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42. Urteil vom 29. November 1957 i.S. X. gegen eidg. Militärdepartement. | |
Regeste |
Disziplinarrecht: Disziplinarische Entlassung eines eidgenössischen Militärbeamten wegen finanzieller Beteiligung an einer privaten Unternehmung, von der die Eidgenossenschaft Heeresmaterial bezieht. | |
Sachverhalt | |
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Der Beschwerdeführer ist Aktionär der Bauunternehmung X. AG Der Betrieb wurde nach dem Tode des ![]() | 2 |
Gegen Ende des Aktivdienstes machte der Beschwerdeführer, damals Major beim Überwachungsgeschwader, seinen Bruder C., der zu jener Zeit noch Geschäftsführer der Firma X. war, in Dübendorf mit dem Direktor der Militärflugplätze bekannt. In der Folge wurde die Bauunternehmung X. neben anderen eingeladen, für Bauarbeiten auf einem Militärflugplatz Offerte einzureichen. Sie erhielt einen Teil des Auftrages. Im Hinblick darauf richtete sie im Jahre 1948 dem Beschwerdeführer "für Auftragswerbung" Fr. 3000.-- aus.
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B.- Seit 1949 hatte sich die Kriegstechnische Abteilung (KTA) des eidg. Militärdepartements näher mit der Frage der Beschaffung von Panzerwagen für die Armee zu befassen. Sie interessierte sich auch für den Panzer "Centurion", der in Grossbritannien vom Staate, dem Inhaber der Herstellungsrechte, und in dessen Auftrag von der Privatunternehmung Vickers-Armstrongs Ltd. (VA) fabriziert wird. Der Entscheid darüber, ob Wagen dieses Typs - sei es von einer der beiden staatlichen Fabriken, sei es von VA - ins Ausland geliefert werden können, steht den britischen Amtsstellen zu. Im Juni 1949 weilte eine Studienkommission der KTA in England. Bei ihren Besprechungen mit den dortigen Behörden war auch Attaché X. anwesend. Im Oktober 1949 beauftragte ihn die KTA, abzuklären, ob die britischen Amtsstellen sich mit einem Verkauf von Panzern an die Schweiz einverstanden erklären könnten, auf welchem Wege ein Gesuch für den Erwerb einiger Probefahrzeuge einzureichen wäre und ob über die voraussichtlichen Preise und Lieferfristen für solche Fahrzeuge ![]() | 4 |
Die VA unterhält in der Schweiz seit Jahren einen ständigen Vertreter, der die Verbindung mit den Kunden zu pflegen und die Firma über alles zu orientieren hat, was sie in ihrem Geschäftsbereich interessieren kann. Im August 1949 kündigte die VA dem bisherigen Inhaber des Postens auf Ende des Jahres. Auf der Suche nach einem Nachfolger wandte sich der Direktor ihrer Auslandverkaufsabteilung, Commander R., an Oberst X. Er lud ihn im Herbst 1949 zu einem Lunch ein und fragte ihn bei der Einnahme des Aperitifs, ob er eine geeignete Persönlichkeit nennen könne. Dabei umschrieb der Fragende die Anforderungen und erklärte, üblicherweise zahle die Firma ein kleines Fixum und beim Zustandekommen eines Geschäftes eine Provision. Der Beschwerdeführer antwortete, der einzige Milizoffizier der Panzerwaffe, den er in der in Betracht kommenden Gegend kenne, sei sein Bruder B.; Commander R. könne diesen ja einmal anfragen.
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Oberst X. unterrichtete den Bruder B. über dieses Gespräch. B. X. liess sich am 24. November 1949 vom Verwaltungsrat der Firma X. ermächtigen, auf ein Angebot der Vertretung der VA einzugehen, wobei er erklärte, es würde die Abmachung gelten, "dass das ganze Fixum und die Hälfte der eventuellen Provision zugunsten der Firma gingen". Der Beschwerdeführer, dem das Protokoll der damaligen Sitzung des Verwaltungsrates zugestellt wurde, erhob keine Einwendungen. Die VA bestellte dann im Juni 1950 tatsächlich B. X. als Vertreter auf dem Gebiete der Waffenfabrikation. Es wurde vereinbart, dass die Höhe der Provision dem Agenten im Zeitpunkte der Offertstellung bekanntgegeben werde.
