473'043.-- beziffert wurde, verlangte die Enteignete eine Entschädigung für alle weitern ihr durch die Enteignung verursachten Nachteile (Art. 19 lit. c EntG; sog. Inkonvenienzen). Als solche machte sie geltend die Kosten des von der Baudirektion des Kantons Zürich abgelehnten Projekts für einen Neubau in Au-Wädenswil, die Kosten der Verlegung des Betriebes nach Horgen-Oberdorf (Planungskosten, Umtriebe für den Landerwerb, Mehrkosten der Vorproduktion für die Umzugszeit, Produktionsausfall während dieser Zeit, Kosten des Umzugs und der Neueinrichtung), die durch die Lage der neuen Fabrik bedingte Verteuerung der Transporte und den Schaden aus der Erhöhung der Kapitalzinslasten und der Verminderung der Mietzinseinnahmen, die mit der Preisgabe der alten und der Erstellung einer neuen Fabrik verbunden seien, schliesslich die Kosten der Berechnung der Ansprüche auf Enteignungsentschädigung. Weitere Begehren der Enteigneten ![]() | 2 |
C.- Obwohl die Enteignete die gesamthafte Beurteilung ihrer Begehren verlangte, beschränkte die Schätzungskommission VI das Verfahren entsprechend dem Antrag der SBB auf die Feststellung des Verkehrswertes der enteigneten Liegenschaft. Die weitern Enteignungsnachteile waren bei Gelegenheit des Augenscheins und der Schätzungsverhandlung vom 2. Oktober 1956 Gegenstand einer Einigungsverhandlung, die gemäss dem Protokoll hierüber nicht zu einer endgültigen Erledigung führte, wenn sich auch hinsichtlich einzelner Posten die Möglichkeit einer Verständigung abzeichnete. Das Dispositiv des den Parteien am 23. November 1956 zugestellten Entscheides der Schätzungskommission vom 2. Oktober 1956 lautet wie folgt:
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"beschlossen:
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1.:... (Nichteintreten auf das Begehren betr. Schatzfund).
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2. Über die der Enteigneten zustehende Inkonvenienzentschädigung (Art. 19 lit. c EntG) wird später entschieden.
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und
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erkannt:
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1. Die Liegenschaft ... geht auf den 1. April 1957 ... in das Eigentum der SBB über.
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2. Die SBB haben hiefür den Berechtigten als Verkehrswert (Art. 19 lit. a EntG) Fr. 588'000.-- zu bezahlen.
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3. Die Verfahrenskosten tragen die SBB. Sie haben der Enteigneten eine Parteientschädigung zu bezahlen.
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Über die Höhe der Kosten und der Parteientschädigung wird annlässlich der Erledigung der Inkonvenienzansprüche durch die Schätzungskommission entschieden.
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4. ... (Zustellung).
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5. ... (Rechtsmittelbelehrung)."
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Zur Begründung der Teilung des Verfahrens wird in den Erwägungen im wesentlichen ausgeführt, ordentlicherweise urteile die Schätzungskommission gleichzeitig über alle streitigen Begehren. Dies sei prozessökonomisch und erleichtere den Parteien bzw. dem Enteigner die Entschliessung darüber, ob das Bundesgericht anzurufen bzw. nachträglich auf die Enteignung zu verzichten sei. Das ![]() | 15 |
Über den Vollzug der Enteignung sagen die Erwägungen der Schätzungskommission, die Parteien hätten die Räumung der Liegenschaft auf Ende März 1957 vereinbart. Dem Wunsche der Enteigneten, bis dahin Eigentümerin des Grundstücks zu bleiben, stehe nichts entgegen. Die SBB seien zur Übernahme der Liegenschaft auf einen frühern Zeitpunkt nicht berechtigt, weil sie diese erst vom erwähnten Datum an benötigten. Sollte der Entscheid der Schätzungskommission dann noch nicht rechtskräftig sein, so könnten die SBB die vorzeitige Besitzeinweisung verlangen.
