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3. Urteil vom 20. Januar 1960 i.S. G. gegen Kanton St. Gallen und Steuerkammer des Kantonsgerichts St. Gallen. | |
Regeste |
Kantonales Steuerrecht. Willkür. | |
Sachverhalt | |
1 | |
Wer seinen Wohnsitz im Kanton hat, ist unbeschränkt steuerpflichtig. Er hat die Steuern von seinem gesamten Einkommen, Gewinn oder Ertrag und von seinem gesamten Vermögen oder Kapital zu entrichten.
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Das Bundesrecht über das Verbot der Doppelbesteuerung und die Staatsverträge bleiben vorbehalten. Art. 6:
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Der Wohnsitz der natürlichen Personen befindet sich am Mittelpunkt ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
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Bei einem Aufenthalte von mehr als drei Monaten gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz, sofern nicht ein anderer Wohnsitz nachgewiesen wird.
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B.- Der 1901 geborene Beschwerdeführer G. ist Chefmonteur einer Maschinenfabrik in Uzwil und lebte früher zusammen mit seiner Ehefrau und seinen zwei Kindern in St. Gallen, wo auch seine Eltern und eine verheiratete Schwester wohnten. Im Jahre 1946 trennte er sich von seiner Ehefrau. Diese blieb weiterhin in St. Gallen, während der Beschwerdeführer sich seither, von kurzen Unterbrüchen abgesehen, in verschiedenen europäischen und aussereuropäischen Ländern aufhielt und dort für seine Arbeitgeberin Montagearbeiten leitete. Er behielt zunächst noch ein Zimmer in St. Gallen, gab es dann aber im Jahre 1950 aufund meldete sich bei der Einwohnerkontrolle ab. Am 10. Juni 1956 wurde er von seiner Arbeitgeberin nach Irak geschickt. Er war dort bis zum 21. Juni 1957 tätig, arbeitete vom 13. August bis 12. Oktober 1957 in Amsterdam und kehrte am 4. Dezember 1957 wieder nach Irak zurück, wo er sich seither aufhält.
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G. ist in St. Gallen zum letzten Mal für 1949 besteuert worden. Im Frühjahr 1958 teilte ihm die kantonale Steuerverwaltung mit, dass St. Gallen nach wie vor als sein Steuerdomizil zu gelten habe. G. bestritt dies. Am 20. November 1958 setzte die kantonale Steuerverwaltung sein steuerbares Einkommen für 1957 auf Fr. 10'800.-- fest. Hiegegen erhob G. Rekurs und nach dessen Abweisung Beschwerde. Diese wurde von der Steuerkammer des ![]() | 7 |
Ob der Beschwerdeführer in Irak steuerpflichtig sei, wie er behauptet, aber nicht nachgewiesen habe, sei unerheblich, da zwischen der Schweiz und Irak kein Doppelbesteuerungsabkommen bestehe und daher für die Steuerpflicht in St. Gallen ausschliesslich das st. gallische StG massgebend sei. Nach diesem sei er in St. Gallen steuerpflichtig, wenn dieser Ort als Mittelpunkt seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu betrachten sei (Art. 5 und 6). Der Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Verhältnisse liege zweifellos nicht im Ausland, sondern in Uzwil, von wo aus er entlöhnt und an die immer wieder wechselnden Montageplätze im Ausland geschickt und wohin er von Zeit zu Zeit zu Instruktionszwecken zurückberufen werde. Der Mittelpunkt seiner persönlichen Verhältnisse aber sei unverkennbar die Stadt St. Gallen. Es gebe keinen andern Ort auf der Welt, zu dem er engere persönliche Beziehungen unterhalte. In St. Gallen, wo er bis 1946 mit seiner Familie gewohnt habe, wohne seine allerdings von ihm getrennte Ehefrau mit einem Sohn, lebe sein Vater im Bürgerheim und wohne seine verheiratete Schwester, bei der er einen Teil seiner Ferien verbringe und die während seiner Abwesenheit für ihn Korrespondenzen weiterleite und finanzielle Aufträge besorge. Die Stadt St. Gallen sei der einzige feste Punkt in seinem Dasein, an den er immer wieder zurückkehre und wo er mit seinen nächsten Angehörigen zusammen sein könne. Zu den verschiedenen Arbeitsorten dagegen, die ständig wechselten und die nicht der Beschwerdeführer, sondern seine Arbeitgeberin wähle, seien keinerlei persönliche Beziehungen bekannt. Wenn sich bei einem Unselbständigerwerbenden der Mittelpunkt der persönlichen und der wirtschaftlichen Beziehungen nicht decke, so komme dem Zentrum der persönlichen Beziehungen, die das StG an erster Stelle nenne, das grössere Gewicht zu, weshalb die ![]() | 8 |
C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt G., der Entscheid der Steuerkammer vom 29. September 1959 sei wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben. Er macht geltend, die Annahme, sein Wohnsitz habe sich auch noch nach 1950 und insbesondere im Jahre 1957 in St. Gallen befunden, widerspreche völlig den Tatsachen und sei willkürlich.