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Die Verhandlungen der KTA mit den britischen Behörden über den Ankauf von Centurion-Panzern kamen nach ![]() | 7 |
Nach dem Ausscheiden des C. X. aus der X. AG wurde der Gedanke einer Beteiligung der Gesellschaft an den Vergütungen der VA fallen gelassen. Im Herbst 1954 erwähnte B. X. gegenüber dem Beschwerdeführer, dass nun die Möglichkeit unerwartet hoher Provisionsbezüge bestehe, und bot ihm an, die Provisionen unter ihnen beiden zu teilen. Der Beschwerdeführer war damit einverstanden. Nachdem die Bundesversammlung die Panzervorlage verabschiedet hatte, forderte ihn B. X. auf, einen Vorschlag für die Aufteilung zu machen. Der Beschwerdeführer regte an, 2/3 B. und 1/3 ihm selbst zuzuteilen. B. X. stimmte zu und übermittelte dem Beschwerdeführer am 6. Juli 1955 eine "Bestätigung" zur Unterschrift. Oberst X. unterzeichnete das Schriftstück, sandte es indessen nicht zurück, weil eine Unterredung, die er auf Veranlassung des Bruders und dessen Steuerberaters mit Minister T. hatte, ihn bedenklich stimmte. B. X. wurde vom Beschwerdeführer über dieses Gespräch orientiert. Er hielt aber im folgenden Briefwechsel mit dem Bruder an der Auffassung fest, dass dieser seinen Teil erhalten müsse; ![]() | 8 |
C - Ein gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachts des Amtsmissbrauches, der ungetreuen Amts- oder Geschäftsführung und der Annahme von Geschenken (Art. 312, 314, 159, 316 StGB) eingeleitetes gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wurde von der Bundesanwaltschaft am 19. Januar 1957 mangels eines strafrechtlichen Tatbestandes eingestellt.
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Darauf wurde gegen Oberst X. eine beamtenrechtliche Disziplinaruntersuchung durchgeführt. Durch Verfügung des eidg. Militärdepartements vom 8. Juni 1957 wurde er wegen schwerer Verletzung seiner Dienstpflichten, insbesondere wegen Missachtung des in Art. 26 BtG ausgesprochenen Verbotes der Annahme von Geschenken, mit sofortiger Wirkung disziplinarisch aus dem Bundesdienst entlassen (Dispositiv 1). Es wurde beigefügt, dass die Entlassung als selbstverschuldet im Sinne der Statuten der eidg. Versicherungskasse gelte, so dass der Entlassene nur Anspruch auf Rückerstattung der von ihm geleisteten Beiträge und Einkaufssummen ohne Zinsen habe (Dispositiv 2).
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Geahndet wurden, als Verstösse gegen Art. 26 (eventuell Art. 24 oder 22) BtG, die Annahme des Versprechens auf indirekte Beteiligung an den Vergütungen der VA auf dem Wege über die Beteiligung der X. AG, die Zustimmung zum Versprechen des B. X. auf direkte Beteiligung an der Provision und die Entgegennahme eines Teilbetrages von Fr. 50'000.--; ferner, als Widerhandlung gegen Art. 15 BtG, die Nichteinholung der Ermächtigung der Behörde zur Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrates der X. AG Wegen Verjährung (Art. 23 Abs. 3 BO I) wurden nicht geahndet der Verstoss gegen Art. 22 oder 24 BtG, der in der Vermittlung der Vertretung der VA für B. X. erblickt ![]() | 11 |
D.- Mit der vorliegenden Beschwerde beantragt A. X., Ziff. 1 und 2 der Disziplinarverfügung vom 8. Juni 1957 aufzuheben und ihm eine angemessene Entschädigung zuzusprechen, eventuell eine leichtere Disziplinarstrafe zu verhängen.
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Er macht geltend, er habe beim Gespräch mit Commander R. im Herbst 1949 nicht in amtlicher Eigenschaft, sondern als Privatmann Auskunft erteilt. Er habe in der Angelegenheit der Panzerbeschaffung weder mit der VA zu verhandeln noch Einfluss auf die Entschlüsse der Bundesbehörden gehabt. Die Annahme einer Vergütung des Bruders B. für jene Auskunft falle daher nicht unter Art. 26 BtG. Auf keinen Fall habe der Beschwerdeführer sich vorsätzlich gegen diese Bestimmung vergangen; denn er habe in gutem Glauben angenommen, als Privatmann Auskunft gegeben zu haben. Auch die Treuepflicht gegenüber der Eidgenossenschaft habe er nicht verletzt. Er habe den Bund nicht geschädigt, so wenig wie sein Bruder, dessen Verhältnis zu VA übrigens allgemein bekannt gewesen sei.