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Die SBB haben sich der Weiterziehung angeschlossen mit dem Begehren, der (von der Schätzungskommission) auf Fr. 90.- pro m2 bemessene Landwert sei auf Fr. 60.- pro m2 anzusetzen und im übrigen sei der Entscheid der Schätzungskommission zu bestätigen.
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E.- Am 5. Februar 1957 bestätigten die Parteien vor der bundesgerichtlichen Instruktionskommission ihre frühere Vereinbarung, wonach die enteignete Liegenschaft den SBB am 1. April 1957 zum Abbruch zur Verfügung stehen soll, und einigten sich dahin, dass das bundesgerichtliche Schätzungsverfahren auch im Falle einer Rückweisung der Sache an die Schätzungskommission noch vor dem Abbruch durchgeführt werden soll. Die SBB erklärten, dass sie auf den Rücktritt vom eingeleiteten Enteignungsverfahren (Art. 14 EntG) verzichten.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Im vorliegenden Fall umfasst die vom Enteigner zu bezahlende volle Entschädigung neben dem von der Vorinstanz festgesetzten Verkehrswert im Sinne von Art. 19 lit. a EntG unstreitig auch eine Entschädigung für Enteignungsnachteile im Sinne von Art. 19 lit. c. Indem die Vorinstanz erkannte, dass die enteignete Liegenschaft auf den 1. April 1957 in das Eigentum der SBB übergehe und dass diese dafür (wenigstens einstweilen) nur die auf Fr. 588'000.-- bezifferte Verkehrswertentschädigung zu bezahlen haben, hat sie also die klaren Bestimmungen von ![]() | 23 |
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Die Art. 64. lit. a, 72, 73 Abs. 1 lit. g, 73 Abs. 2, 74 Abs. 1, 75, 76, 88 Abs. 1 und 116 EntG sprechen von der "Entschädigung" bzw. vom "Entscheid" der Schätzungskommission in der Einzahl. Von einem Teilentscheid über einzelne Entschädigungsposten und einer Trennung des Verfahrens ist im Gesetz nirgends die Rede. Schon deshalb liegt die Annahme nahe, dass die Schätzungskommission die gesamte Entschädigung in einem einzigen Entscheide festzusetzen hat. Der entscheidende Grund für diese Auslegung des Gesetzes liegt aber nicht im Wortlaut, sondern in sachlichen Erwägungen. Die Entschädigung für eine und dieselbe Enteignung bildet ihrer Natur nach eine Einheit, auch wenn sie aus verschiedenen Bestandteilen besteht. Sie ist das Entgelt für das Interesse, das der Enteignete hatte, nicht enteignet zu werden (vgl. W. BURCKHARDT, ![]() | 25 |
Die Beurteilung der verschiedenen Bestandteile der Enteignungsentschädigung in getrennten Verfahren ist zudem deswegen abzulehnen, weil sie unvermeidlich auch zu praktischen Schwierigkeiten führt. Zu wissen, wieviel die Entschädigung insgesamt ausmacht, ist für die Parteien weit wichtiger als die Kenntnis der Einzelposten. Solange ihnen nicht bekannt ist, auf welchen Betrag die Schätzungskommission die Gesamtentschädigung bemisst, können sie also nicht richtig beurteilen, ob eine Weiterziehung an das Bundesgericht sich lohne. Ausserdem kann die Teilung des Verfahrens dazu führen, dass die Erledigung der ganzen Sache sich verzögert; denn wenn der auf einen einzelnen Posten bezügliche Teilentscheid weitergezogen wird, so ist es aus technischen Gründen (weil die Akten immer nur ![]() | 26 |
Der angefochtene Teilentscheid ist daher aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Festsetzung der Gesamtentschädigung in einem einzigen Entscheide.
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Hätte die Vorinstanz das Verfahren nicht geteilt und zur Abschätzung der im Gefolge der Enteignung entstehenden Nachteile (Art. 19 lit. c EntG) die entsprechenden Sachverständigen beigezogen, so läge wohl heute, da die Schätzung aller Inkonvenienzen spätestens zu Beginn dieses Jahres (zwei oder drei Monate vor der Betriebsverlegung) möglich geworden war, bereits ein erstinstanzlicher Entscheid über alle Entschädigungsposten vor.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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