VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 84 I 77  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Streit betrifft ausschliesslich den anwendbaren Steuersatz ...
2. Zwar nicht ausdrücklich, wohl aber dem Sinne nach behaupt ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
12. Urteil vom 2. Mai 1958 i.S. Nawiasky gegen Steuerrekurskommission des Kantons St. Gallen.
 
 
Regeste
 
Wehrsteuer; Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland.  
 
Sachverhalt
 
BGE 84 I, 77 (77)A.- Der Beschwerdeführer wohnt in St. Gallen und war bis zum Frühling 1955 Professor an der dortigen Handelshochschule; daneben und auch seither lehrte er noch an der Universität München. Für die Wehrsteuer VIII wurde er auf Grund seines in der Schweiz erzielten Einkommens BGE 84 I, 77 (78)zum Satze des Gesamteinkommens veranlagt. Eine Einsprache, womit er sich gegen die Berücksichtigung seines Münchner Einkommens für die Bestimmung des Steuersatzes wandte, wurde abgewiesen, ebenso eine Beschwerde durch Entscheid der Steuer-Rekurskommission des Kantons St. Gallen vom 23. Januar 1958.
1
B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiegegen beantragt Professor Nawiasky erneut Festsetzung des Steuersatzes ausschliesslich nach Massgabe seines schweizerischen Einkommens. Er macht geltend, bei der Anwendung des Art. 44 WStB und des schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens seien die Grundsätze der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Rechtsgleichheit und von Treu und Glauben zu beachten. Danach gehe es im vorliegenden Falle nicht an, den Satz des Gesamteinkommens in Rechnung zu stellen. Der Steuerpflichtige dürfe durch die ausländischen und schweizerischen Steuern zusammen nicht stärker belastet werden, als wenn er sein gesamtes Einkommen in der Schweiz zu versteuern hätte.
2
C.- Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen die Abweisung der Beschwerde.
3
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
4
"Für Steuerpflichtige, die nur von einem Teil ihres Einkommens die Wehrsteuer zu entrichten haben, richtet sich die Klasseneinteilung nach dem gesamten Einkommen. Die Steuer ist jedoch nur von dem der Wehrsteuer unterliegenden Einkommen zum Satze des Gesamteinkommens zu berechnen."
5
Der Wortlaut dieser Bestimmung ist eindeutig. Er entspricht BGE 84 I, 77 (79)auch dem ganzen System der Wehrsteuer und insbesondere der in Art. 40 WStB und den dazu gehörenden Tarifen festgelegten progressiven Ausgestaltung der Steuersätze. Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, beruht diese auf dem Gedanken, dass die Steuerbelastung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Pflichtigen angepasst sein soll und dass diese mit steigendem Einkommen nicht nur proportional, sondern progressiv anwächst. Das gilt auch mit Bezug auf Steuerpflichtige, die nur für einen Teil ihres Einkommens die Wehrsteuer zu entrichten haben: Ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird nicht nur durch diesen Teil, sondern durch ihr gesamtes Einkommen bestimmt; deshalb ist für den Satz der Steuer - die nur auf einem Teileinkommen erhoben wird - das Gesamteinkommen massgebend. Art. 44 Abs. 1 WStB bezieht sich ausschliesslich auf die Besteuerung des der Wehrsteuer unterliegenden Einkommensteils; das übrige Einkommen wird dadurch nicht erfasst, noch entsteht irgend eine Beziehung zu dessen allfälliger Besteuerung von einer anderen Seite, namentlich durch einen fremden Staat. Für die Wehrsteuer spielt weder eine solche anderweitige Besteuerung an sich eine Rolle noch die Gesamtbelastung, die sich mit deren Einschluss für den Pflichtigen ergibt. Die Wehrsteuer erfasst ihn für das ihr unterliegende Einkommen nach Massgabe seiner Leistungsfähigkeit gemäss seinem Gesamteinkommen - ganz gleichgültig, ob und wie hoch er für sein übriges Einkommen anderweitig besteuert wird.
6
Der Wehrsteuerbeschluss hat Gesetzeskraft und ist daher gemäss Art. 114 bis Abs. 3 BV für das Bundesgericht verbindlich. Es hat deshalb Art. 44 Abs. 1 WStB nicht auf seine Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. Diese wird übrigens vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Er beruft sich zwar beiläufig auch auf die durch Art. 4 BV gewährleistete Rechtsgleichheit, aber lediglich um seinen Standpunkt zu stützen, dass der Grundsatz der gleichmässigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit BGE 84 I, 77 (80)zu beachten sei. Dieser Grundsatz, auf dem auch Art. 44 Abs. 1 WStB beruht, wird durch den angefochtenen Entscheid nicht verletzt.
7
8
Bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen hat das Bundesgericht stets die Auffassung vertreten, dass die Bestimmung des Satzes der Einkommenssteuer nach Massgabe des Gesamteinkommens keine Doppelbesteuerung begründet, wenn der so ermittelte Satz nur auf das der Besteuerung durch die Schweiz unterliegende Einkommen angewendet wird (so zuletzt mit Bezug auf das Abkommen mit den Vereinigten Staaten in BGE 82 I 7, E.5 b). Zum schweizerisch-deutschen Abkommen hat es in BGE 62 I 99, E. 3 ausgeführt: "Dieser (d.h. der dem Gesamtvermögen und -einkommen entsprechende) Satz wird nur angewandt auf das in der Schweiz steuerbare Vermögen und Emkommen. Der Rekurrent wird für sein schweizerisches Grundeigentum und dessen Erträgnisse nicht deshalb schwerer belastet, weil er noch einer andern Steuerhoheit unterliegt; es wird lediglich bei ihm, wie bei allen andern Steuerpflichtigen, der Steuersatz angewandt, der seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Er hat nur die Steuer aufzubringen, die er für sein schweizerisches Grundeigentum und dessen Erträgnisse unter sonst gleichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen auch zu bezahlen hätte, wenn er ausschliesslich der schweizerischen Steuerhoheit unterstände." Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist mit der aufzubringenden Steuer, vom der in diesem letzten Satze die Rede ist, nur die schweizerische gemeint. Das ist selbstverständlich; denn für das schweizerische Grundeigentum und dessen Erträgnisse kommen nach dem mit Deutschland geschlossenen BGE 84 I, 77 (81)Abkommen andere als schweizerische Steuern gar nicht in Frage. Der von der Schweiz von jeher gemachte Vorbehalt der Gesamtprogression ist nun in Z. 14 des Zusatzprotokolls vom 9. September 1957 zu diesem Abkommen auch von deutscher Seite ausdrücklich anerkannt worden (BBl 1957 II 614).
9
Aus dem dieser Ordnung zugrunde liegenden Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ergibt sich, dass jeder beteiligte Staat den seiner Steuerhoheit unterliegenden Teil des Einkommens des Pflichtigen nach dem Satze besteuern darf, der dem Gesamteinkommen entspricht, weil hierin die Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Keineswegs aber lässt sich daraus eine maximale Belastung ablesen, welche durch die Gesamtheit der Steuern in beiden Staaten nicht überschritten werden darf. Jeder Staat beurteilt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nach seinem eigenen Recht, unabhängig von dem andern Staate und ohne Rücksicht auf die von diesem erhobenen Steuern. Das schweizerisch-deutsche Abkommen teilt die Steuerobjekte unter die beteiligten Staaten auf; jeder darf nur die seiner Steuerhoheit unterliegenden erfassen; in der Art ihrer Erfassung - und dazu gehört die Bestimmung des Steuersatzes - ist er frei und braucht keine Rücksicht auf die Gesamtbelastung zu nehmen, die sich daraus ergibt, dass beide Staaten die ihnen im Abkommen zugewiesenen Objekte nach Massgabe der Landesgesetzgebung besteuern. Die Auffassung des Beschwerdeführers hätte zur Folge, dass derjenige Staat, der die Leistungsfähigkeit milder beurteilt und daher niedrigere Steuern erhebt, diese im Einzelfalle noch weiter herabsetzen müsste, weil der andere Staat gestützt auf seine strengere Auffassung von der Leistungsfähigkeit höhere Steuern bezieht und dadurch die Gesamtbelastung schwerer wird. Das zeigt gerade der vorliegende Fall deutlich: Deutschland hat höhere Steuern als die Schweiz und belastet den Beschwerdeführer für sein Münchner Einkommen stärker, als ihn die Schweiz für ein gleiches Einkommen BGE 84 I, 77 (82)belasten würde; seine gesamte Steuerlast in beiden Staaten ist deshalb höher, als wenn er für sein ganzes Einkommen in der Schweiz, aber niedriger, als wenn er dafür in Deutschland allein steuerpflichtig wäre. Aber weder der einen noch der andern Gesetzgebung noch dem Abkommen lässt sich ein Maximum entnehmen, das durch die Summe der Steuern in beiden Staaten nicht überschritten werden dürfte. Selbst wenn man sagen könnte, die gesamte Steuerlast übersteige die nach schweizerischem Recht beurteilte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers, so läge der Grund nicht in den schweizerischen, sondern in den deutschen, auf einem strengeren Begriffe der Leistungsfähigkeit beruhenden Steuern, und es könnte keine Rede davon sein, dass die Schweiz mit Rücksicht hierauf die sich nach ihrem Recht ergebenden Steuern herabsetzen müsse. Umgekehrt würde ja seine nach deutschem Recht beurteilte Leistungsfähigkeit nicht erreicht, weil er für sein schweizerisches Einkommen weniger Steuern entrichtet, als er in Deutschland dafür zu bezahlen hätte. Dadurch, dass er zwei Steuerhoheiten untersteht, stellt er sich einerseits schlechter, als wenn er nur der schweizerischen, aber anderseits besser, als wenn er nur der deutschen unterstände. Weder aus der Rechtsgleichheit noch aus Treu und Glauben noch aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit lässt sich herleiten, dass die Schweiz wegen der höheren Belastung seines deutschen Einkommens durch Deutschland den Beschwerdeführer für sein ihrer Hoheit unterliegendes Einkommen nicht in der Höhe besteuern dürfe, die sich aus ihrem eigenen Recht ergibt. Eine solche Beschränkung würde vielmehr ein unzulässiges Übergreifen des deutschen Rechtes in die schweizerische Steuerhoheit darstellen, das mit der im Doppelbesteuerungsabkommen getroffenen Ausscheidung der Steuerobjekte nichts zu tun hat.
10
Demnach erkennt das Bundesgericht:
11
Die Beschwerde wird abgewiesen.
12
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).