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25. Urteil vom 15. Juli 1960 i.S. Joppi gegen Regierungsrat des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Schweizerbürgerrecht. |
2. Unter welchen Voraussetzungen kann die Behörde auf einen Entscheid, durch den festgestellt wird, dass das Kind das Schweizerbürgerrecht besitzt, nachträglich zurückkommen? (Erw. 5, 6). | |
Sachverhalt | |
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Nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, heiratete er am 30. Mai 1949 in Dornbirn (Österreich) Zita Louisa Niesper, von Wolhusen (Luzern). Der Ehe entspross ein Sohn, Harald Christian Joppi, geboren am 22. Juni 1949 in Dornbirn.
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B.- Im Jahre 1953 beantragte das eidg. Justiz- und Polizeidepartement der zuständigen Behörde des Kantons Luzern, im Verfahren gemäss Art. 49 BG über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 29. September 1952 (BüG) zu prüfen, ob Frau Joppi-Niesper und ihr Sohn das Schweizerbürgerrecht besässen. Das Departement gelangte damals zum Schluss, Ferdinand Joppi habe sich zur Zeit der Eheschliessung und seither weder von Italien noch von Österreich noch von Deutschland als Staatsbürger anerkennen lassen können; er sei bei der Verheiratung staatenlos gewesen und es geblieben, so dass die Ehefrau das Bürgerrecht des Kantons Luzern und der Gemeinde Wolhusen und das Schweizerbürgerrecht behalten habe und der Sohn von Geburt an ebenfalls diese Rechte besitze (Art. 5 Abs. 2 und 3 BRB über Änderung der Vorschriften über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 11. November 1941 - BRB 1941).
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Das Gemeindedepartement des Kantons Luzern teilte diese Auffassung, ebenso der Gemeinderat von Wolhusen. Dieser beschloss daher im August 1953, Frau Joppi-Niesper und Harald Christian Joppi als Bürger der Gemeinde ![]() | 5 |
Die Ehe Joppi-Niesper wurde im Jahre 1955 geschieden. Frau Niespcr heiratete am 29. Mai 1956 den Schweizerbürger Bruno Gröbli. Sie besitzt seither das Bürgerrecht von Henau (St. Gallen).
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C.- In der Folge beantragte das eidg. Justiz- und Polizeidepartement, in einem neuen Verfahren nach Art. 49 BüG zu überprüfen, ob Harald Christian Joppi das Schweizerbürgerrecht besitze. Es erhielt mit einer Note der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bern vom 22. Oktober 1957 eine Bestätigung der "Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten des Bundesministers des Innern - Staatsangehörigkeitsangelegenheiten -" vom 9. August 1957. In der Bestätigung wird erklärt, dass Ferdinand Joppi "die deutsche Staatsangehörigkeit seit dem 17. Januar 1940 besitzt", und in der Begleitnote, dass demzufolge auch sein Sohn, durch Abstammung, deutscher Staatsangehöriger sei.
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Gestützt auf diese neuen Unterlagen entschied der Gemeinderat von Wolhusen am 30. Januar 1958, dass Harald Christian Joppi im Jahre 1953 zu Unrecht als Bürger dieser Gemeinde (und des Kantons Luzern und als Schweizerbürger) anerkannt worden sei und dass diese "Erteilung" des Bürgerrechts daher widerrufen werde. Eine Beschwerde des Harald Christian Joppi hiegegen wies der Regierungsrat des Kantons Luzern am 25. Januar 1960 ab.
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D.- Gegen diesen Entscheid erhebt Harald Christian Joppi Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass er nach wie vor das Schweizerbürgerrecht und das Bürgerrecht von Wolhusen besitze.