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D.- Die Steuerkammer des Kantonsgerichts und die Kantonale Steuerverwaltung St. Gallen beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Der Beschwerdeführer behauptet, er sei in Irak steuerpflichtig, hat den Beweis dafür aber nicht erbracht. Wie es sich damit verhält, ist indessen unerheblich. Zwischen der Schweiz und Irak besteht kein Staatsvertrag zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Aus Art. 46 Abs. 2 BV aber hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung für das internationale Verhältnis lediglich den Grundsatz abgeleitet, dass eine in der Schweiz steuerpflichtige Person für ihre im Ausland gelegenen und dort tatsächlich zur Steuer herangezogenen Grundstücke nicht auch noch in der Schweiz besteuert werden darf (BGE 73 I 199Erw. 2 und ![]() | 12 |
3. Nach Art. 5 Abs. 1 StG wird die Steuerpflicht im Kanton durch den Wohnsitz begründet. Dieser befindet sich, wie Art. 6 Abs. 1 StG weiter bestimmt, bei natürlichen Personen "am Mittelpunkt ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse". Ihr Steuerdomizil deckt sich demnach mit ihrem zivilrechtlichen Wohnsitz im Sinne des Art. 23 ZGB und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dazu (vgl. BGE 85 II 322 und dort angeführte frühere Urteile, insbesondereBGE 64 II 403). Eine Besonderheit besteht immerhin insofern, als Art. 6 Abs. 2 StG ausdrücklich bestimmt, dass bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten der Aufenthaltsort als Wohnsitz gilt, sofern nicht ein anderer Wohnsitz nachgewiesen wird. Diese gesetzliche Vermutung gilt, wie nicht zweifelhaft sein kann und offenbar auch im angefochtenen Entscheid angenommen wird, nicht nur zu Ungunsten, sondern auch zugunsten des Steuerpflichtigen. Da der Beschwerdeführer sich vom 10. Juni 1956 bis 21. Juni 1957, also mehr als 12 Monate, und seit 4. Dezember 1957 bis heute neuerdings ununterbrochen in Irak aufgehalten hat, liegt daher dem Kanton St. Gallen der Beweis ob, dass sich der Wohnsitz des Beschwerdeführers, d.h. der Mittelpunkt seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Jahre 1957, auf das sich der vorliegende Steuerstreit bezieht, gleichwohl in St. Gallen befunden hat. Dagegen kommt nichts darauf an, ob der Beschwerdeführer, wie er behauptet, die st. gallischen Steuerbehörden aber bestreiten, in Irak einen Wohnsitz begründet hat. Selbst wenn dies nicht der Fall ![]() | 13 |
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Was zunächst die wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft, so hat eine Person zu dem Ort, wo sie ihren Beruf ausübt, ![]() | 15 |
Unter den persönlichen Verhältnissen, die einen Ort zum Lebensmittelpunkt machen, sind in erster Linie die Beziehungen zu nahen Angehörigen von Bedeutung. In dieser Hinsicht fällt im vorliegenden Falle der Umstand, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in St. Gallen wohnt, unbestrittenermassen ausser Betracht, denn er lebt seit mehr als 10 Jahren völlig getrennt von ihr. Die Beziehungen zu seinem in einem Altersheim in St. Gallen lebenden Vater und zu seiner in St. Gallen verheirateten Schwester bestehen darin, dass der Beschwerdeführer sie bei seinen gelegentlichen Ferientagen in St. Gallen besucht und dass seine Schwester während seiner Abwesenheit im Ausland Korrespondenzen an ihn weiterleitet und gewisse finanzielle Aufträge für ihn ausführt. Solche losen Beziehungen, wie sie wohl jeder alleinstehende Auslandschweizer mit seinen nächsten Verwandten in der Schweiz unterhält, genügen ![]() | 16 |
Der angefochtene Entscheid dehnt den Begriff des (zivilrechtlichen) Wohnsitzes in einer Weise aus, die sich mit sachlichen Gründen nicht mehr rechtfertigen lässt und stossende Konsequenzen hätte. Diese Ausdehnung des Wohnsitzbegriffes hätte vor allem zur Folge, dass Auslandschweizer für ihr Erwerbseinkommen sowie für ihr bewegliches Vermögen und dessen Ertrag häufig doppelt besteuert würden, was bei der heutigen Höhe der Steuern insbesondere auf dem Einkommen eine sehr starke Belastung bedeutet. Sodann wäre es unvermeidlich, dass sich eine solche Ausdehnung des Wohnsitzbegriffs auf andere Rechtsgebiete (Ausübung des Stimmrechts, Gerichtsstand) auswirken und dort ebenfalls zu unhaltbaren Ergebnissen führen würde. Der angefochtene Entscheid ist daher als willkürlich wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben.
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