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Wenn auch das Verhalten des Beschwerdeführers ungehörig gewesen sei, so habe er sich doch keiner schweren oder fortgesetzten Dienstpflichtverletzungen schuldig gemacht. Es handle sich um einen einheitlichen Tatbestand. Wenn der Beschwerdeführer gefehlt habe, so sei es aus Gedankenlosigkeit und Passivität geschehen, nicht aber in der Absicht, sich an Heereslieferungen zu bereichern. Auf Grund voreiliger Mitteilungen aus dem Bundeshaus habe die Presse den Sachverhalt unrichtig dargestellt. Der Beschwerdeführer habe bisher seine Pflichten als Beamter und Offizier in untadeliger Weise erfüllt. Unter diesen ![]() | 14 |
E.- Das eidg. Militärdepartement beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Das Dispositiv 2, welches die Auseinandersetzung mit der eidg. Versicherungskasse betrifft, ist nicht eine Verfügung, die mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden könnte. Streitigkeiten über Ansprüche auf Kassenleistungen beurteilt das Bundesgericht als einzige Instanz, nicht als Beschwerdeinstanz (Art. 110 OG); sie sind ihm durch direkte verwaltungsrechtliche Klage zu unterbreiten. Mit einer solchen hat man es hier nicht zu tun. Soweit die Beschwerde das Dispositiv 2 anficht, kann darauf nicht eingetreten werden.
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3. B. X. hat in der Sitzung des Verwaltungsrates der X. AG vom 24. November 1949 versprochen, die ![]() | 19 |
4. Der Verdacht, der Beschwerdeführer habe strafbare Handlungen krimineller Natur gegen die Amts- und Berufspflicht begangen, hat sich als unbegründet erwiesen. Insbesondere hat sich der Beschwerdeführer mit der Beteiligung an den Vergütungen der VA nicht der passiven Bestechung gemäss Art. 315 oder der Geschenkannahme im Sinne des Art. 316 StGB schuldig gemacht. Er hat die ihm vom Bruder B. angebotenen Vorteile nicht für eine künftige (pflichtwidrige oder nicht pflichtwidrige) Amtshandlung ![]() | 20 |
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Dies war umsoweniger zulässig, als der Beschwerdeführer in Verwaltungszweigen mitgearbeitet hat, die mit der Beschaffung von Kriegsmaterial zu tun haben. So hatte er sich als Militärattaché in London gerade mit der Angelegenheit des Ankaufs von Centurion-Panzern, in der es ![]() | 22 |
Ebensowenig ist entscheidend, dass er die Eidgenossenschaft durch seine Beteiligung an den Provisionen, auf die der Vertreter der VA einen vertraglichen Anspruch hatte, offenbar nicht am Vermögen geschädigt hat. Art. 22 BtG soll, wie Art. 26 daselbst, nicht nur Unregelmässigkeiten des Beamten verhindern, durch welche der Bund unmittelbar finanziell benachteiligt wird, sondern allgemein das Ansehen und die Autorität, deren der Staat im Verhältnis zu den Bürgern bedarf, vor Beeinträchtigung durch den Beamten schützen. Er untersagt dem Beamten auch eine zweideutige Haltung, welche die Interessen des Bundes bloss gefährdet; denn solches Verhalten ist geeignet, das Vertrauen des Bürgers in die Integrität der Beamtenschaft zu erschüttern und damit der Autorität des Staates zu schaden. Die Interessen des Bundes beeinträchtigt daher auch der Beamte, der sie dadurch gefährdet, dass er sich an die privaten Interessen eines Kriegsmateriallieferanten bindet, ohne seinen Vorgesetzten davon Kenntnis zu geben, wie es der Beschwerdeführer getan hat; dadurch ![]() | 23 |
Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer durch seine Beteiligung an den Einkünften des Bruders B. aus der Vertretung der VA auf jeden Fall gegen Art. 22 BtG verstossen hat, was auch das eidg. Militärdepartement annimmt. Die Handlungsweise des Beschwerdeführers wäre in gleichem Masse pflichtwidrig, wenn er im Gespräch mit Commander R. den Bruder B. nicht genannt und dieser ihm die Beteiligung lediglich aus brüderlicher Zuneigung gewährt hätte. Daher braucht nicht geprüft zu werden, ob der Beschwerdeführer die Auskunft, welche für die Abtretung der Beteiligung eine Rolle gespielt hat, in amtlicher Eigenschaft erteilt, demgemäss den Vorteil "im Hinblick auf seine amtliche Stellung" erhalten und so auch gegen Art. 26 BtG verstossen habe.