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Es wird geltend gemacht, Ferdinand Joppi sei seit dem Jahre 1940 staatenlos. Seine damals verfügte Aufnahme in das deutsche Bürgerrecht sei nichtig. Deutschland habe mit der Einbürgerung dieses Südtirolers, der nie auf ![]() | 10 |
E.- Der Regierungsrat des Kantons Luzern und das eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Ferdinand Joppi, der Vater des Beschwerdeführers, hat die italienische Staatsangehörigkeit, die er früher besessen hatte, spätestens im Jahre 1940 verloren, weil er für die deutsche Reichsangehörigkeit optiert und sie, nach der Abwanderung nach Österreich, auch erhalten hat. Er hat zwar im Januar 1949 ein Gesuch um Wiederaufnahme in das italienische Bürgerrecht gestellt, jedoch ohne Erfolg. Anderseits hat das nach dem Kriege wiedererstandene Österreich die auf seinem Gebiet während des Anschlusses an das Deutsche Reich vorgenommenen ![]() | 13 |
Nun erklärt die "Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten des Bundesministers des Innern - Staatsangehörigkeitsangelegenheiten -" in der Bestätigung vom 9. August. 1957, dass Ferdinand Joppi "die deutsche Staatsangehörigkeit seit dem 17. Januar 1940 besitzt". Ferner stellt die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bern in der Note vom 22. Oktober 1957 fest, dass infolgedessen auch seine Ehefrau - durch die Eheschliessung vom 30. Mai 1949 - und sein Sohn - durch die Geburt - die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben (§§ 6 und 4 des deutschen Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913). Aus diesen Erklärungen könnte geschlossen werden, dass Ferdinand Joppi nicht staatenlos, sondern eben deutscher Staatsangehöriger war, als er Zita Louisa Niesper heiratete und sein Sohn geboren wurde. Wenn es sich so verhält, ist weder Art. 5 Abs. 2 BRB 1941 anwendbar, wonach die Schweizerin bei Eingehung der Ehe mit einem Ausländer das Schweizerbürgerrecht behält, wenn sie andernfalls unvermeidlich staatenlos würde, noch Abs. 3 ebenda, wonach das eheliche Kind einer Schweizerin, die das Schweizerbürgerrecht gemäss Abs. 2 nicht verloren hat, mit der Geburt das Schweizerbürgerrecht erhält, sofern andernfalls auch es unvermeidlich staatenlos wäre. Vielmehr ist dann der Sohn, nach dem in Art. 270 ZGB anerkannten allgemeinen Grundsatz, durch Abstammung deutscher Staatsangehöriger geworden.
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Indessen führt das eidg. Justiz- und Polizeidepartement aus, die deutschen Behörden hätten es nach dem Kriege anfänglich abgelehnt, die während des Anschlusses auf ![]() | 15 |
Ob diese Annahme oder die gegenteilige richtig ist, kann jedoch offen gelassen werden, weil der Beschwerdeführer im einen wie im andern Fall das Schweizerbürgerrecht heute nicht besitzt.
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3. Nach der erwähnten Bescheinigung der "Bundesstelle für Verwaltungsangelegenheiten des Bundesministers des Innern - Staatsangehörigkeitsangelegenheiten -" ist Ferdinand Joppi in der Bundesrepublik Deutschland auf jeden Fall heute als deutscher Staatsangehöriger anerkannt. Diese Amtsstelle ist, wie sich aus ihrer Bezeichnung ergibt und die Botschaft der Bundesrepublik in Bern in der Note vom 22. Oktober 1957 bestätigt, in Bürgerrechtsfragen ![]() | 17 |
4. Der Beschwerdeführer wendet vergeblich ein, die Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit an Ferdinand Joppi seitens Deutschlands sei nichtig oder zum mindesten für die schweizerischen Behörden nicht verbindlich, weil sie weder mit dem Völkerrecht noch mit den Hoheitsrechten der Schweiz und den schweizerischen Anschauungen von öffentlicher Ordnung noch mit dem deutschen Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 vereinbar sei. Nach Art. 5 Abs. 2 und 3 BRB 1941 und Art. 5 Abs. 2 BüG kommt es auf die staatsrechtliche Stellung des ausländischen ![]() | 18 |
5. Im Entscheid vom 30. Januar 1958, den der ange fochtene Entscheid des Regierungsrates schützt, hat der Gemeinderat von Wolhusen den von ihm im Jahre 1953 gefassten Beschluss, Harald Christian Joppi als Bürger der Gemeinde (und des Kantons Luzern und als Schweizerbürger) anzuerkennen, als aufgehoben erklärt ("widerrufen"). Der aufgehobene Beschluss stellt, wie der Aufhebungsbeschluss, einen im Feststellungsverfahren nach Art. 49 BüG getroffenen Entscheid dar. Er ist seinerzeit nicht an eine obere Instanz weitergezogen worden, ist ![]() | 19 |
Dem zwingenden Charakter des öffentlichen Rechts und der Natur der öffentlichen Interessen entspricht es, dass ein formell rechtskräftiger Verwaltungsakt zurückgenommen oder abgeändert werden darf, wenn sich herausstellt, dass er mit dem Gesetze nicht im Einklang steht. Anderseits kann es ein Gebot der Rechtssicherheit sein, dass eine administrative Verfügung, welche eine Rechtslage begründet oder feststellt, nicht nachträglich wieder in Frage gestellt werde. Falls das Gesetz die Frage der Widerruflichkeit offen lässt, ist sie von der zu dessen Anwendung berufenen Behörde zu lösen, wobei abzuwägen ist, ob dem Postulat der richtigen Durchführung des objektiven Rechts oder den Anforderungen der Rechtssicherheit der Vorrang gebühre (BGE 84 I 11 Erw. 4 und dort zitierte Urteile). Selbst in Angelegenheiten, in denen die Rechtssicherheit mehr Gewicht hat, kann es sich indessen unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise rechtfertigen, dass die Verwaltung auf eine formell rechtskräftige Verfügung nachträglich zurückkommt, sei es deshalb, weil inzwischen Tatsachen eingetreten sind, die nach der besonderen Ordnung des anwendbaren Gesetzes eine neue Rechtslage begründen, sei es deshalb, weil einer der Revisionsgründe, welche die Rechtsprechung in Anlehnung an Art. 136 und 137 OG (Revision bundesgerichtlicher Entscheide) anerkennt (BGE 74 I 406 Erw. 3), besteht und rechtzeitig geltend gemacht wird.
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Die geltende Gesetzgebung über das Schweizerbürgerrecht enthält, wie die frühere, keine Bestimmung darüber, ob ein Entscheid, der feststellt, dass eine Person dieses Bürgerrecht besitzt, nachträglich widerrufen werden darf oder nicht. Das Bundesgericht hat einen solchen Feststellungsentscheid für (grundsätzlich) unwiderruflich erklärt in Erwägung, dass die Rücksicht auf die Rechtssicherheit den Vorrang verdiene (BGE 75 I 288f.). Dieses Urteil betrifft einen Entscheid, den vor dem 1. Januar ![]() | 21 |
6. Falls anzunehmen wäre, dass Ferdinand Joppi zur Zeit, da der Entscheid von 1953 getroffen wurde, noch als staatenlos zu gelten hatte, dann wäre dieser Entscheid zwar richtig gewesen, doch hätte nachträglich wegen Veränderung der Verhältnisse gestützt auf Art. 5 Abs. 2 BüG ein anderer Entscheid getroffen werden müssen. Wenn dagegen anzunehmen wäre, dass Ferdinand Joppi von den deutschen Behörden bereits wieder als deutscher Staatsangehöriger behandelt wurde, als der Entscheid von 1953 gefällt wurde, so wäre dieser Entscheid zwar unrichtig gewesen, hätte aber nachträglich nur dann widerrufen werden dürfen, wenn ein Revisionsgrund im Sinne der Art. 136 und 137 OG rechtzeitig angeführt worden wäre. Welche staatsrechtliche Stellung Ferdinand Joppi im Jahre 1953 hatte, kann dahingestellt bleiben. Für den Fall, dass er schon damals wieder als deutscher Staatsangehöriger ![]() | 22 |
Art. 141 OG bestimmt, dass die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides im Falle von Art. 137 lit. b binnen 90 Tagen, von der Entdeckung des Revisionsgrundes an, nachgesucht werden muss und nach Ablauf von 10 Jahren nicht mehr nachgesucht werden kann. Es rechtfertigt sich, auch die Revision eines von einer unteren Instanz im Verfahren nach Art. 49 BüG getroffenen Entscheides auszuschliessen, wenn einmal 10 Jahre verflossen sind. Im vorliegenden Fall wäre diese Frist nicht abgelaufen. Ob hier auch die 90tägige Frist zu beachten wäre, ist zweifelhaft, da sie für ein Parteiverfahren aufgestellt ist, die zur Feststellung des Bürgerrechts nach Art. 49 BüG zuständige kantonale Behörde aber nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amtes wegen entscheiden kann. Die Frage kann indessen offen gelassen werden. Die 90tägige Frist wäre vom Zeitpunkt an zu rechnen, da die antragstellende Behörde, das eidg. Justiz- und Polizeidepartement, sichere Kenntnis vom Revisionsgrund erhalten hätte. Diese Kenntnis konnte dem Departement erst die Bestätigung der zuständigen deutschen Behörde vom 9. August 1957 vermitteln, die ihm mit der Note der ![]() | 23 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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