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Ob man es mit einem "fortgesetzten" Delikt im Sinne von Art. 31 Abs. 4 BtG zu tun habe oder nicht, braucht ![]() | 26 |
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Auch subjektiv ist der Fall schwer. Der Beschwerdeführer hat vorsätzlich gehandelt; er hat der Beteiligung zugestimmt, sie also gewollt. Gewiss ist der Anstoss immer wieder von seinem Bruder B. ausgegangen; doch war der Beschwerdeführer als Beamter verpflichtet, die Angebote des Bruders zurückzuweisen. Wenn er seinerzeit die ganze Schwere seines Fehlers nicht eingesehen hat, so vermag ihn dies nicht zu entlasten. Er hatte zur Zeit, da B. X. erstmals eine Teilung der Vergütungen der VA vorgeschlagen hat, selber bei den Verhandlungen über die Beschaffung britischer Panzerwagen als Vertreter der Eidgenossenschaft mitzuwirken, und es konnte ihm schon damals nicht entgehen, dass mit umfangreichen Lieferungen der VA an den Bund zu rechnen war. Er hätte von Anfang an nach kurzer Überlegung sich Rechenschaft ![]() | 28 |
Dass es sich um eine Abmachung unter Brüdern handelt, spricht nicht zugunsten des Beschwerdeführers. Im Gegenteil bilden persönliche finanzielle Vorteile, die dem Beamten von einem Verwandten gewährt werden, für das Ansehen des Gemeinwesens eine erhöhte Gefahr, weil dann der Verdacht eines Missbrauches der amtlichen Stellung besonders nahe liegt.
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8. Der fehlbare Beamte darf auch dann, wenn er erstmals wegen einer schweren Dienstpflichtverletzung zur Verantwortung gezogen wird, mit der Entlassung bestraft werden, sofern die Interessen der Verwaltung durch die Verfehlung derart beeinträchtigt sind, dass es sich rechtfertigt, sofort die schwerste Disziplinarstrafe zu verhängen, damit eine Wiederholung ähnlicher Vorkommnisse nach Möglichkeit vermieden wird; in einem solchen Falle kann der Verwaltung nicht zugemutet werden, sich für einmal mit einer leichteren Strafe zu begnügen und damit allenfalls gemäss Art. 31 Abs. 2 BtG die Androhung der Entlassung zu verbinden (BGE 74 I 91,BGE 77 I 91). So verhält es sich hier. Es ist undenkbar, dass ein hoher Militärbeamter im Range eines Obersten im Amte bleiben kann, wenn er, wie es der Beschwerdeführer getan hat, beträchtliche Vorteile annimmt, die ihm im Zusammenhang mit Heereslieferungen angeboten werden. Ein solches Verhalten lässt darauf schliessen, dass es ihm an der Gesinnung fehlt, die von einem Beamten in seiner Stellung erwartet werden darf und muss. Dem Beschwerdeführer kann dieser Vorwurf auch dann nicht erspart werden, wenn darüber hinweggesehen ![]() | 30 |
Rechtfertigt somit allein schon die Beteiligung des Beschwerdeführers an den Vergütungen der VA aus dem Vertretungsverhältnis die disziplinarische Entlassung, so stellt sich die Frage nicht, ob die von der Verwaltung ebenfalls geahndete leichtere Verfehlung, die Nichteinholung der Ermächtigung der Behörde zur Tätigkeit im Verwaltungsrat der X. AG, einen Einfluss auf die Strafe hätte.
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Es ist nicht bestritten und wird zutreffen, dass der Beschwerdeführer, abgesehen von den Verstössen, um die es geht, seine Pflichten als Beamter und Offizier gewissenhaft erfüllt hat, doch wird er dadurch nicht in einem Masse entlastet, dass die disziplinarische Entlassung als nicht gerechtfertigt erschiene.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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